
Diese Geschichte ist so schön, dass sie einfach erzählt werden muss: Der 14-jährige Lenny aus dem Landkreis Kitzingen steigt in Würzburg in einen Flixbus und fährt aus Versehen nicht nach Pforzheim zu seinem Vater. Sondern nach Berlin. In der Hauptstadt gestrandet, passt ein Taxifahrer stundenlang auf den Jungen aus dem Volkacher Stadtteil Astheim auf, bis seine Mama Andrea ihn abholen kommt. Ende gut, alles gut? Gut auf jeden Fall! Aber zu Ende ist die Geschichte damit nicht.
Als Lenny sie zurück daheim seinem Onkel Jürgen Gläser erzählt, erkennt der Reporter vom Bayerischen Rundfunk (BR) sofort, dass sie ein größeres Publikum verdient hat als die Runde am Küchentisch. Doch selbst er ahnt nicht, welch große Kreise sein Beitrag ziehen wird. Radiosender von SWR bis an die Nordsee melden sich seither ständig bei der Mutter in Astheim, sogar die Macher der Fernsehsendung "Stern TV" klopfen an.
Die Aufmerksamkeit gebührt Taxifahrer Maschid Aso Dolay
Sie alle möchten mehr wissen über den in Berlin gestrandeten Jungen – und die außergewöhnliche Hilfe von Taxifahrer Maschid Aso Dolay. In den Augen von Lennys Mutter ist er derjenige, der im Mittelpunkt stehen sollten. Ein Held mit iranischen Wurzeln und für Krankenschwester Andrea ein Beweis mehr, "dass es nicht auf die Nationalität ankommt, sondern darauf, wie jeder Mensch ist". Das betont sie beim Gespräch zu Hause in Astheim, ihr Sohn nickt zustimmend. Auch darum nehmen sich beide an dem Abend nochmal die Zeit, die ausführliche Geschichte des aufregenden Abends zu erzählen. Ihren Familiennamen wollen sie trotzdem lieber nicht öffentlich machen.

Los ging es in den Faschingsferien. In Würzburg steigt Lenny gegen 13 Uhr in einen Flixbus. Er will zu seinem Vater, der das Ticket für ihn gekauft hatte. Doch der Schüler landet im Bus nach Berlin statt Richtung Paris. Den Fehler bemerkt der 14-Jährige erst, als ihm seine App meldet, er sei angekommen. Doch Pforzheim ist nicht in Sicht, stattdessen ist der Bus bei Leipzig unterwegs. Nächster Halt: Berlin.
Im Bus bekam Lenny kurz Panik, ließ sich aber nichts anmerken
Das findet Lenny heraus, indem er eine Waliserin anspricht. Busfahrer und Begleitperson können nicht helfen, sie sprechen kein Deutsch.
Da sei er innerlich aufgewühlt gewesen, sagt der 14-Jährige im Rückblick. Er habe "kurz Panik gekriegt". Äußerlich lässt er sich das nicht anmerken und ruft seine Mutter an: "Mama, in einer Stunde bin ich in Berlin." Der Gedanke seiner Mutter: "Jetzt haben wir eine Stunde Zeit, das zu regeln."

Der Sohn soll sich, so der Plan, an dem großen Busbahnhof in Charlottenburg sofort nach der Ankunft gegen 18 Uhr ein Taxi suchen und zum Hauptbahnhof fahren.
Der 14-Jährige entscheidet sich für einen Tesla. "Es war das schönste Auto", sagt Lenny. Ziel ist eigentlich die bis 21 Uhr geöffnete Bahn-Lounge. Der Taxifahrer soll den Jungen da absetzen. Seine Mama sitzt zu diesem Zeitpunkt bereits im Auto nach Berlin.
Doch der Taxifahrer findet die Idee zu unsicher und erklärt Lennys Eltern, dass er den Jungen nicht alleine am Hauptbahnhof lassen könne. Mutter Andrea fragt sich: "Was ist jetzt besser: Im Taxi unterwegs sein mit einem Fremden oder draußen?"
