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Dettelbach
"Wir reiben uns hier auf!": Beim Apothekerstreik am 14. Juni bleiben auch in Unterfranken viele Apotheken zu
Am Protesttag wollen viele Apotheken schließen. Bezirks-Chef Bernward Unger erklärt, warum es ihm reicht – und wo man im Notfall Medikamente bekommt.
Aus Protest gegen die Gesundheitspolitik bleiben am 14. Juni auch in Unterfranken zahlreiche Apotheken zu. 'Es reicht', erklärt Bernward Unger, Bezirksvorsitzender des Bayerischen Apothekerverbandes. 
Foto: Benjamin Brückner | Aus Protest gegen die Gesundheitspolitik bleiben am 14. Juni auch in Unterfranken zahlreiche Apotheken zu. "Es reicht", erklärt Bernward Unger, Bezirksvorsitzender des Bayerischen Apothekerverbandes. 
Susanne Schmitt
 |  aktualisiert: 15.07.2024 12:53 Uhr

Erst die Ärzte, immer wieder die Bahn und jetzt die Apotheker: Am 14. Juni sollen bundesweit quasi alle Apotheken geschlossen bleiben, die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) hat zum Protest aufgerufen. Lieferengpässe bei Medikamenten, Personalmangel, zu wenig Geld und zu viel Bürokratie – die Liste der Ärgernisse ist lang. "Sogar für die geduldigsten Apotheker ist das Maß voll", sagt Bernward Unger, unterfränkischer Vorsitzender des Bayerischen Apothekerverbandes. Ein Gespräch über ausgebrannte Mitarbeiter, drohendes Apothekensterben und den fatalen Satz, "das ist so nicht lieferbar".

Frage: Am 14. Juni bleiben viele Apotheken in Deutschland aus Protest zu. Ist das ein Novum?

Bernward Unger: In meiner über 30-jährigen Berufslaufbahn weiß ich bisher von keinem Streik. Eigentlich widerstrebt es uns auch zu streiken, denn das bedeutet Nachteile für unsere Patientinnen und Patienten. Bislang haben wir versucht, alle Probleme intern zu lösen, so dass kranke Menschen trotzdem bestmöglich versorgt werden. Aber es reicht!

Was hat das Fass zum Überlaufen gebracht?

Unger: Die Liste der Probleme ist lang. Wir haben die Lieferengpässe bei Medikamenten, uns fehlt Personal, die Bürokratie nimmt völlig überhand. Und: Unser Honorar ist seit zehn Jahren nicht mehr angepasst, sondern zu Jahresbeginn noch gekürzt worden – sogar für die geduldigsten Apotheker ist jetzt das Maß voll.

Der Streik soll also zeigen, …

Unger: … dass es so nicht weitergeht. Wir reiben uns hier auf. Nicht nur die Apotheker, sondern auch unsere Angestellten. Hinter den Kulissen ist es täglich ein Kampf, um Medikamente zu beschaffen. Zig Telefonate mit Ärzten, die andauernde Suche nach alternativen Wirkstoffen oder anderen Dosierungen. Unsere Teams sind ausgebrannt – und es laufen mehr und mehr Mitarbeitende davon.

Welche Medikamente fehlen denn aktuell in Unterfranken?

Unger: Im Moment ist die Lage vor allem bei Antibiotika in Saftform für Kinder dramatisch. Auch Fieber- und Schmerzsäfte fehlen nach wie vor. Wir haben Glück, dass gerade keine Erkältungssaison ist. Aber einige Wirkstoffe sind schlicht nicht zu beschaffen.

Die Maßnahmen der Politik gegen die Arzneimittelengpässe wirken nicht?

Unger: Nein. Es gibt gewisse Importerleichterungen, aber das ist keine Dauerlösung. Bei einzelnen Wirkstoffen verbessert sich die Situation zwar immer wieder kurzzeitig, aber insgesamt rechne ich damit, dass sich die Engpässe noch verschärfen.

Seit Monaten fehlen immer wieder dringend benötigte Medikamente. Der Dettelbacher Apotheker Bernward Unger fürchtet, dass sich die Engpässe künftig verschärfen (Symbolbild).
Foto: Benjamin Brückner | Seit Monaten fehlen immer wieder dringend benötigte Medikamente. Der Dettelbacher Apotheker Bernward Unger fürchtet, dass sich die Engpässe künftig verschärfen (Symbolbild).
Es mangelt aber nicht nur an Medikamenten, sondern auch an Personal. Trifft das Unterfranken als ländliche Region besonders?

Unger: Das ist ein bundesweites Problem. Fast überall müssen Apotheken schließen, weil keine Leute mehr da sind. Ich kenne Kollegen, die in letzter Zeit bereits halbe Tage zusperren mussten. Andere haben seit Jahren keinen Urlaub gemacht, weil sie keine Vertretung finden.

Warum will fast niemand mehr in Apotheken arbeiten?

