Mario Paul, Bürgermeister von Lohr, sitzt an dem kleinen runden Besprechungstisch in seinem Büro. Wir fragen ihn, wie er die Angebote in der Stadt aus der Sicht eines 15-Jährigen beurteilen würde. "Ich habe selbst einen Sohn, er ist 17. An seiner Stelle hätte ich wenig Möglichkeiten", gesteht er und ergänzt: "Es gibt in Lohr Angebotslücken im Bereich der 12- bis 18-Jährigen, so ehrlich muss man sein".
Paul benennt dabei vor allem fehlende "gastronomische Freizeiteinrichtungen, die eher jugendorientiert sind". Eine Bowlingbahn, ein richtiges Kino oder eine Disco sucht man in Lohr vergeblich. Dem Bürgermeister ist aber eine realistische Einordnung der Gegebenheiten wichtig. Derartige Einrichtungen zu betreiben, sieht er nicht unbedingt als Aufgabe der öffentlichen Hand. "Die Defizite an Angeboten sind teilweise marktbegründet und angesichts der demographischen Entwicklung nicht einfach zu beheben", merkt er an.
Jugendzentrum wird gut genutzt
Möglichkeiten für junge Menschen, sich zu engagieren, sieht Paul aber trotzdem. Lohr habe – mal abgesehen von den angesprochenen Defiziten – "ein unglaublich vielfältiges Angebot", meint er. "Wir haben ein gut genutztes Jugendzentrum, Hilfsorganisationen, Kircheninitiativen, Ferienprogramme und mehr", sagt er. Auch die jährlich bezuschusste, offene Jugendarbeit spricht er an. Die Angebote seien da, es sei aber schwer, Einzelbedarfslösungen anzubieten.
Paul ist bewusst, dass einige durch die vorhandenen Angebote nicht angesprochen werden können und in gewisser Weise durchs Raster fallen. Diese Problematik wurde in Lohr spätestens nach der Tötung eines 14-jährigen Schülers im September 2023 groß thematisiert. Einen Nerv der Jugendlichen zu benennen, findet Paul aber schwierig. "Gibt es den einen Nerv denn überhaupt? Viele betätigen sich engagiert in verschiedenen Bereichen, andere hingegen finden überhaupt keine Verankerung", beschreibt er seine gemischten Eindrücke.
Noch keine Bewerbungen auf Streetworker-Stelle
Um diejenigen, die durch bestehende Angebote nicht angesprochen werden, soll sich künftig ein Streetworker kümmern. Der soll die jungen Leute dort abholen, wo sie sich aufhalten – also draußen, erklärt Paul. Das Problem: Im ersten Anlauf hat sich niemand auf die für zwei Jahre befristete Teilzeitstelle beworben. In der nächsten Ausschreibungsrunde hofft die Verwaltung auf Resonanz und schließt auch eine Kooperation mit anderen Städten der Region nicht aus, sobald sich jemand finden sollte.
Weniger auf der Straße, aber umso stärker für die Belange der Jugendlichen sollte sich der Jugendbeirat in Lohr einsetzen. Das zwölfköpfige Gremium wurde in seiner jüngsten Form im Oktober 2021 erstmals gewählt und war ausschließlich mit 14- bis 23-Jährigen besetzt. Die Betonung liegt auf "war". Wie Mario Paul zu seinem Bedauern erzählt, ist das Engagement der Jugendlichen im Rahmen des Jugendbeirats inzwischen "zum Erliegen gekommen".
Jugendbeirat in Lohr nicht länger aktiv
"Die Wahlperiode ist zu Ende gegangen und wir planen bis auf Weiteres keine Neuwahlen, weil wir derzeit leider kein nachhaltiges Engagement der Jugendlichen erkennen", sagt Paul. Schon bei der Gründung des Jugendbeirats wurden fast 1600 Einladungen an junge Menschen in Lohr verschickt, von denen letztlich nur 30 zur Wahlversammlung erschienen. Paul: "Junge Menschen wollen sich oft nicht für längere Zeit auf ein Amt festlegen. Sollte sich aber wieder der Hauch einer Initiative zeigen, wären wir sofort bereit, so etwas wieder ins Leben zu rufen".
Gründe für Initiativen gäbe es aus Sicht der Jugendlichen derzeit genug - auch bedingt durch zahlreiche Rückschläge. Paul hätte sich beispielsweise gerne für einen Jugendraum im Fischerhaus am Kirchplatz starkgemacht. Die Idee wurde schnell verworfen, da es haftungsrechtlich schwierig ist, dort Minderjährige ohne Aufsicht zu lassen. Auch die Hoffnung auf eine Rückkehr des Stadtstrands in 2024 wurde den jungen Menschen kürzlich wieder genommen. Der neue Pächter ist für den kommenden Sommer abgesprungen.
Stadtratsklausur richtungsweisend für Skaterplatz
Das größte Problemkind aus Sicht der jungen Menschen bleibt in Lohr aber der Skaterplatz. Dessen Sanierung sollte ursprünglich schon vor Jahren angegangen werden, doch die Haushaltsmittel waren damals nicht vorhanden. "Inzwischen haben wir uns finanziell freigeschwommen und die nötigen Haushaltsmittel eingestellt. Wir sind handlungsfähig", betont Paul.
In trockenen Tüchern ist die Sache aber noch nicht. Erst müsse in der Stadtratsklausur Ende April noch geklärt werden, inwiefern der Skaterpark mit anderen dringenden Investitionen wie dem Kindergarten, Schulen oder der Feuerwehr zusammenpasst. Dementsprechend werde entschieden, wie hoch der ersehnte Jugendtreffpunkt priorisiert werden kann.
Paul selbst werde sich für einen zeitnahen Start des Bauprojekts einsetzen. "Ich glaube, dass sich der Stadtrat am Ende dazu durchringen wird, das Projekt zu priorisieren. Das heißt aber nicht, dass wir 2025 einen fertig sanierten Skaterplatz haben werden", sagt er. Vorher müsse alles seinen gewohnten Gang gehen, inklusive einer öffentlichen Ausschreibung und Förderbescheiden.