
Seit 2015 steht im Bundesverkehrswegeplan 2030 für die Stadt Gemünden eine Ortsumgehung. Durch den Bau einer zweiten Mainbrücke bei Wernfeld soll damit der enorme Durchfahrtsverkehr von bis zu 17.000 Fahrzeugen täglich auf die gegenüberliegende Mainseite verlegt werden. Für die Umsetzung des Projekts herrscht laut dem Verkehrswegeplan "vordringlicher Bedarf", das heißt, mit der Planung hätte 2015 sofort begonnen werden dürfen – geworden ist daraus bis jetzt noch nichts.
"Das wollen wir so nicht stehen lassen", sagt Wolfgang Remelka. Er und sein Stadtratskollege Ralf Obert vom Bündnis für Bürgernähe (BfB) haben sich deshalb dazu entschlossen, eine Petition zu starten. "Ortsumgehung Gemünden – jetzt" lautet deren Titel auf der Online-Plattform openPetition.de. Obert stellt klar: "Dass eine Ortsumfahrung kommen muss, ist unumgänglich, das sagt die vordringliche Einstufung ja bereits aus. Aber die müssen auch endlich mal mit der Planung anfangen – lieber gestern als morgen."
Planung für B 26n hat Priorität
Mit "die" ist das Staatliche Bauamt Würzburg gemeint. Das hat den Auftrag, den Bundesverkehrswegeplan in seinem Amtsbereich mit – den reichlich vorhandenen – Mitteln des Bundes umzusetzen. Wie die Behörde auf Anfrage mitteilt, betrifft das im Bereich Würzburg drei Projekte: die B 26n, die Ortsumgehung Gemünden und die Ortsumgehung Giebelstadt. Letzteres hat sich aufgrund artenschutzrechtlicher Bedenken mittlerweile erübrigt, die B 26n liegt indes mit einem deutlich höheren Nutzen-Kosten-Faktor von 5,6 in der Priorisierung gegenüber der Gemündener Ortsumgehung (3,3) klar im Vorteil.

Die Ortsumgehung muss sich damit einreihen hinter die aktuell in der Planung beziehungsweise Umsetzung befindliche B 26n sowie die Ortsumgehungen von Hafenlohr und Prosselsheim aus dem Ausbauplan für Staatsstraßen. Überdies investiert das Staatliche Bauamt nach eigenen Angaben jährlich einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag in die Erhaltung des bestehenden Straßennetzes und seiner Bauwerke. Für die Neubauplanung der Gemündener Ortsumgehung habe die Behörde aktuell keine Kapazitäten – auch weil es nicht gelingt, vakante Stellen nachzubesetzen.
Personalabordnung als Lösung für Fachkräftemangel?
Dass Personalengpässe die Planung und Umsetzung der so dringend gewünschten Umgehungsstraße möglicherweise nachhaltig verhindern, möchte Wolfgang Remelka nicht gelten lassen. Der pensionierte Polizeibeamte zieht den Vergleich zu dem Polizeigroßeinsatz bei der G7-Tagung in Elmau. "Da sind Leute aus ganz Bayern und auch Unterfranken monatelang abgeordnet worden und haben das Ding vorbereitet", schildert der 61-Jährige, "Wieso sollte so etwas im Bau- und Planungswesen nicht auch möglich sein?"
Dass bei zu langem Warten der Weg für die Umgehung irgendwann verbaut sein könnte, ist Remelka bewusst. 48 Monate Bau- und satte 138 Monate Planungszeit werden auf der Projektseite des Bundesverkehrsministeriums für die Gemündener Ortsumfahrung veranschlagt – mit zusammen gut 15 Jahren also mehr als die Gesamtlaufzeit des aktuellen Bundesverkehrswegeplans. "Wir haben jetzt 2025, also sind jetzt noch fünf Jahre Zeit. Wenn bis dahin nicht mit der Planung begonnen wurde, fällt das Projekt vielleicht wieder raus und dann muss man wieder kämpfen, dass es erneut mit aufgenommen wird."
Bernd Rützel warnt vor Beispiel Schaippachs

Eine Sorge, die auch Remelkas Stadtratskollege und Mitglied des Bundestags Bernd Rützel (SPD) teilt. Er habe sich als stellvertretendes Mitglied des Verkehrsausschusses persönlich dafür eingesetzt, dass die Maßnahme anstatt ursprünglich geplant mit "weiterem Bedarf" nun mit "vordringlichem Bedarf" im Bundesverkehrswegeplan steht. "Das hat dem Projekt eigentlich erst die Türen geöffnet, aber die können auch irgendwann wieder zugehen", warnt der Abgeordnete. Aus seiner Sicht könne der Gemündener Ortsumgehung das gleiche Schicksal drohen wie der von Schaippach. Die wurde nach 30 Jahren in der Schublade 2024 für nicht mehr wirtschaftlich erklärt.
Remelkas und Oberts Petition begrüßt der Sozialdemokrat deshalb ausdrücklich. Die hat nach gut eineinhalb Monaten Laufzeit bislang knapp 600 und damit bereits mehr als die Hälfte der 1000 Stimmen gesammelt, die Remelka als Kampagnenziel angegeben hat. Doch nicht nur ihre Namen, sondern auch konkrete Anliegen und Argumente haben die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner im Rahmen der Petition schon geäußert, erklärt der Gemündener. Neben Autofahrerinnen und Autofahrern würden sich dort auch Menschen melden, die zu Fuß oder mit dem Fahrrad von dem vielen Verkehr betroffen sind.
Aufmerksamkeit für das Sicherheitsrisiko

Kritische Stimmen, die bemängelten, dass die Umgehung Touristen und Kunden an der Stadt vorbeiführten, nimmt Remelka ernst, für ihn überwiegen jedoch klar die Vorteile für das Tourismusziel Gemünden. Ein wichtiges Argument ist für ihn und Obert auch, dass die schmale Ortsdurchfahrt dem hohen Verkehrsaufkommen bei den immer wieder vorkommenden (Teil-)Sperrungen nicht gewachsen sei. Stauen sich die Fahrzeuge dann bis über das Ortsschild hinaus, ist für Rettungskräfte im Ernstfall – wie dem Brand der Alten Brauerei – kein Durchkommen.
Neben Dreck, Staub und Abgasen habe dieses Sicherheitsrisiko für Remelka den Anstoß gegeben, sich verstärkt für die Umsetzung der Gemündener Ortsumgehung starkzumachen. Als den nächsten Schritt nach dem Ende der bis zum 3. September laufenden Petition plant der ehemalige Lohrer Polizeichef, die Namensliste persönlich an das bayerische Verkehrsministerium zu übergeben. Anschließend soll sich der Petitionsausschuss des Bayerischen Landtags damit befassen. Was sich die Aktivisten davon versprechen? "Wir wollen Aufmerksamkeit erregen, damit das Projekt nicht einfach still und leise unter den Tisch fällt."
Unterstützt werden kann die Petition noch bis zum 3. September online unter www.openpetition.de/petition/online/ortsumgehung-gemuenden-jetzt; eine Registrierung ist dafür nicht nötig, jedoch müssen Name, E-Mail-Adresse und Anschrift hinterlegt werden.
Die B26n hat Vorrang, und wenn sie fertig ist, führt sie auch zu einer Entlastung von Gemünden.