Schon von Weitem erspäht man das Zeltdach der Festspiele auf dem Burginnenhof. "Für viele ist das Zelt das Symbol der Scherenburgfestspiele, denn wenn das Zelt steht, dann sind die Festspiele nicht weit entfernt", erklärt Christoph Michl, einer von zwei Geschäftsführern der Scherenburgfestspiele. In diesem Jahr werden die Theaterstücke jedoch zum ersten Mal nicht im Burginnenhof aufgeführt. Seit zwei Jahren sind die Verantwortlichen mit dem Bau der neuen Spielstätte im hinteren Bereich der Scherenburg beschäftigt.
Christoph Michl erscheint an diesem Vormittag pünktlich am Treffpunkt. Die rechte Hand in der Hosentasche, in der linken Hand sein Handy. Zum fünften Mal habe er heute den Weg zur Burgruine auf sich genommen, antwortet er lachend einem Bauarbeiter auf dessen Frage. Ob noch ein paar Minuten Zeit wären, fragt er nach einer kurzen Begrüßung. Dann ist er auch schon wieder verschwunden.
Er musste sich noch schnell um ein paar tagesaktuelle Themen kümmern, erklärt Michl anschließend. Ein Blick auf die Baustelle verrät, warum der Geschäftsführer alle Hände voll zu tun hat.
Das Gelände sieht noch nicht danach aus, als könnte in der darauffolgenden Woche das erste Theaterstück aufgeführt werden. Die Bauarbeiten sind noch in vollem Gang. Probende Schauspielerinnen und Schauspielern sucht man vergeblich, stattdessen wuseln eine Handvoll Bauarbeiter auf dem neu angelegten Gelände herum. Und statt der zu erwartenden Theatergeräusche sind an diesem Vormittag nur Akkuschrauber-, Hammer- und Bohrmaschinengeräusche zu vernehmen. Das hat unterschiedliche Gründe, verrät Christoph Michl: Zum einen proben die Schauspielerinnen und Schauspieler auf dem Burginnenhof. Und zum anderen laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren, um die Eröffnung am Wochenende möglich zu machen.
Die Begeisterung für die Festspiele kann man Christoph Michl zu jedem Zeitpunkt des Gesprächs anmerken. Allerdings war der Weg zur Eröffnung kein leichter, erklärt er: "Wir haben in schwierigen Zeiten mit dem Bau begonnen." Deshalb habe man sich damals auf zwei geteilte Baumaßnahmen geeinigt. Der erste Teil, die neue Tribüne und angrenzende Bühne, steht bereits und wurde am Sonntag eröffnet. Der zweite Teil umfasst ein Nebengebäude mit Sanitäranlagen, Büro, Requisitenlager und Kassenhaus. Mit diesem Bauabschnitt soll als Nächstes begonnen werden. Für die kommende Spielzeit müsse man sich aber zunächst mit einem Container-Provisorium begnügen.
Alte Spielstätte hat sich finanziell nicht mehr gelohnt
Im Vorfeld habe es viele Diskussionen um die neue Tribüne gegeben. Doch nun berichten ihm immer mehr Menschen, dass sie von der neuen Spielstätte positiv überrascht seien, erzählt der Geschäftsführer. Die Bauarbeiten seien wichtig gewesen, denn die alte Spielstätte habe sich finanziell nicht mehr rentiert. Zudem sei der Burghof über die gesamte Spielzeit belegt gewesen und habe keinen Platz für sonstige Besuche zugelassen. Das ändert sich nun, denn für eine Fördersumme von 1,6 Millionen Euro entstand die neue Spielstätte im hinteren Teil der Burg. Das mit der Förderung sei auch "so eine Sache" gewesen, berichtet Michl lachend: "Die letzten Fördermittel haben wir damals im Lockdown klar gemacht."
Für unser Gespräch haben wir auf den obersten Rängen der Freilichttribüne Platz genommen. Stolz zeigt Christoph Michl mit einer ausschweifenden Handbewegung über das zugrunde liegende Gelände: "Die Tribüne ist etwas steiler und höher als die andere". Nun hätten 650 Menschen Platz, 70 mehr als in den vergangenen Jahren. Welcher Sitzplatz der beste sei, kann Michl allerdings nicht beantworten. Er und sein Team wollen in den nächsten Wochen verschiedene Plätze testen und sich selbst ein Bild machen. "Wir müssen erst einmal testen, welche Plätze die besten sind. Es kann ja von allen Seiten reinregnen", so Michl. Deshalb gebe es zurzeit auch noch keine Kategorien und einen einheitlichen Preis für alle Sitzplätze.
Die Sitze sind grün und ergonomisch geformt. Das sei so gewollt, denn die grüne Farbe würde sich später gut in die umliegende Natur fügen, erklärt der Geschäftsführer. Für 250 Euro kann jeder eine Platzpatenschaft übernehmen. Bis jetzt konnten sich bereits 150 Patinnen und Paten über ihre Namen auf den Sitzen freuen, so Michl. Im Burginnenhof wurde auch in diesem Jahr das Zeltdach aufgebaut. Allerdings entsteht hier ein neuer Biergarten. Auch hier wolle man sich "rantasten", erklärt Michl. Der Biergarten wird zunächst Getränke und Brotzeiten anbieten. "Wir warten ab und schauen, wie der Biergarten mit dem schönsten Ambiente im Main-Spessart ankommt."
Der Komfort habe sich allerdings nicht nur für die Zuschauerinnen und Zuschauer verbessert. Mit dem geplanten Nebengebäude würden auch die Schauspielerinnen und Schauspieler von Duschen und Umkleiden profitieren. An der Authentizität des Freilufttheaters habe sich jedoch nichts verändert, denn bei Regen würden die Schauspielenden trotzdem noch nass, scherzt Michl.
Die Spielzeit soll eine kleine Realitätsflucht bieten
Trotz all der Vorbereitungen wirkt Christoph Michl an diesem Vormittag keineswegs angespannt. Den Stress der vergangenen Monate und Wochen lässt er sich zumindest äußerlich nicht anmerken. Von der diesjährigen Spielzeit erhoffe er sich eine "kleine Realitätsflucht". "Zum einen soll sich jeder ein Bild von der neuen Spielstätte machen können und zum anderen wollen wir vor allem unter den derzeitigen Gegebenheiten den Zuschauerinnen und Zuschauern die Möglichkeit geben, dem Alltag zu entfliehen. Kultur wird gebraucht!", erklärt Michl.
An diesem Freitag, 8. Juli, ist es dann so weit: Die Scherenburgfestspiele starten in eine weitere Spielzeit. In diesem Jahr wird es drei Eigenproduktionen und mehrere musikalische Gastauftritte geben. Den Auftakt macht eine moderne Märchenversion der Gebrüder Grimm: "Schneewittchen und die sieben Zwerge". Weitere Theateraufführungen sind das etwas anspruchsvollere Stück "Wie im Himmel" und die Komödie "Cash – Und ewig rauschen die Gelder".