
Bis zu 100 geflüchtete Menschen sollen ab Mitte 2025 in Himmelstadt untergebracht werden. Zwei private Investoren aus Karlburg und Veitshöchheim wollen gemeinsam mit der Regierung von Unterfranken im Gewerbegebiet auf einem Grundstück direkt an der Bundesstraße eine sogenannte Teil-Gemeinschaftsunterkunft errichten. Die Laufzeit beträgt zunächst sieben Jahre, eine Verlängerung ist möglich. Das Mitspracherecht der Gemeinde ist begrenzt. Ausschlaggebend für die Wahl war die gute Verkehrsanbindung mit Bahnhof und B27.
Lothar Menzel, bei der Regierung für die Verwaltung der Geflüchtetenunterkünfte zuständig, informierte den Gemeinderat am Donnerstag über die genauen Pläne. Diese stießen auf heftige Kritik und Ablehnung.
Bürgermeister Hemmelmann: "Eine Vollbelegung kann Himmelstadt nicht stemmen"
"Ist es menschenwürdig, in einem Gewerbegebiet Menschen unterzubringen?", fragte Bürgermeister Herbert Hemmelmann (CSU). Außerdem sei die Belegung mit 100 Geflüchteten bei knapp 1600 Einwohnerinnen und Einwohnern nicht verhältnismäßig. "Eine Vollbelegung kann Himmelstadt nicht stemmen – weder in der Schule, noch im Kindergarten. Wir wissen nicht, was auf uns zukommt." Die Integration werde auf der Strecke bleiben. Der Rathauschef äußerte zudem die Sorge, dass die Unterkunft künftig noch erweitert werden könnte: "Auf dem Gelände ist noch genug Platz."
Die Regierung plane die Unterkunft in Himmelstadt und werde später der Betreiber sein. Für den Bau seien die Investoren zuständig, so Menzel. Sie haben das Grundstück gepachtet. In der Daimlerstraße 9 sollen sechs zweigeschossige Gebäude in Modulbauweise und ein Verwaltungsgebäude in gleicher Bauart entstehen. Menzel sprach von "Tiny Häusern". Zudem sind zwei Garagen, ein Müllplatz sowie Stellplätze geplant.
Den entsprechenden Bauantrag lehnte der Gemeinderat einstimmig ab: Das Gebäude widerspreche den Festsetzungen des Bebauungsplans zur baulichen Nutzung. Außerdem weist die Gemeinde auf Formfehler im Antrag hin. Zudem beschloss das Gremium die dritte Änderung des Bebauungsplans "Gewerbegebiet an der B27" und eine Veränderungssperre: Unter anderem die soziale und gesundheitliche Nutzung soll künftig nicht mehr möglich sein. Der begrenzte Platz soll für Gewerbe genutzt werden. Der Bauantrag ist davon aber nicht betroffen.
Himmelstadt wurde wegen verkehrsgünstiger Lage ausgewählt
Die Verteilung von Geflüchteten auf die Landkreise erfolge nach dem Königsteiner Schlüssel, sagte Menzel. Auch Main-Spessart habe eine Quote zu erfüllen, aktuell stehe der Landkreis an vorletzter Stelle in Unterfranken. Wie viele Menschen eine Kommune aufnehmen muss, werde nicht geregelt. "Allein in diesem Jahr sind rund 7000 Menschen neu nach Unterfranken gekommen." Hauptherkunftsländer seien Afghanistan, Syrien, Somalia, die Elfenbeinküste und Algerien.
"Wir sind auf der Suche nach neuen Gemeinschaftsunterkünften, um die vielen, teils ungeeigneten dezentralen Unterkünfte nach und nach zurück zu bauen." Himmelstadt eigne sich wegen seiner Verkehrsanbindung sowie den Einkaufsmöglichkeiten gut. Es gebe die Vorgabe, dass mindestens 75 Menschen in einer solchen Einrichtung leben sollen. Auch in Gewerbegebieten könnten Flüchtlingsunterkünfte errichtet werden, sagte Menzel. "Das ist für uns aktuell die beste Möglichkeit."
Ein Ansprechpartner der Regierung wird die ganze Woche vor Ort sein
Laut Innenministerium ist eine Unterkunft bei einer Belegung von 85 Prozent voll ausgelastet. In Himmelstadt werde also mit 85 Personen gerechnet. Darunter wohl ein Drittel Familien und zwei Drittel alleinreisende junge Männer. Und: Es sei nicht geplant, auf dem Grundstück weitere Gebäude zu bauen, um die Kapazität zu erhöhen, sicherte Menzel mit der Einschränkung zu, dass man nicht wisse, wie sich die Situation in Zukunft ändern wird. Sollten irgendwann keine Flüchtlinge mehr da sein, müsse die Unterkunft zurück gebaut werden.
