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Karlstadt
Entlastung für pflegende Angehörige: Altersheim in Karlstadt startet Pilotprojekt zur Nachtpflege von Demenzerkrankten
In Karlstadt können ergänzend zur Tagespflege nun auch nachts Menschen mit Demenz zur Betreuung vorbeigebracht werden. Eine Alternative zur vollstationäre Pflege?
Das Karlstadter Pflegeheim hat ein neues Angebot für Menschen mit Demenz geschaffen.
Foto: Björn Kohlhepp (Archiv) | Das Karlstadter Pflegeheim hat ein neues Angebot für Menschen mit Demenz geschaffen.
Stefanie Koßner
 |  aktualisiert: 08.02.2024 11:50 Uhr

Eine kleine Auszeit für pflegende Angehörige, um Kraft zu schöpfen: Die will die Otto und Anna Herold-Altersheimstiftung in Karlstadt mit einem bayrischen Pilotprojekt ermöglichen, das es so in der Region noch nicht gibt. Wissenschaftlich begleitet von der Universität Bayreuth bietet das Pflegeheim jetzt einen eingestreuten Nachtpflegeplatz für Menschen mit Demenz an – analog zur Tagespflege. Im Karlstadter Altenheim leben derzeit 106 Menschen.

Ist das Konzept erfolgreich, könnte es zum Vorbild für andere Einrichtungen werden. Ein ähnliches Projekt ist kürzlich im Alten- und Pflegeheim in Bad Neustadt (Lkr. Rhön-Grabfeld) gestartet.

Warum braucht es einen Nachtpflegeplatz?

Viele Demenzerkrankte würden eine Hin- oder Weglauftendenz und zunehmend einen gestörten Tag-Nach-Rhythmus entwickeln, sagt Geschäftsführer Dieter Reichert. Deshalb seien diese Menschen oft nachts sehr aktiv. Hier soll die Nachtpflege ansetzen. Häufig würden Angehörige, die einen Platz für Vater oder Mutter suchen, berichten, dass sie überlastet seien, "weil sie nicht schlafen können", sagt Pflegedienstleiterin Gabriele Molnar. Denn der Angehörige sei zu später Stunde umtriebig und raube den Pflegenden die Nachtruhe.

"Wir nehmen bei der Nachfrage nach einem vollstationären Platz immer wieder wahr, dass der alte Mensch eigentlich noch gut zu Hause versorgt werden könnte, wenn die Nacht friedlich verlaufen würde", so Molnar. "Das war unser Impuls für das neue Angebot, das es so bisher in Bayern noch nicht gibt."

Wie läuft die Nachtpflege ab?

Pro Nacht kann in Karlstadt derzeit ein Demenzerkrankter oder eine Demenzerkrankte aufgenommen werden. Reichert: "Wir opfern hierfür einen vollstationären Platz, dahinter steckt keine ökonomische Überlegung." Die Heroldstiftung wolle damit ihr Angebot ausweiten. "Ich glaube, dass dieser Platz langfristig begehrt sein wird", meint Gabriele Molnar. Aktuell gebe es erst eine Interessierte, das Angebot müsse erst noch bekannt werden. 

Die Nachtpflege ist im beschützenden Wohnbereich, der gerontopsychiatrischen Station angesiedelt. Hier gebe es noch mehr Bewohnerinnen und Bewohner, die nachts umtriebig seien und entsprechend betreut werden, sagt Einrichtungsleiterin Elfriede Roth. 

Wer um 20 Uhr zur Nachtpflege kommt, für den wird ein Einzelzimmer reserviert. Wie die Zeit gestaltet wird, sollte individuell besprochen werden. Nach seiner Ankunft kann der Gast etwa noch Zeit mit anderen Bewohnerinnen und Bewohnern verbringen – oder gleich aufs Zimmer gehen. Nach dem Frühstück geht es dann wieder zurück zu den Angehörigen. Das Angebot kann maximal drei Nächte in Folge pro Woche und nach Absprache genutzt werden. 

Wie kam die Nachtpflege nach Karlstadt?

"Nachdem wir den Bedarf erkannt hatten, haben wir uns an den Alzheimerverein 'Halma' in Würzburg gewandt und im Größeren recherchiert: Ist unsere Wahrnehmung richtig?", so Molnar. Die Eindrücke hätten sich bestätigt.

Vor der Umsetzung galt es jedoch, die Rahmenbedingungen mit der Pflegekasse zu klären. "Wir hatten eigentlich schon vor einiger Zeit angefragt, dann kam aber Corona dazwischen", sagt Roth. Im vergangenen Jahr sei die Idee wieder aufgenommen und ein Konzept erstellt worden. 

Unterstützung kam von der oberfränkischen Bundestagsabgeordneten Emmi Zeulner (CSU), die die Einrichtung im September 2022 besucht hatte. "Dabei haben wir darüber gesprochen, wie schwer es ist, in der Pflege etwas Neues zu etablieren." Anschließend gab es ein Gespräch mit der Arbeitsgemeinschaft zur Förderung der Pflegeberufe (Arge) und dem Gesundheitsministerium in München. Die positive Rückmeldung sei dann "recht flott, innerhalb weniger Wochen" eingetroffen.

Warum wird das Projekt wissenschaftlich begleitet?

Der Kontakt zur Uni Bayreuth kam laut Reichert über das Ministerium zustande. Auch das von Karlstadt unabhängige Bad Neustädter Projekt wird von den Forschenden ein Jahr lang begleitet. "Wir haben allerdings verschiedene Konzepte der Nachtpflege, die die Wissenschaftler vergleichen wollen." In Karlstadt werden die Demenzerkrankten im beschützenden Bereich betreut, in der Rhön im offenen. 

Könnte die Nachtpflege eine Alternative für die vollstationäre Pflege werden?

Gabriele Molnar glaubt das nicht. "Einrichtungen wie die Heroldstiftung müssten sich dann komplett umstellen und viele Nachtpflegeplätze schaffen, um das abzufangen. Wenn, dann könnte dieses Konzept in einer Stadt funktionieren, nicht aber im ländlichen Bereich." Langfristig gebe es aber sowieso eine Veränderung von der vollstationären Pflege hin zur teilstationären. Elfriede Roth denkt allerdings, dass die Nachtpflege die vollstationäre Betreuung hinauszögern kann. 

Wie viel kostet das Angebot?

Die Kosten und die Höhe der Finanzierung richten sich nach dem Pflegegrad. Für die Nachtpflege besteht ein Versorgungsvertrag mit den Pflegekassen. Der Gast zahlt aber auf jeden Fall 27,60 Euro für Unterkunft, Verpflegung und Investitionskosten.

Interessierte können sich bei Einrichtungsleiterin Elfriede Roth (Telefon 09353/983 6010) oder Pflegedienstleiterin Gabriele Molnar (Telefon 09353/983 6020) melden. Weitere Informationen gibt es auf der Internetseite der Heroldstiftung unter www.heroldstiftung.de

 
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