
Nach der Tötung eines 14-jährigen Schülers in Lohr (Lkr. Main-Spessart) muss sich ein gleichaltriger Mitschüler bald in Würzburg vor Gericht verantworten. Nach Informationen dieser Redaktion liegt jetzt die Anklage des Würzburger Oberstaatsanwalts Thorsten Seebach vor. Ihr zufolge hat der Beschuldigte dem 14-Jährigen am 8. September 2023 auf dem Gelände neben ihrer Schule in Lohr von hinten in den Kopf geschossen.
Dem Landgericht Würzburg steht eine heikle Aufgabe bevor. Denn das Motiv, das die Ermittler dem Jugendlichen in der Anklage unterstellen, ist brisant. Es soll nicht um Drogengeschäfte oder Schulden gegangen sein, wie in Lohr kolportiert worden war. Der Staatsanwalt wirft dem 14-Jährigen "Mordlust" vor, wie Pressesprecher Tobias Kostuch auf Anfrage am Dienstag bestätigte.
Das mutmaßliche Motiv: Ein US-Serienmörder als Vorbild
In der Anklage heißt es den Informationen der Redaktion zufolge, dass der Jugendliche von der Netflix-Serie über den US-Serienmörder Jeffrey Dahmer fasziniert gewesen sein soll. Dahmer hatte zwischen 1978 und 1991 insgesamt 17 junge Männer getötet, darunter einen 14-Jährigen.
Der Lohrer Schüler soll nach Informationen dieser Redaktion zuletzt dem Protagonisten der Netflix-Serie frappierend ähnlich gesehen und sein Opfer - wie Dahmer - zu sich gelockt haben.
Die Serie ist erst ab 18 Jahren freigegeben: Darin geht es in Details unter anderem um Leichenschändung und Kannibalismus. Ein psychiatrischer Gutachter wird wohl im Auftrag des Gerichts ergründen, was dies mit dem Heranwachsenden gemacht hat und welchen Einfluss dies auf die Tat gehabt haben könnte.
Tötung mit großkalibriger Pistole
Dazu kommt: Wer mit einer großkalibrigen 9-Millimeter Czeska hantiert, muss damit vertraut sein. Wer die schwere Pistole in der Hand hält, drückt nicht einfach versehentlich ab. Das Magazin mit Munition zu laden, eine Patrone in den Lauf zu legen, den Sicherungshebel umzulegen, dann abzudrücken - ein Schütze muss sich damit auskennen, sagen die Ermittler.
Die beiden Verteidigerinnen des Schülers, Vanessa Gerber und Melanie Raacke, schweigen bisher im Interesse ihres Mandanten. Auch Norman Jacob, Anwalt der Familie des Opfers, äußerte sich auf Anfrage nicht zu der Anklage.
Der 14-Jährige soll gewusst haben, wo der zunächst schwer kranke und dann verstorbene Besitzer der Tatwaffe - der frühere Freund seiner Oma - den Schlüssel zu seinem Waffen- und Munitionsschrank hatte. Der Polizei zeigte der 14-Jährige nach der Tat, wo er in seiner Wohnung die Waffe versteckt hatte. Fanden die Ermittler Schmauchspuren an seinen Händen? Sie würden belegen, dass er geschossen hat.
Was beweisen die Handys des Angeklagten und des Opfers?
Offenbar war er mit dem Opfer an dem Nachmittag allein, als der Schuss fiel. Deshalb weiß nur der Beschuldigte, was tatsächlich passiert ist. Ein Mitschüler hatte die Polizei alarmiert, nachdem ihn der mutmaßliche Schütze angerufen hatte. Am Telefon soll er erzählt haben, dass der 14-Jährige schwer verletzt am Boden in der Grünanlage neben der Schule liege und sich nicht mehr rühre.
An den Zeugen und andere soll der Verdächtige per Handy auch eine Nachricht verschickt haben: Er habe es "endlich" geschafft, den 14-Jährigen zu erschießen.

Für die Aufklärung des Falles spielen die Handys des Angeklagten und des Opfers eine zentrale Rolle. Was das Handy des Tatverdächtigen über die Verabredung neben der Schule und den Grund dafür verrät, soll vor Gericht die Beweisaufnahme ergeben. Nach dem Handy des Opfers hatte die Polizei in Lohr tagelang gesucht. Es wurde schließlich in einem Zustand gefunden, die jede Auswertung schwer machte, sagen Ermittler.
Aggressive Stimmung gegen Angehörige in Lohr
Der Tod des Schülers erschütterte die Stadt. Der Familie des Tatverdächtigen schlug massive Feindlichkeit entgegen. Die Polizei musste zu ihrer Sicherheit Schutzmaßnahmen ergreifen.
Weil der mutmaßliche Täter erst 14 Jahre alt ist, wird mit dem Verfahren die Jugendkammer des Landgerichts Würzburg beauftragt. Das Verfahren wird wohl aufgrund des jugendlichen Alters des Angeklagten weitgehend hinter verschlossenen Türen stattfinden. Das Gericht hat aber bereits erkennen lassen, dass - wie in ähnlichen Verfahren - die Urteilsverkündung öffentlich sein wird.