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Hafenlohr
Hafenlohrtal im Spessart: Ein langer Kampf gegen die Stausee-Pläne
Aus der Geschichte Main-Spessarts (141): Kaum vorstellbar, dass dieses Idyll im Spessart heute am Grunde eines Wasserspeichers liegen könnte. Ende der 1970er Jahre fehlte dazu nicht viel. Warum es doch anders kam.
Es gab Pläne, im Hafenlohrtal zwischen Rothenbuch und Windheim (unten) einen Stausee zu bauen. Diese waren nach langem Kampf vom Tisch.
Foto: Adolf Spreng/Film-Photo-Ton-Museumsverein | Es gab Pläne, im Hafenlohrtal zwischen Rothenbuch und Windheim (unten) einen Stausee zu bauen. Diese waren nach langem Kampf vom Tisch.
Klaus Gimmler
 |  aktualisiert: 10.05.2023 09:22 Uhr

Manche Projekte klingen so absurd, dass sich erst einmal kaum jemand darum schert. Dass die Bayerische Staatsregierung vorhaben könnte, das Hafenlohrtal im Spessart zwischen Rothenbuch und Windheim in einem Stausee verschwinden zu lassen, war so eines. Selbst als sich im Juni 1978 in Lichtenau die Aktionsgemeinschaft Hafenlohrtal (AGH) gründete, dauerte es noch lange, bis in der Region Bewegung in die Sache kam. Aber die Bedrohung war real. Das ganze Tal mit "Hoher Knuck", Lichtenau, Erlenfurt, Einsiedel und Lindenfurter Hof sollte geflutet werden, um die Trinkwasserversorgung sicherzustellen. Es begann ein langer, 40 Jahre währender Kampf.

Sebastian Schönauer, der Vorsitzende der Aktionsgemeinschaft Hafenlohrtal, bei der 25-Jahrfeier der AGH in Lichtenau im Jahre 2003.
Foto: Joachim Spies | Sebastian Schönauer, der Vorsitzende der Aktionsgemeinschaft Hafenlohrtal, bei der 25-Jahrfeier der AGH in Lichtenau im Jahre 2003.

Anfangs hatten die Stausee-Gegner wirklich Angst, dass am nächsten Tag die Bagger im Hafenlohrtal anrücken würden. Heute fürchtet das selbst der stets wachsame Sebastian Schönauer, seit 1978 AGH-Vorsitzender, nicht mehr. Auch wenn Ministerpräsident Markus Söder derzeit von Wasserspeichern vor Ort spricht, weil Franken zu verdursten drohe. "Ich glaube nicht, dass sie hier noch weitere Experimente wagen", sagt Schönauer. Und ist sich sicher, dass da auch die EU-Gesetzgebung wegen der zwei hochrangigen Naturschutzgebiete mit ihren 71 Hektar im oberen Hafenlohrtal auf der Seite der Aktionsgemeinschaft wäre.

Das Aus kam erst vor der Landtagswahl 2008

In den 1970er und 1980er Jahren waren es dagegen fast nur Kommunalpolitiker, die sich an ihre Seite stellten. Am 20. April 1978 hatten sich die Bürgermeister aus Rothenbuch, Rothenfels, Hafenlohr und Weibersbrunn zu einer Allianz für den Erhalt des Tales vereint. 1982 stimmte der Kreistag von Aschaffenburg, fünf Jahre später der von Main-Spessart gegen die Stausee-Pläne. Doch noch 2007 hielt der zuständige Umweltminister Werner Schnappauf wie schon seine sechs Amtsvorgänger an der Stausee-Option fest. Erst im September 2008, kurz vor der Landtagswahl, waren die Pläne vom Tisch.

Auch die Wasserbüffel gehören inzwischen zum Hafenlohrtal.
Foto: Christian Salomon | Auch die Wasserbüffel gehören inzwischen zum Hafenlohrtal.

Entscheidend für den Erfolg der AGH: Sie beschränkte sich nicht auf das "Dagegen", sondern hatte von Anfang an ein Umdenken bei der Trinkwasserversorgung zum Ziel - und Alternativen zum Speichersee. Dass die Gemeinden im Hafenlohrtal es rundweg ablehnten, ihre eigene Trinkwasserversorgung zugunsten von "Fern-Wasser" aufzugeben, war ein erster Schritt. Die Aktionsgemeinschaft drängte in ganz Bayern auf das Fortbestehen eigener Brunnen und Quellen und die Modernisierung der Wasserversorgungen in den Gemeinden. Die 1986 ebenfalls von Sebastian Schönauer gemeinsam mit Prof. Hubert Weiger gegründete Interessengemeinschaft zum Erhalt der kommunalen Trinkwasserversorgung (IKT) bezeichnete er einmal als "Kind der AGH". Die Wasserwirtschaft in Bayern habe sich seit jener Zeit um 180 Grad gedreht. Schutz und Sanierung statt Fernwasser.

