Fiebersaft, Hustentropfen, Schleimlöser: Wer in diesen Tagen bei Horst Ullmann in der St. Martin-Apotheke in Mellrichstadt Arzneimittel abholen oder kaufen möchte, könnte enttäuscht werden. Denn viele Medikamente sind derzeit nicht oder nur begrenzt lieferbar.
Bei Ullmanns Kollegen Susanne Sterzinger mit Apotheken in Bad Königshofen und Münnerstadt und Jonathan Schneider in Hohenroth, Salz, Bad Neustadt und Bad Kissingen ist die Lage nicht besser. Der Medikamentenmangel bereiten allen drei Apothekern Sorgen, wie sie auf Nachfrage dieser Redaktion berichten.
"Fast jeder zweite Patient wird von uns in irgendeiner Form umgestellt, beraten oder wieder zum Arzt zurückgeschickt", sagt Horst Ullmann. Wenn ein Mittel nicht verfügbar sei, könne man eventuell auf eines mit einem anderen Wirkstoff oder einer anderen Stärke ausweichen. "Dazu muss man dann aber erst wieder mit dem Arzt Rücksprache halten und dort jemanden erreichen, was auch nicht einfach ist momentan. Dann steht der Patient da und muss warten. Oder wir müssen ihn bitten, später noch einmal wiederzukommen, wenn die Sache vielleicht geklärt werden konnte", so Ullmann.
Jonathan Schneider: Drei Viertel der Rezepte können nicht normal verarbeitet werden
Seit der großen Erkältungswelle vor Weihnachten habe sich die Lage nicht entspannt, sondern sei teilweise sogar noch schlimmer geworden, sagt Horst Ullmann. Man habe jetzt zwar wieder "den ein oder anderen Artikel" bekommen. Bei antibiotischen Tabletten für Erwachsene, Fiebersäften, Fieberzäpfchen oder antibiotischen Säften für Kinder sei die Lage dagegen eher schlimmer als besser geworden.
Jonathan Schneider leitet die Hubertus Apotheken in Salz und Bad Neustadt, die Apotheke in Hohenroth sowie die Marbach Apotheke in Bad Kissingen und berichtet Ähnliches. "Der Medikamentenmangel ist im Moment so schlimm wie nie. Man muss schon fast sagen, drei Viertel aller Rezepte kann man nicht normal verarbeiten aufgrund der schlechten Verfügbarkeit bei vielen Firmen", meint Schneider.
Vor allem bei Paracethamol-Zäpfchen, Ibuprofen-Säften, Kindersäften, Schmerz- und Fiebermitteln gebe es große Lieferschwierigkeiten. Susanne Sterzinger – sie führt die Apotheke am Markt in Bad Königshofen und die Löwenapotheke in Münnerstadt – beobachtet vor allem bei Antibiotika viele Engpässe, hier seien manche Arten gerade gar nicht mehr lieferbar.
Bei Bestellungen ist Schnelligkeit gefragt
"Man muss mehrmals am Tag Abfragen starten und schauen, ob was kommt. Und dann wirklich sehr schnell sein und innerhalb der nächsten fünf Minuten bestellen", so Sterzinger. Dass die Arbeit in der Apotheke derzeit sehr aufwendig ist, bestätigt auch Horst Ullmann von der St. Martin-Apotheke in Mellrichstadt: "Wir sind den ganzen Tag nur am Improvisieren. Gestern hatten wir ein fünfjähriges Kind, dem ein Saft verordnet wurde. Da mussten wir auf Tabletten ausweichen und den Eltern erklären, wie sie die dem Kind verabreichen".
Anders als seine Kollegen Susanne Sterzinger und Jonathan Schneider tauscht Horst Ullmann aus Mellrichstadt keine lagernden Medikamente mit Nachbar- oder Partnerapotheken aus. "Das wäre wahrscheinlich sowieso nicht von Erfolg gekrönt. Und ganz ehrlich: ich habe keine Restbestände. Dass man sagen könnte: 'Ich habe im Dezember noch mal eine größere Menge bekommen und nun soviel, dass ich etwas abgeben kann', das gibt es nicht", sagt Ullmann.
Warum niemand Angst haben muss, nicht versorgt zu werden
Können Hausmittel bei leichten Beschwerden eine Lösung sein? Bevor die Eltern zum Arzt gehen und dann in die Apotheke kommen, hätten sie eigene Versuche mit Wadenwickeln oder Zwiebelsaft meist bereits hinter sich, sagt Apotheker Horst Ullmann. "Natürlich kann auch mal ein Hustentee helfen, wenn es gerade keinen Schleimlöser gibt. Wobei auch Hustentee momentan schwierig zu bekommen ist. Viel warme Flüssigkeit hilft oft, es kann auch mal ein Früchtetee sein".
Wenn jemand eine stärkere Erkältung habe, würden solche Hausmittel aber auch nicht weiterhelfen, so Ullmann. Susanne Sterzinger sieht das ähnlich: "Hausmittel können unterstützend eingesetzt werden, aber kein verschreibungspflichtiges Medikament ersetzen".
Angst, dass er oder sie gar nicht versorgt werden kann, muss trotz Engpass aber niemand haben. "Es ist für uns und die Ärzte mit sehr viel Aufwand verbunden. Aber wir geben uns Mühe und man kriegt immer eine Lösung hin", beruhigt Susanne Sterzinger. "Auch wenn es oft mit einem Wechsel des Herstellers oder des Wirkstoffs und einer Arztrücksprache verbunden ist, versuchen wir natürlich weiterhin, jeden zu versorgen", sagt auch Jonathan Schneider.
Das es aber für Menschen mit chronischen Krankheiten oder dauerhaften Anwendungen zu Engpässen kommen kann ist schon ärgerlich, und ist wie in allen anderen Branchen scheinbar dem Geiz ist geil und ich verlege meine Produktion in billiger arbeitende Länder und mache mich somit abhängig. Ist ja heute keine Seltenheit mehr .
Jeder will immer mehr Lohn weniger arbeiten mehr Urlaub und das Ergebnis ist folglich das die Produktion verlagert werden muss . Habe diese Entwicklung in den späten 80 ziger Jahren schon in schweinfurt beobachtet, was mir damals schon subspekt vorkam . Das Ergebnis verspüren wir heute .
Kurz vor Weihnachten sah das ganz anders aus. Andere Dosierung und andere Stückzahl! Deshalb musste ich mich schon wieder in den "Bakterien-/Viren-Gefahrenort" Arztpraxis begeben.
Und dann kommt ja auch noch die Aussage:
"Es ist für uns und die Ärzte mit sehr viel Aufwand verbunden. Aber wir geben uns Mühe und man kriegt immer eine Lösung hin"
--->Ich denke, es gab schon mal ganz andere Not-Zeiten.
https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/medikamentenmangel-in-der-eu-fiebersaefte-und-antibiotika-fehlen
Sind es nicht die Medikamente, sind es dann halt die Rohstoffe dafür die wir importieren müssten und abhängig sind.
PS: Bei der Energieversorgung haben wir uns doch auch daran gewöhnt fossile Energieträger zu importieren...