Es handelt sich in Himmelstadt um eine Teil-Gemeinschaftsunterkunft, weil mehrere Unterkünfte organisatorisch von einem Team betreut werden. Hier vermutlich Retzbach, Gemünden und Arnstein sowie die geplante Unterkunft in Karlstadt mit 160 Plätzen. Es werde die ganze Woche eine Person, zuständig für die Verwaltung, als Ansprechpartner vor Ort sein.
Menzel: Geflüchtete halten sich wohl nicht viel in Himmelstadt auf
Einen Sicherheitsdienst werde es nicht geben. Das ist laut Menzel nicht nötig, das hätte die Erfahrung aus anderen Unterkünften wie etwa in der Zellerau in Würzburg gezeigt. "Wir sind aber in regelmäßigem Austausch mit der Polizei." Berufsschullehrer Marcus Hilpert (CSU) wollte das nicht recht glauben. Er mache an seiner Schule, gerade mit jungen geflüchteten Männern, andere Erfahrungen und sorge sich besonders um die Sicherheit junger Mädchen in Himmelstadt.
Für genaue Zahlen zu Vorfällen verwies Menzel an die Polizei. In der Unterkunft würden aber vor allem Familien und Einzelpersonen leben, die sich integrieren. Sollte trotzdem jemand auffällig werden, bleibe er oder sie nicht in Himmelstadt. Menzel geht zudem davon aus, dass sich die Asylbewerber nicht viel im Ort aufhalten werden, sondern die Bahn nutzen, um nach Würzburg oder Karlstadt zu kommen.
Bewohnerinnen und Bewohner sollen nach Anerkennung aus Unterkunft ausziehen
Die Geflüchteten kommen zunächst in der Ankereinrichtung in Geldersheim (Lkr. Schweinfurt) an. "Wenn die Bleibemöglichkeiten halbwegs gut sind, dann kommen die Menschen für erste Integrationsschritte in Anschlussunterkünfte", so Menzel. Eine solche soll in Himmelstadt entstehen. "Die Menschen versorgen sich dort selbst und bekommen Geldleistungen. Sie kochen selber, die Kinder sollen in den Kindergarten oder zur Schule gehen."
Die Erwachsenen nehmen an Integrationskursen teil und können nach drei Monaten arbeiten gehen. Wenn das Asylverfahren abgeschlossen ist, sollen sie aus der Unterkunft ausziehen. Menzel: "Sie werden aber nicht rausgeschmissen, sondern bleiben so lange dort wohnen, bis sie eine Wohnung gefunden haben." Das könne "in Einzelfällen" schon mal mehrere Monate dauern.
Gemeinderäte sorgen sich um Integrationsarbeit
"Asylrecht ist ein Grundpfeiler der Demokratie", sagte Wolfgang Kübert (parteilos). "Wenn man aber in einer Gemeinde mit 1500 Einwohnern 100 Flüchtlinge unterbringt, glaube ich nicht, dass man bei dieser Anzahl Integration betreiben kann." Die Menschen hätten viel erlebt, hier müsse viel Integrationsarbeit geleistet werden, etwa über eine Beschäftigung. "Man darf diese Leute nicht in einer Unterkunft abstellen und erwarten, dass so Integration funktioniert."
Für die Integration seien Caritas, Diakonie und Helferkreise zuständig, sagte Menzel. Nicht die Regierung von Unterfranken: "Wir führen das aus, was uns der Gesetzgeber vorgibt." In großen Städten gebe es Helferkreise, in Himmelstadt nicht, sagte Thomas Gerhard (parteilos). Er verstehe nicht, dass das nicht bei der Entscheidung für einen Standort berücksichtigt werde. Menzel bestätigte, dass es zu wenige Integrationsangebote gebe.
Wie geht es nun weiter? Als nächstes wird das Landratsamt Main-Spessart die abgelehnten Pläne überprüfen, dann werde gegebenenfalls nachgebessert. Danach geht der Antrag zurück an die Gemeinde. Ist baurechtlich nichts zu beanstanden, wird der Gemeinderat seine Zustimmung erteilen müssen. Oder das Landratsamt ersetzt das Einvernehmen und erteilt die Baugenehmigung. Die Behörde sah bei einer ersten Begutachtung keine Hinderungsgründe. "Es reicht nicht, wenn der Gemeinderat sagt: 'Wir wollen das nicht'", so Menzel.