Sogar Joschka Fischer joggte als Wahlkämpfer durchs Tal

Gegen die Stausee-Pläne wurde protestiert, gebetet, gesungen, gewandert, ja sogar angerannt. Der Grünen-Politiker Joschka Fischer, der wenig später Außenminister werden sollte, joggte hier im Juli 1998 im Bundestagswahlkampf durchs Tal. Gerhard Polt, die Wellküren und die Biermösl Blos'n traten wie viele andere unter dem Motto "Mit Musik und Kabarett gegen den Stausee" an. Bei 15 ökumenischen Wallfahrten wurde gebetet und gesungen. Am Bildstock, der 1994 im Herzen des Tales errichtet wurde, fanden viele Bitt- und Dankgottesdienste statt. Alle Jahre, von 1978 bis 2008, wurden beim Hafenlohrtalfest der Kampfgeist und die Schönheit von Flora und Fauna beschworen. 

Joschka Fischer joggte im Juli 1998 durch das Hafenlohrtal und war bald darauf Außenminister.
Foto: Tilmann Toepfer | Joschka Fischer joggte im Juli 1998 durch das Hafenlohrtal und war bald darauf Außenminister.

Wie schützenswert das Tal ist, zeigt sich Wanderern und Radlern auf den ersten Blick. Es ist aber auch wissenschaftlich erwiesen. Beim GEO-Tag der Artenvielfalt im Jahr 2006 wurden die vorkommenden Tier- und Pflanzenarten gezählt: Es waren 1753. Als großen Erfolg wertet Schönauer, dass zur Offenhaltung der Landschaft die Pflege mit Maschinen weitgehend durch eine natürliche Beweidung ersetzt wurde. Schafe, Ziegen, Wasserbüffel helfen da mit. Und sogar im feuchten Kernbereich des Schutzgebietes wurde ein Weideprojekt mit Steinschafen und Pfauenziegen gestartet.

Endgültig Schluss mit den Plänen zu einem Hafenlohrtalspeicher war erst im Mai 2022. Der Regionale Planungsverband Würzburg hat einstimmig entschieden, die geplante Trinkwassertalsperre im Spessart als Ziel aus dem Regionalplan zu streichen. Die Trinkwasserversorgung könne auch ohne den Speicher sichergestellt werden, hieß es. 

Dieser Beschluss war keine Überraschung, denn Abstand von dem Hafenlohrtalspeicher wurde schon lange genommen. Zum einen hatte die Politik nach zahlreichen Protesten die Bestrebungen aufgegeben, einen Stausee im Spessart zu bauen. Die Bayerische Staatsregierung hatte sich bereits im Jahr 2008 von dem Projekt verabschiedet und erklärt, dass sie nicht mehr an einem Speicher zur Sicherung der Trinkwasserversorgung festhält.

Das Naturschutzgebiet Hafenlohrtal lässt sich gut auf dem von der AGH angelegten 'Bohlenweg' erkunden.
Foto: Wolfgang Dehm | Das Naturschutzgebiet Hafenlohrtal lässt sich gut auf dem von der AGH angelegten "Bohlenweg" erkunden.

Was wird nun aus der Aktionsgemeinschaft Hafenlohrtalspeicher? Hat diese ihren Dienst getan und kann aufgelöst werden? Nein, sagt Schönauer, es gebe immer noch genügend zu tun. Zum einen kümmert sich der Verein um die Instandhaltung des von der AGH 2006 erstmals erbauten Bohlenstegs. Dieser verbindet oberhalb bei Lichtenau die beiden Wanderwege links und rechts des Hafenlohr-Bachs.

In der Hauptversammlung im Februar dieses Jahres wurde die Sanierung der vorderen Hafenlohrtalbrücke am Bohlensteg, der ein Wanderhighlight im Hafenlohrtal ist, beschlossen. Das bedeutet für die AGH als Träger der Maßnahme neben den technischen Vorbereitungen vor allem hohe finanzielle Belastungen und wird nur mit öffentlichen Zuschüssen und privaten Spenden zu schultern sein. Dankenswerter Weise haben bereits die Mitglieder des BUND Naturschutz in Rothenbuch ihre Hilfe zugesagt.