Unger: Das ist ein Problem, das man aus anderen Bereichen des Gesundheitswesens kennt: Die Menschen haben bei mäßiger Bezahlung einfach keine Lust mehr, Nachtschichten zu schieben und sonn- oder feiertags zu arbeiten. Letztlich ist es auch ein wirtschaftliches Problem. Wir würden unser Personal gerne besser bezahlen.

Aber?

Unger: Wir haben den gesetzlich festgelegten Auftrag der ordnungsgemäßen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln, mit dazugehörigen Pflichten wie etwa Nacht- und Notdiensten, Mindestbevorratung oder Mindestöffnungszeiten. Deshalb gibt es eine Fixvergütung für verschreibungspflichtige Medikamente. Allerdings ist dieses sogenannte Fixum seit Jahren nicht mehr angepasst worden. Genau das ist nun dringend nötig. Zudem muss die Bürokratie abgebaut und die Zeit vergütet werden, wie wir benötigen, um die Lieferengpässe zu managen.

Wenn das ausbleibt, droht Unterfranken dann in den nächsten Jahren ein Apothekensterben?

Unger: Da sind wir schon dabei. In Bayern ist die Zahl der Apotheken seit 2012 von insgesamt 3347 auf 2882 im vergangenen Jahr zurückgegangen. Unterfranken ist da keine Ausnahme. Und besonders auf dem Land, in kleineren Gemeinden, schlägt es eine Lücke in der Versorgung, wenn die Apotheke zu macht. Noch deutlicher zurück geht übrigens die Zahl der selbstständigen Apotheker. Viele Apotheken werden nur noch als Filialen betrieben, weil sich immer weniger Nachwuchskräfte selbstständig machen wollen. Wenn man dann politische Stimmen hört, die Apotheken noch mehr Gelder kürzen wollen, muss man fassungslos den Kopf schütteln.

Sie leiten selbst eine Apotheke in Dettelbach im Landkreis Kitzingen. Bleiben auch bei Ihnen am 14. Juni die Türen zu?

Unger: Ja, wir schließen zu. Generell gibt es bei den Kolleginnen und Kollegen in Unterfranken wie auch bundesweit eine überwältigende Bereitschaft, sich an dem Streik zu beteiligen.

Wie erfährt man, welche Apotheke am 14. Juni streikt und wo bekommt man im Notfall trotzdem Medikamente her?

Unger: Wir kündigen streikbedingte Schließungen vorab an. Menschen, die Medikamente brauchen, können sich darauf einstellen. Der Notdienst wird natürlich aufrechterhalten und wer am 14. Juni akut krank wird, muss sich an die Notdienst-Apotheken wenden. Dabei hoffen wir auf Verständnis in der Bevölkerung. Denn sicher haben die meisten Patientinnen und Patienten in letzter Zeit in ihrer Apotheke schon den Satz "das ist so nicht lieferbar" gehört. Bei mir kommen sogar manchmal Kunden und fragen, welche Hiobsbotschaft ich heute habe. Und das kann nicht sein.

Protesttag der Apothekerinnen und Apotheker am 14. Juni

Zu dem bundesweiten Protesttag am 14. Juni hat die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) aufgerufen. Grund seien unter anderem die Lieferengpässe, Personalnot und "eine seit Jahren bestehende Unterfinanzierung", heißt es vom ABDA. Darauf weise man seit Monaten hin, die Bundesregierung aber übergehe "in ihren Gesetzesvorhaben immer wieder die Probleme der öffentlichen Apotheken".
Deshalb hat die ABDA einen Forderungskatalog mit zehn Punkten erstellt. So verlangt sie unter anderem einen finanziellen Ausgleich für die Bewältigung von Lieferengpässen, höhere Honorare und einen Abbau der Bürokratie.
Nach Daten des aktuellen Apothekenwirtschaftsberichts ist die Zahl der Apotheken im Jahr 2022 bundesweit um 393 auf 18.068 gesunken. Insgesamt waren demnach in den Apotheken 159.352 Menschen beschäftigt, darunter 53.461 Apothekerinnen und Apotheker.
In Unterfranken sind am 14. Juni mehrere Aktionen zum Protesttag geplant. So soll beispielsweise in Würzburg ab 11 Uhr eine Demonstration vom Hauptbahnhof Richtung Marktplatz ziehen. In Schweinfurt wollen Apotheker von 10 bis 14 Uhr auf dem Georg-Wichtermann-Platz demonstrieren.
Quelle: ABDA/BAV/sp
 
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  • remag
    Apotheker haben schon immer viel Geld verdient und es geht ihnen auch heute noch gut
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  • Braun_Matthias@hotmail.com
    Jahrelang haben die Pharmaindustrie und die Apotheken von "günstigen" Medikamenten aus Fernost profitiert und gute Gewinne erzielt . Bei den aktuellen Lieferengpässen verfluchen sie das System. Dass mehr Medikamente in Europa hergestellt werden müssen ist keine neue Erkenntnis sondern war schon vor Corona und dem Ukraine Krieg bekannt.
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  • carmen.reitz-borst@gmx.de
    Es wird Zeit das auch mal die Metzger und Bäcker und die Reinigungskräfte streiken.
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