
Es gab 2024 Menschen, die vor besonderen Herausforderungen standen und schwierige Situationen überwinden mussten. Die Redaktion ist in der Rückschau auf das ablaufende Jahr auf diese sechs außergewöhnlichen Geschichten gestoßen.
1. Der 14-jährige Lenny aus Astheim strandet in Berlin

Der Jugendliche Lenny aus Astheim erlebt 2024 eine wahre Odyssee: Eigentlich will er in den Faschingsferien mit einem Bus zu seinem Vater nach Pforzheim fahren. Aus Versehen erwischt er das falsche Gefährt und landet schließlich in Berlin. In der Bundeshauptstadt gerät der junge Mann an einen freundlichen und hilfsbereiten Taxi-Fahrer. Mutter und Sohn vereinbaren übers Telefon, dass Lenny zum Hauptbahnhof gebracht werden soll.
Doch der iranischstämmige Fahrer Maschid Aso Dolay hält es für zu unsicher, Lenny dort allein zu lassen. Stattdessen nimmt Dolay den Jungen fünf Stunden lang mit auf eine Tour durch Berlin, inklusive Essen, Besichtigungen und Selfie für die Eltern, damit die sich keine Sorgen machen.
Als die Mutter schließlich im Auto in Potsdam ankommt, ist das Taxi mit Lenny ihr schon entgegen gefahren. Am Treffpunkt haben alle Tränen in den Augen. Und obwohl der Taxi-Fahrer kein Geld nehmen will, drückt ihm Lennys Mutter schließlich 100 Euro in die Hand. Dolay revanchiert sich mit einer Einladung nach Berlin – samt Taxifahrt.
2. Solidaritätswelle für die Familie eine tödlich verunglückten Arbeiters

Ein 31-jähriger Arbeiter von Franken Guss erleidet Anfang Februar in der Kitzinger Gießerei einen schweren Unfall. Bei einer Verpuffung am Hochofen wird er so schwer verletzt, dass er in einer Spezialklinik ins künstliche Koma versetzt werden muss. Eine Woche nach dem Unglück stirbt der Mann.
Der Arbeiter hinterlässt seine Frau und zwei Kinder im Alter von vier Jahren und elf Monaten. Die Schwester der Witwe startet daraufhin eine Spendenkampagne im Internet. Damit tritt sie eine Welle der Solidarität los. Mehr als 2600 Einzel- und Gruppenspender leisten einen Beitrag. Über 73.000 Euro Spenden kommen allein in den ersten Tagen zusammen.
Die Witwe dankt den Spendern für die Anteilnahme, das Mitgefühl und die große finanzielle Unterstützung. Durch die vielen Spenden ist zumindest der finanzielle Druck von der Familie genommen.
3. Abriss eines legendären Rasthauses: Ein "Lomo-Weib" erinnert sich

Helene Feth aus Rüdenhausen besucht als 70-Jährige letztmals den Ort, an dem jahrelang das Leben tobte: den Rüdenhäuser Rasthof, nahe der A3, kurz bevor er abgerissen wird. Feth, früher eines der sogenannten Lomo-Weiber, erinnert sich an Nachtschwärmer und Lastwagen-Fahrer aus aller Herren Länder.
Bis zu zwölf Stunden am Tag arbeitet Feth als Mädchen für alles in der Hochzeit der "Lomo". Sie kocht, putzt, bedient – und lernt ihren Ehemann dort kennen. Die Besucher sind oft Stammgäste: ein Österreicher, der regelmäßig zum Hähnchenessen kommt, ein Holländer, der von der Autobahn aus sein Rumpsteak bestellt.
2003 kommt das Aus für die weithin bekannte Institution: Die Umstellung auf Selbstbedienung habe die Raststätte kaputt gemacht, sagt Feth. "Gerade Fernfahrer, die den ganzen Tag über alleine sind, wollen abends echten Menschen begegnen, ein bisschen reden, etwas zu essen serviert bekommen."
4. Andreas Barth fährt schwere Motorräder mit nur einem Bein

