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Karlstadt
Nutzung der Erwin-Ammann-Halle als Notunterkunft zu Ende: "Muss und wird eine Ausnahme bleiben"
Lange Zeit war die Halle für Schule und Vereine nicht nutzbar, Eltern sorgten sich wegen der direkten Nachbarschaft zur Schule. Der Tenor jetzt: Es war keine ideale Situation, hat aber funktioniert.
Vor elf Monaten wurde die Turnhalle zur Notunterkunft umfunktioniert, nun wurden die behelfsmäßigen 'Räume' aus Bauzäunen und Feldbetten wieder abgebaut. (Archivfoto).
Foto: Johannes Kiefer | Vor elf Monaten wurde die Turnhalle zur Notunterkunft umfunktioniert, nun wurden die behelfsmäßigen "Räume" aus Bauzäunen und Feldbetten wieder abgebaut. (Archivfoto).
Tabea Goppelt
 |  aktualisiert: 11.11.2024 02:33 Uhr

In der vorletzten Oktoberwoche zogen die letzten Geflüchteten aus der Notunterkunft in der Erwin-Ammann-Halle in Karlstadt aus. Knapp elf Monate lang lebten dort Geflüchtete, zwischenzeitlich waren mehr als 100 Personen untergebracht. Wie bewerten Verantwortlichte die Abläufe um die Nutzung der Halle als Notunterkunft? Welche Herausforderungen brachte das mit sich und welche Lösungen konnten gefunden werden? 

"Im Prinzip ist es so gelaufen, wie wir uns das vorgestellt haben", sagt Christoph Weißhaar, Vorsitzender des TSV Karlstadt. Das Training konnte mit Abstrichen aufrechterhalten werden, das sei aber auch mit Arbeit verbunden gewesen: Tischtennisplatten mussten etwa hin- und hertransportiert werden, die Basketballer organisierten ihre Heimspiele auswärts. "Das Landratsamt hat sich bemüht, uns zu unterstützen", sagt Weißhaar. Etwa seien Unterstellmöglichkeiten oder Umkleidekabinen außerhalb der Halle aufgestellt worden. "Wir sind trotzdem froh, dass wir nun wieder in die Halle können", sagt er.

Training konnte dank Ausweichmöglichkeiten weiter stattfinden

Alfred Maasz, Vorsitzender der Leichtathletikgemeinschaft (LG) Main-Spessart, will im kommenden Jahr die Bayerischen Staffelmeisterschaften am liebsten in Karlstadt stattfinden lassen. Dafür sind allerdings die Duschen und Umkleideräume aus der Erwin-Ammann-Halle nötig. Das Landratsamt hatte zuletzt mitgeteilt, dass deren Sanierung für Sommer 2025 geplant ist; vorerst bleiben einige Duschräume gesperrt. Als Ausweichmöglichkeit, wenn auch mit höherem logistischen Aufwand, zieht Maasz als Veranstaltungsort Marktheidenfeld in Betracht. Die Zeit der Halle als Notunterkunft sei "kein ganz großes Problem" für die LG gewesen, sagt Maasz. Das Training habe draußen oder in der Halle der Turngemeinde stattfinden können.

Die Turngemeinde stellte ihre Halle in der Nähe des Freibads nicht nur der LG, sondern auch den Schulen und dem TSV als Ausweichmöglichkeit zur Verfügung. Der Verein selbst musste dadurch keine Veranstaltungen absagen oder auf Training verzichten, erklärt Vorsitzender Horst Schneider. Durch die Mehrbelegung gab es aber eine andere Herausforderung: Es fiel mehr Arbeit in technischen Dingen und in der Reinigung an. Für letztere habe das Landratsamt dem Verein Personal zur Verfügung gestellt. Im Großen und Ganzen habe alles reibungslos funktioniert, sagt Schneider. Trotzdem findet er: "Es war für alle keine schöne Geschichte." Die Schulen hätten die Halle nicht nutzen können, die Geflüchteten waren aus seiner Sicht nicht adäquat untergebracht. Sinnvoll findet er, dass jetzt eine Unterkunft im Hirschfeld entsteht: "Die Lösung hätte man vorher schon gebraucht", sagt Schneider.

"Die Lösung hätte man vorher schon gebraucht."
Turngemeinde-Vorsitzender Horst Schneider über die zukünftige Unterkunft im Hirschfeld

In nächster Nachbarschaft zur Notunterkunft lag das Johann-Schöner-Gymnasium Karlstadt. Schulleiter Gerald Mackenrodt kann eine ganze Liste an Entwicklungen schildern, die die Nutzung der Turnhalle als Unterkunft nach sich zog. "Das Positive überwiegt", sagt er im Rückblick, bezeichnet die Situation aber auch als "enorme Herausforderung für eine Schule". Auf der Negativseite listet er den Zeitverlust im Sportunterricht durch die längeren Wege zu den Ausweichhallen oder etwa einen Vorfall mit betrunkenen Geflüchteten, die Dreck hinterlassen und Schülerinnen angesprochen hätten. Damals reagierte das Landratsamt sofort mit einer Verlegung betreffender Personen in andere Unterkünfte.