Zum anderen sieht sich die AGH immer noch als Wächter des Hafenlohrtals. Daher war der Protest groß, als 2018 erste Pläne bekannt wurden, das Hofgut Erlenfurt für 26,5 Millionen zu einem forstwirtschaftlichen Tagungszentrum ("Eichenzentrum") mit Ausstellungsräumen und Übernachtungsplätzen auszubauen. Das ist "eine Schnapsidee, die nicht in dieses idyllische Tal passt", meint nicht nur Schönauer.

Unter dem Motto "Das Hafenlohrtal darf kein Rummelplatz werden" formierte sich der Widerstand. Mit einer Petition an den Landtag und 6000 Unterschriften protestierte die Aktionsgemeinschaft gemeinsam mit den "Freunden des Spessarts" gegen dieses Riesenprojekt und befürchtet, "dass mit einem solchen Projekt Scharen von Tagestouristen in das Naturschutzidyll gelockt werden".

Ob im Hofgut Erlenfurt eine Akademie für Wald und Gesellschaft entsteht, steht noch in den Sternen. Die AGH und die 'Freunde des Spessarts' wollen dieses Vorhaben verhindern. 
Foto: Wolfgang Dehm | Ob im Hofgut Erlenfurt eine Akademie für Wald und Gesellschaft entsteht, steht noch in den Sternen. Die AGH und die "Freunde des Spessarts" wollen dieses Vorhaben verhindern. 

Mittlerweile scheint es so, als ob auch diese Pläne vom Tisch sind. Es ist ruhig geworden um das "Eichenzentrum". Aber Schönauer rät zur Wachsamkeit. "Das Vorhaben ist in einer Schublade verschwunden, da kann es wieder herausgeholt werden", sagt er. Nichts einzuwenden hätte er gegen ein mit den Plänen für ein Eichenzentrum einhergegangenes Naturerlebniszentrum am Bischborner Hof. Denn nur was man kenne, sei man auch bereit zu schützen, so Schönauer.

Mit der Bundesstraße sei am Bischborner Hof die nötige Erschließung vorhanden. Und in Lichtenau bietet seit über 100 Jahren das "Gasthaus im Hochspessart", in das schon Kurt Tucholsky 1927 auf seiner Wanderung durch das Frankenland einkehrte, weiterhin für seine Gäste aus nah und fern gutes Essen und ruhige Unterkunft.

Es war immer die Überzeugung des Vereins, die Schönheit der Natur den Menschen erlebbar zu machen. Oder wie es Joachim Eich, der stellvertretende Vorsitzende der AGH sagt: "Das Tal ist eine beeindruckende Komposition von erhaltener Kultur- und einzigartiger Naturlandschaft und ist ein Rückzugsort, wo man intakte Natur mit allen Sinnen genießen kann."

Aus Sicht der AGH hat die Diskussion und der Widerstand gegen das Eichenzentrum auch etwas Gutes gehabt. Es hat dem Verein wieder neue Mitglieder beschert, die aus Protest der AGH beigetreten sind. 1500 Wanderbüchlein vom "idyllischen Hafenlohrtal" haben reißenden Absatz gefunden. Immerhin zählt der Verein noch zirka 360 Mitglieder, in der Hochzeit des Widerstands gegen den Hafenlohrtalspeicher sind es über 700 gewesen. Aber wie das so ist, manche sind gestorben, einige auch weggezogen, erklärt der AGH-Vorsitzende.

Der bald 80-jährige Sebastian Schönauer will noch Vorsitzenderder Aktionsgemeinschaft bleiben, solange er sich fit fühlt.
Foto: Joachim Eich | Der bald 80-jährige Sebastian Schönauer will noch Vorsitzenderder Aktionsgemeinschaft bleiben, solange er sich fit fühlt.

Schönauer ist seit nun exakt 45 Jahren Vorsitzender und will es noch bleiben. "Solange ich mich noch fit fühle, mache ich das", sagt der bald 80-Jährige. "Oft hat es ja auch Spaß gemacht." Aber er schließt nicht aus, dass die AGH irgendwann aufgelöst wird. Sinn würde es aus seiner Sicht machen, die Aktionsgemeinschaft in einen größeren Verband aufgehen zu lassen, der sich um das noch einzurichtende Biosphärenreservat Spessart kümmert. Schließlich wäre das Hafenlohrtal ein zentraler Teil dieses Reservats. Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg.

Lesetipp: Den Einstieg in die Serie verpasst? Die bisher erschienenen Serienteile finden Sie unter www.mainpost.de/geschichte_msp

 
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