Andreas Barth aus Schweinfurt ist leidenschaftlicher Motorrad-Fahrer. Doch im August 2002 wirft ihn ein schwerer Unfall aus der Bahn. Eine Motorrad-Tour endet für ihn in der Katastrophe: Der damals 32-Jährige verunglückt schwer, liegt mit unzähligen Brüchen im Koma. "Ich war dem Tod sehr nahe", erzählt er.
Zwei lange Jahre kämpft er. Barth trainiert hart in verschiedenen Reha-Einrichtungen, immer das Ziel vor Augen: wieder arbeiten zu können. Es klappt. Bis heute arbeitet er bei Bosch Rexroth in Volkach. Doch noch einmal muss er einen Rückschlag verkraften: Das beim Unfall zertrümmerte Bein entwickelt einen Gefäßverschluss, den die Ärzte nicht heilen können. 2015 wird ihm das rechte Bein abgenommen.
Wieder gibt der Motorrad-Fahrer nicht auf, sucht einen Prothesen-Hersteller, der ihm mit einem individuellen Beinersatz helfen kann. Sein Arbeitgeber gestaltet ihm einen geeigneten Arbeitsplatz. Schließlich kauft er sich wieder ein Motorrad. "Das ist die Freiheit für mich", sagt er. "Ich weiß wieder, wofür ich lebe und dass sich die Anstrengung zu arbeiten wirklich lohnt."
5. Volkacher Wirtsleute Neye wehren sich gegen anonymen Drohbrief

Christina und Martin Neye von der Weinstube "Torbäck" beweisen Mut: Sie lassen sich von einem anonymen Drohbrief nicht einschüchtern. Im Gegenteil: Sie setzen sich öffentlich dagegen zur Wehr. Am 1. November landet das Schreiben in ihrem Briefkasten. Weil die Wirtsleute dem Volkacher Ortsverband von Bündnis 90/Die Grünen einen offenen Stammtisch im Nebenzimmer genehmigen, werden sie beschuldigt, "erneut dieser kriminellen Partei mit ihrer schwerkriminellen Ortsvorsitzenden eine Plattform gegeben" zu haben.
Im Brief steht die Drohung: "Sollten Sie weiterhin bzw. nochmals dieser Partei 'Unterschlupf' gewähren und somit die illegalen Machenschaften unterstützen, werden wir Volkacher Bürger Ihr Restaurant boykottieren und zum Boykott gegen Ihr Restaurant aufrufen."
Die Neyes als Pächter des "Torbäck" halten den Brief und seine Unterzeichner für feige. Sie betonen im Gespräch mit der Redaktion: "Die Grünen können gerne weiter zu uns kommen; wir stehen da drüber." Diese Haltung freut nicht nur die Partei, sondern nötigt vielen Mitbürgerinnen und Mitbürgern Respekt ab. Christina und Martin Neye erfahren bis heute "Lob und Zustimmung", wie sie sagen. Außer dieser Zeitung berichten inzwischen auch TV-Sender über die wehrhaften Wirtsleute, die sich nicht einschüchtern lassen.
6. Mutter stirbt nach Herzstillstand – Vater kümmert sich um seine drei kleinen Kinder

Enrico K. erlebt erst großes Glück und dann unfassbares Leid: Vor einem Jahr werden er und seine 37-jährige Partnerin Tanja aus Repperndorf Eltern von Zwillingen; einen gemeinsamen Sohn haben sie schon. Doch wenige Wochen nach der Geburt erleidet die Mutter eine Lungenembolie. Es folgen bange Tage im Krankenhaus mit Anschluss an eine Herz-Lungen-Maschine, Koma, Herzstillstand und Reanimation. Im Februar, keine zwei Monate nach der Embolie, stirbt die Frau.
"Horror, Horror, Horror", sagt Enrico K., wenn er an diese Zeit denkt. Zusätzlich zu seiner Trauer und zu den Aufgaben als alleinerziehender Vater muss er mit den Behörden kämpfen. Um die Anerkennung seiner Vaterschaft bei den Zwillingen, um staatliche Leistungen wie Kinder- und Elterngeld sowie Halbwaisenrente.
Viele Menschen – Kollegen, Freunde, seine Schwester und unbekannte Spender– helfen dem 51-Jährigen, wofür er dankbar ist. Dieses Jahr sei er oft an seine Grenzen geführt worden. Doch Enrico K. will Alleinerziehenden trotz aller Schwierigkeiten Mut machen: "Kämpft, gebt alles. Ein einziges Lächeln eurer Kinder am Tag ist so viel wert und gibt so viel Kraft."