Positiv fand er die Kontaktaufnahme zwischen Schule und Geflüchteten und "ehrlich gemeinte Integrationsversuche", etwa ein Kunstprojekt oder Deutschunterricht in den Räumen des Gymnasiums. Unschön seien anonyme Mails gewesen, teilweise ins Bedrohliche gehend, die die Schule anfangs erreicht hatten. Das habe nachgelassen, als klar war, dass die Sorgen unbegründet waren, so Mackenrodt. "Da wird am Anfang auf die Angst der Eltern gesetzt. Wenn man merkt, dass man auf einsamen Posten steht, wird man ganz schnell still", sagt der Schulleiter.

Die Nutzung der Ammann-Halle als Notunterkunft war Ende des Jahres 2023 und auch rückblickend angesichts der hohen Anzahl von unterzubringenden Menschen und der nötigen Voraussetzungen an eine Unterkunft mangels geeigneter Alternativen notwendig, heißt es vonseiten des Landratsamts. In Abstimmung mit Schulen und Vereinen seien Lösungen für die damit einhergehenden Einschränkungen gefunden worden. Die Nutzung einer Schulturnhalle als Notunterkunft für Geflüchtete müsse und werde eine Ausnahme bleiben.

"Wir haben sehr intensiv daran gearbeitet, ausreichend Wohnraum zu akquirieren, sodass wir diese Notunterkunft nicht mehr benötigen", sagt Landrätin Sabine Sitter. Probleme wie Beschwerden über das Essen, Erfordernisse des Ramadans oder versehentliches Betreten des Schulgeländes konnten mit Informationen, Gesprächsangeboten und Anpassungen gelöst werden; zu sicherheitsrelevanten Vorkommnissen ist es nicht gekommen, teilt die Behörde mit.

Arbeit des Helferkreises geht nach der Notunterkunft weiter

Für die meisten Menschen, die zuletzt noch in der Halle waren, konnte das Landratsamt dezentrale Unterkünfte finden; lediglich fünf Personen kamen in die Notunterkunft Marktheidenfeld. Zurzeit wird die Halle wieder instand gesetzt. Unter dem provisorischen Boden, der zum Schutz des Hallenbodens verlegt worden war, kamen dabei Schädlinge zum Vorschein. Daher wird die Halle dem Schul- und Vereinssport voraussichtlich erst in einigen Wochen wieder zur Verfügung stehen.

"Ich finde es super, dass das so viele unterstützt haben."
Integrationsbeauftragte Sakine Azodanlou über Ehrenamtliche und Spenden

Die Stadt Karlstadt war zwar nicht direkt in den Betrieb der Notunterkunft involviert; der Geschäftsführende Beamte Uli Heck betont allerdings, dass die Vereine vorbildlich mitgearbeitet hätten. Eine tragende Rolle übernahm auch die Integrationsbeauftragte der Stadt Karlstadt, Sakine Azodanlou: Sie arbeitete eng mit dem Landratsamt zusammen und stellte den Helferkreis neu auf. "Ich finde es super, dass das so viele unterstützt haben", sagt sie über ihre Gruppe aus Ehrenamtlichen und die zahlreichen Spenden, die sie erreicht haben. Das Engagement des Helferkreises werde mit der Auflösung der Unterkunft nicht enden: "Wir werden auf jeden Fall weitermachen – wie, das wird sich dann zeigen", sagt sie mit Blick auf die gerade entstehende Gemeinschaftsunterkunft im Hirschfeld. Das internationale Café etwa werde es weiterhin geben.

Auch die in dezentralen Unterkünften untergebrachten Personen wenden sich mit verschiedenen Anliegen an die Integrationsbeauftragte und ihr Team – Dolmetscher für Arztbesuche, Hilfe beim Ausfüllen von Formularen oder eine erste Einrichtung für die Wohnungen sind oft nötig. Streng genommen ist Azodanlou für anerkannte Geflüchtete und Bürgerinnen und Bürger mit Migrationshintergrund zuständig, ein paar Projekte mussten durch die Arbeit mit den Geflüchteten aus der Notunterkunft zurückstecken. "Ich fand es trotzdem gut, dass Karlstadt das gemacht hat", sagt die Integrationsbeauftragte.

 
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Kommentare
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  • Erich Spiegel
    Mal abwarten. Könnte sein, dass die Unterkunft noch für Flüchtlinge aus der Ukraine gebraucht wird. Wenn Trump einen Deal mit Russland macht indem die Ost-Ukraine an Russland abgetreten wird werden sicher noch einige Millionen Flüchtlinge kommen, die keine Lust auf den Diktator Putin haben.
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  • Steffen Cyran
    Leider verstößt der Kommentar gegen die Kommentarregeln auf mainpost.de (Behauptung ohne Beleg). Wir haben den Kommentar deshalb gesperrt.
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  • Steffen Cyran
    Haben Sie mal einen Blick auf die Landkarten des Ukrainekriegs geworfen? Da werden Sie feststellen, daß nur ein recht kleiner Teil des Landes überhaupt betroffen ist. Alle Geflüchteten könnten locker im Westteil der riesigen Ukraine unterkommen und dort z.B. in der Rüstungsindustrie arbeiten oder sonst ihrem Heimatland einen Dienst erweisen.

    Beleg dafür : https://interaktiv.tagesspiegel.de/lab/wie-weit-sind-die-soldaten-aktuelle-karte-der-russischen-invasion-in-der-ukraine/
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  • Jochen Freihold
    Einem derart großen Freund und Förderer von Humanität wie Landrat Erwin Ammann würde eine solche Zwischennutzung für Geflüchtete gefallen haben!
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