Von wegen, die fränkischen Winzer können nur Weißwein. Zwar verbindet man mit Frankenwein in erster Linie fränkisch-trockene Weißweine - allen voran die Leitmarke Silvaner. Gleichzeitig jedoch wachsen in der Region Churfranken, in den Landkreisen Miltenberg und Aschaffenburg, die besten Rotweine Deutschlands. Zumindest hat im März dieses Jahres die englische Wirtschaftszeitung "Financial Times" einen fränkischen Rotwein - typisch britisch - zur "Kronjuwele des deutschen Weines" erklärt. Es ist ein Spätburgunder Grosses Gewächs vom Centgrafenberg aus dem Weingut Fürst in Bürgstadt.
Churfranken als "Speerspitze Bayerns"
Paul Fürst war es, der die rund hundert Winzer im Maintal zwischen Odenwald und Spessart immer wieder motivierte, sich einen eigenen Regionalnamen zu geben. An "Churfranken" hat er genau so seinen Anteil, wie am guten Rufe der dortigen Rotweine weit über Deutschland hinaus.
Doch der nordwestlichste Teil des Freistaates Bayern sieht sich bisweilen als Anhängsel vernachlässigt. Oft wird die Grenzregion zu Hessen und Baden-Württemberg gar nicht mehr als Bayern oder Franken wahrgenommen. Dabei sind wir "die Speerspitze Bayerns", sagt der Vorsitzende des Vereins Churfranken, Ralf Reichwein, selbstbewusst.
Der Bürgermeister von Klingenberg nennt sich selbst Ralf "Asterix" Reichwein. Die Churfranken vergleichen sich gern mit dem unbesiegbaren gallischen Dorf. Dort gibt es nicht nur erfolgreiche familiengeführte Industrieunternehmen, mit dem fränkischen Rotwein haben sie auch eine Art "Zaubertrank" entwickelt - und mit der 65. Fränkischen Weinkönigin Eva Brockmann jetzt sogar eine schöne "Falbala" zu bieten.
Seit 1974 erstmalig wieder eine Weinkönigin aus der Region
Denn die Tatsache, dass die Region erstmalig seit 1974 wieder die Fränkische Weinkönigin stellt, nutzen die Winzer der Region und der Tourismusverein Churfranken zur Imagewerbung. In fast jedem Weinort wehen die Fahnen mit dem Konterfei von Eva Brockmann. Die hatte ihre ersten Berührungen mit dem Frankenwein in Großwallstadt bei einem Praktikum im Weingut Giegerich. Nach Winzerausbildung, Technikerschule und Weinbau- und Önologie-Studium vertritt sie heute ganz Franken, möchte ihre Amtszeit aber auch nutzen, Churfranken bei Weinliebhabern noch bekannter zu machen.
Am Ortsrand von Großwallstadt beginnt der Rotweinwanderweg in den Weinbergen der Familie Giegerich. Klaus Giegerich hat das Weingut an seine Söhne Kilian und Philipp übergeben, die mit ihren Rotweinen die höchste Liga anstreben. Klaus Giegerich selbst experimentiert gerne. So hat er beispielsweise einen fränkischen Portwein kreiert.
Historische Terrassenlagen
Landschaftlich besticht die Region vor allem durch die in Franken einmaligen Terrassenlagen, die sich zwischen Erlenbach und Klingenberg neben dem Main regelrecht aufzutürmen scheinen. Von dicken Mauern begrenzte Terrassen, die nur durch schmale steile Treppen verbunden sind. Die Mauern stehen unter Denkmalschutz. Sie dürfen nur mit rotem Bundsandstein in Trockenbauweise ausgebessert und nicht verändert werden. Hier ist alles im Weinbau reine Handarbeit. Dafür gibt es ein sehr ausgeglichenes Klima, die Mauern wärmen zusätzlich und es gibt sogar ein klein wenig mehr Niederschläge als im übrigen fränkischen Weinbaugebiet.
Historiker gehen davon aus, dass die ältesten dieser Terrassen schon im 12. Jahrhundert errichtet wurden. Einer der Höhepunkte auf dem Rotweinwanderweg ist der Museumsweinberg am Schlossberg von Klingenberg. Der war bis 2007 ziemlich verwildert, bis ihn Anja Stritzinger übernahm und wie auch die Weinberge ihres Vaters auf ökologischen Weinbau umstellte. Hier werden die Weinreben noch wie vor hundert Jahren kultiviert. Jede Rebe wird von zwei Pfählen flankiert und nur mit Jute festgebunden.
Tatsächlich sind einige der Rebstöcke selbst schon über 100 Jahre alt - darunter sehr alte Sorten wie der Rote Franke, der Schwarze Urban, der Blaue Kölner oder der Affenthaler. Aber auch Spätburgunder, Portugieser, schwarzer Trollinger und sogar ein paar alte Silvaner-Reben sind darunter. Alle der über 20 verschiedenen Sorten ließen sich gar nicht mehr ermitteln, erzählt Anja Stritzinger.