Maschid Aso Dolay aber schickt der 39-Jährigen ein Foto vom Taxi mit Kennzeichen, seine Handynummer und Adresse. Er nimmt an, sie wohne vielleicht eine Stunde weg. Die fast 500 Kilometer Entfernung nach Volkach schocken ihn kurz – halten ihn aber keinen Moment vom Helfen ab.
Dieser Fremde, sagt Lenny, wird auch für ihn schnell zum Verbündeten. Sie unterhalten sich, der gebürtige Iraner erzählt viel von seiner Familie. "Da habe ich mich sicher gefühlt", sagt Lenny. Noch dazu lässt der Taxifahrer den Schüler alle 15 Minuten seine Mutter anrufen. Gleichzeitig hält der 14-Jährige seinen Vater in Pforzheim per Live-Standort auf dem Laufenden.
Der Taxifahrer zeigte dem Jungen seine Stadt
Fast fünf Stunden sind sie so unterwegs durch Berlin – Fast Food, Sightseeing und ein Selfie für die Eltern inklusive. Vom Brandenburger Tor über die Siegessäule bis zur früheren Grenze zeigt Maschid Aso Dolay dem Jungen seine Stadt. Und entscheidet dann, der Mutter sogar noch eine Stunde entgegenzufahren. Bei Potsdam treffen sie sich schließlich gegen 23 Uhr.
"Und dann hatten wir alle Drei Tränen in den Augen", sagt die Astheimerin. Im BR schwärmt der Retter später von dem "unheimlich freundlichen, höflichen Jungen".
Ganze Familie nach Berlin eingeladen
Eine Bezahlung für den langen Abend im Taxi habe der Berliner Chauffeur übrigens abgelehnt, sagt die Familie. Auf Drängen habe er nur 100 Euro angenommen. Dann ging es für Mutter und Sohn direkt wieder zurück an den Main. Die komplette Heimfahrt über sei er wach geblieben, damit seine Mama am Steuer nicht einschlief, erzählt Lenny.
Ende gut, alles gut? Noch nicht ganz! Maschid Aso Dolay und seine Frau haben die ganze Familie eingeladen, sie in Berlin zu besuchen. Lennys Familie freut sich schon auf die Reise – garantiert mit Taxifahrt durch Berlin.
Im Artikel vom BR liest sich das anders:
"Der Papa kauft für seinen Sohn online ein Ticket bei Flixbus von Würzburg nach Pforzheim. Das denkt er zumindest. Denn: Tatsächlich hat er versehentlich ein Ticket für eine ganz andere Strecke gebucht. Am Tag der Reise steigt Lenny in Würzburg in den Bus und achtet dabei sogar auf die richtige Busnummer." (Quelle: https://www.br.de/nachrichten/bayern/lenny-allein-in-berlin-taxifahrer-bringt-jungen-wieder-zur-mama,U589I0M)
in unserem Artikel ist das nur verkürzt dargestellt. Es stimmt, dass das Ticket versehentlich in die falsche Richtung gebucht war. Die Buslinie ist nämlich dieselbe.
Viele Grüße
Barbara Herrmann
Sooo schlecht ist die Welt auch nicht, dass ein Bub in Berlin gleich geklaut wird!? Was würden die dortigen Schulkinder sonst machen? Nur mit Taxi(Mama) fahren???
Im Sinne der journalistischen Genauigkeit: die Mutter von Lenny ist Altenpflegerin, keine Krankenschwester.
Lennys Mama arbeitet als Nachtschwester im Krankenhaus.
Viele Grüße
Barbara Herrmann
Viele Grüße
Barbara Herrmann
Schöne Geschichte.
Eines meiner Kids hätte ich zum nächstmöglichen Ausstieg aufgefordert, um den Notruf zu wählen, weil man unserer Polizei in der Regel gut vertrauen kann.
gez. Ronald König