
Sie waren am Anfang ausgegrenzt und wurden angefeindet, heute schätzt man ihren Rat: Anlässlich ihres 30-jährigen Bestehens trafen sich die Mitglieder der Interessengemeinschaft kommunale Trinkwasserversorgung in Bayern (IKT) zu einem Symposium in Würzburg. Seit ihrer Gründung setzt sich die Initiative für die Erhaltung der dezentralen und kommunalen Trinkwasserversorgungen, den Aufbau einer dezentralen Abwasserentsorgung und den flächendeckenden Schutz des Grundwassers ein.
Soziale Ungerechtigkeit wächst
Kurz vor Ende der Jubiläumsveranstaltung betrat die kanadische Aktivistin Maude Barlow die Bühne im WVV-Casino. Freudestrahlend gab die alternative Nobelpreisträgerin das vorläufige Scheitern des Freihandelsabkommens CETA bekannt. Zwei Stunden zuvor hatte Barlow mit dem geplanten Abkommen zwischen der EU und Kanada hart abgerechnet.
Ihrer Meinung nach wächst die soziale Ungleichheit nicht nur zwischen den Staaten, sondern auch innerhalb der Länder auf beiden Seiten des Atlantiks. Die Handelsabkommen TTIP und CETA würden diese Kluft manifestieren, ist sich Barlow sicher. Zugleich schränkten die Freihandelsabkommen den politischen Handlungsspielraum von Regierungen stark ein. Die darin beschlossenen Verträge würden auch regionale und lokale Belange betreffen.
Damit werde den lokalen Verwaltungen die Möglichkeit genommen, etwa ihre Landwirtschaft oder andere Wirtschaftszweige zu unterstützen. Denn neue Gesetze im Arbeits- und Steuerrecht oder im Gesundheits-, Umwelt- und Verbraucherbereich könnten als investitionsschädigend beklagt werden, warnte Barlow. Ein weiteres Problem seien die Investitionsschutzabkommen. Nordamerikanische Firmen würden so in die Lage versetzt, über Gesetze in Europa zu bestimmen und umgekehrt.
Zugang zu Wasser wird erschwert
Noch mehr Sorge bereitet ihr aber die zunehmende Privatisierung von Wasser. Die Kommerzialisierung erschwere den Zugang zu Wasser vor allem für jene, die kein Geld haben. Viele arme Länder seien von der Weltbank gedrängt worden, die Wasserversorgung vertraglich privaten, gewinnorientierten Unternehmen zu überlassen. Das sei eine gefährliche Entwicklung. Nach Barlows Darstellung kaufen Staaten und Investmentfonds Land, um sich Wasser und landwirtschaftliche Nutzflächen zu sichern.
Mittlerweile geht man davon aus, dass durch den Anstieg der Weltbevölkerung und den verstärkten Konsum in praktisch allen Ländern der Erde die weltweite Nachfrage nach Wasser das Angebot schon im Jahr 2030 um 40 Prozent übersteigen wird. Dann werde mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung in Gebieten leben, in denen weniger als die Hälfte des eigentlich benötigten Wassers zur Verfügung stehe, so Barlow, die als UN-Chefberaterin für Wasserfragen tätig war. Wasser sei ein zutiefst politisches Thema. Dabei verwies sie darauf, dass Trinkwasser im CETA-Abkommen nicht geschützt sei.
„Die Herausforderungen sind größer denn je“, sagte Prof. Hubert Weiger in seinem Festvortrag. „Wir haben Probleme mit Grundwasser, die wir vor Jahrzehnten nicht hatten“, so der Vorsitzende von BUND und Bund Naturschutz. Man müsse sich mit der Nutzung der Landwirtschaft auseinandersetzen, wenn man die Trinkwasserversorgung eigenständig in kommunaler Verantwortung erhalten wolle. Scharf kritisierte er das breit verwendete Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat. 40 Prozent der Ackerflächen in Deutschland würden damit behandelt -- überwiegend in der Landwirtschaft, aber auch in privaten Vorgärten und auf städtischen Grünflächen.
Es gebe Alternativen zu Glyphosat, auch wenn die Befürworter das Gegenteil behaupteten. „Mit den Alternativen verdient man weniger und kann kein riesiges Verbundsystem schaffen.“ Daher bestehe wenig Interesse daran. Man müsse aber Alternativen aufzeigen und sie durchsetzen. Den Zusammenschluss der Konzerne Bayer und Monsanto sieht Weiger als ein sehr großes Problem. „Der größte Standort der Erde in Sachen Gentechnik liegt im Herzen Deutschlands.
“ Er sieht darin „Erpressungspotential“ durch die Industrie. Vor diesem Hintergrund sei der Einsatz für Wasser vor Ort nach wie vor wichtig. Man brauche neue Allianzen, denn bewirken könne man nur etwas direkt vor Ort. In diesem Zusammenhang plädierte er für eine direkte Bürgerdemokratie auf Bundes- und europäischer Ebene.
Abhängig von Förderungen
In seiner Rede kritisierte Weiger auch die Ausrichtung der Forschungen an den deutschen Hochschulen. Man werde von den vorhandenen Förderungen abhängig gemacht. Wenn man aber eine nachhaltige Wissenschaft in Deutschland wolle, dann müsse man nicht nur in die Naturwissenschaften, sondern ebenso in Sozial- und Kulturwissenschaften investieren, sagte er.
Christa Hecht, Geschäftsführerin von der Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft in Berlin, attestierte den IKT-Mitgliedern, die Ersten gewesen zu sein, die sich gegen die aufkommende neoliberale Politik und Privatisierung im Wasserbereich gewehrt hätten. Noch sei der Kampf jedoch nicht gewonnen. Denn die Verhandlungen der EU über die Freihandelsabkommen TTIP, CETA und TISA drohten die Erfolge wieder zunichte zu machen.
Auch in Zukunft werde die IKT in erster Linie die Gemeinden und Wasserversorger beraten, wie sie ihre Trinkwasserqualität weiter verbessern können, betonte Landesvorsitzender Sebastian Schönauer. Er begrüßt, dass die Bundesregierung nun die Düngeverordnung beschließe – mit Regulierungen wie Hoftorbilanz zur Verringerung der Stickstoffbelastung. „Auf europäischer Ebene wollen wir erreichen, dass die Umsetzung der gemeinsamen Agrarpolitik das Greening verbessert.“