Daraus entstehe ein alter Rotweinsatz, der in jedem Jahr etwas anders schmecke, so die Winzerin. Jede Rebsorte gehe mit den Witterungsbedingungen eines Jahrgangs anders um. Mal dominiere so die eine Sorte, mal die andere. Noch bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts habe man auf vielen Weinbergen unterschiedliche Rebsorten angebaut. Wenn Reben ersetzt werden mussten, sei gepflanzt worden, was gerade vorhanden gewesen sei. Es erwies sich sogar als vorteilhaft, wenn man für einen Wein fünf bis zehn verschiedene Rebsorten verwendete. So gelang es, Qualitäts- und Quantitätsunterschiede auszugleichen.
Kleine Familienweingüter
Vor allem kleine Familienweingüter zeichnen die fränkische Rotweinregion aus. So bewirtschaftet das Familienweingut Waigand in Erlenbach seit 70 Jahren gerade mal gut 1,6 Hektar. Tochter Verena wurde für ihre Burgunder-Rotweine von der Fachzeitschrift Vinum als kleinstes Weingut in die Liste der 25 besten "Deutschen Winzertalente" aufgenommen.
Am Centgrafenberg in Bürgstadt endet der Rotweinwanderweg nach 72 Kilometern. Hier baut die Familie Fürst ihre Rotweine an, die international mit Preisen überhäuft werden. Unter anderen in Burgund, Elsass, Spanien und Südafrika hat Sebastian Fürst Praktika absolviert, Weinbau und Önologie studiert, bevor er 2017 das Weingut von seinem Vater Paul übernahm. Noch heute arbeiten Vater und Sohn eng zusammen. Der ökologische Umbau des Weingutes sei sein Schwerpunkt, so Sebastian Fürst. 80 Prozent der Arbeit würde er in den Weinberg investieren, sagt Sebastian Fürst. Und im Keller? "Dort wird vor allem geputzt", sagt Fürst und grinst.
Über 1000 Liter würden in jedem Jahr aus den unzähligen 228-Liter-Holzfässern verdunsten, in denen die Familie ihre Rotweine ausschließlich ausbaut. Deshalb müssten die Fässer immer wieder nachgefüllt werden. Denn nur wenn sie immer randvoll seien, könne der Wein richtig reifen. Damit nichts, was nicht in die edlen Tropfen gehöre, dort hinein komme, sei Sauberkeit im Fürstschen Weinkeller oberstes Gebot. Hier könnte man sprichwörtlich vom Boden essen - sogar mit einem Schluck Rotwein dazu.
In uraltenj Chroniken hieß es einst, "Zu Würzburg am Stein. Klingenberg am Main und Bacharach am Rhein - da wächst der beste Wein". Franken war damals das flächenmäßig größte deutsche Weinbaugebiet. Wie man sieht, spielte darin das heutige Churfranken mit Klingenberg eine große Rolle.
Touristisch populär wurde die Landkreismetropole Miltenberg spätestens durch die Verfilmung 1958 des Hauff'schen Märchens vom Wirtshaus im Spessart.
Und wenn maqn so will, herrschten in Churfranken als Rotwein-burgundischem Flaggschiff Weinfrankens zuletzt zwei Jahrzehnte geradezu vatikanischze Verhältnisse. Hatte sich doch neben "Rotweinpapst" Paul Fürst der legendäre "Gewürzpapst" Ingo Holland aus Klingenberg als früherer Sternekoch und Lieferant der deutschen Spitzengastronomie einen Namen gemacht. Sohn Kilian führt nun diese Tradition weiter.
Der Fränkische Weinbauverband förderte seinerzeit Churfrankens Tourismus über jährliche Rotwein-Seminare für interessierte Weinfreunde.
Unter den besuchswerten Winzergemeinden sollte auch Großheubach mit seinem klösterlichen Bischofsberg, die Weinberge des Staatlichen Hofkellers und des Juliusspitals, die beiden Weingüter Walter und Stich in Bürgstadt mit dem Gasthaus "Stern" nicht , wie die Attraktionen der Kundigundenkapelle nicht übersehen werden. Dazu das malerische Miltenberg mit seinen Gastro-Juwelen. "Rotweinpapst" Paul Fürst hat sich aus kleinsten Anfängen längst einen Legenden-Status für ganz Franken erarbeitet. Schade, er fehlt auf einem der zahlreichen Fotos des erkennbar beisterungsfähigen Redakteurs. Solche Weine haben ihren besonderen Marktpreis.
Eher unwissend und wohl noch nie einen "Fürst" verkostet.
Was aber bei dem Preis wiederum verständlich ist.
Dennoch ist ein Fürst-Wein ein absoluter Genuss!