zurück
Kitzingen
Familie in Not: Mutter starb nach Herzstillstand, jetzt steht für drei kleine Kinder und den Vater Weihnachten bevor
Seit dem plötzlichen Tod seiner Partnerin im Februar ist Enrico K.s Welt eine andere. Wie geht es dem alleinerziehenden Vater und den drei kleinen Kindern?
Skeptischer Blick gegenüber Fremden: Enricos 'großer' Sohn will offensichtlich nicht mehr weg von seinem Papa.
Foto: Enrico K. | Skeptischer Blick gegenüber Fremden: Enricos "großer" Sohn will offensichtlich nicht mehr weg von seinem Papa.
Diana Fuchs
 |  aktualisiert: 15.12.2024 15:46 Uhr

Von doppeltem Glück bis zu unfassbarem Leid – kein Monat lag dazwischen. Manchmal fragt Enrico K. sich, warum die Welt über ihm eingestürzt ist. "Was habe ich verbrochen?" Er erzählt vom großen Glück, das er am 18. Dezember 2023 erlebte: Er und seine 37-jährige Partnerin Tanja aus Repperndorf wurden Eltern von Zwillingen. Zwei Brüderchen für den knapp zweijährigen gemeinsamen Sohn und für Tanjas drei ältere Mädchen aus früheren Beziehungen. "Wir waren so happy zusammen."

Am 8. Januar wollten Enrico und Tanja zum Standesamt, um den Vater der Zwillinge in die Urkunden eintragen zu lassen. "Das hatte sich wegen der Weihnachtsfeiertage ein bisschen verzögert", sagt Enrico K. "Aber jetzt sollte Ordnung in unser Leben kommen. Wir wollten bald heiraten."

Zu Boden gefallen und bewusstlos liegengeblieben

Statt Ordnung kam ein Wechselbad der Gefühle.  Am Morgen des  7. Januar erlitt Tanja eine Lungenembolie, die aufs Herz ausstrahlte. "Sie hatte die Zwillinge gestillt und wollte dann zur Toilette gehen. Nach dem Aufstehen fiel sie zu Boden und blieb bewusstlos liegen." Sie wurde in Würzburg notoperiert. Enrico K. stand schockiert und mit sechs Kindern da, darunter zwei Säuglingen, denen plötzlich die Muttermilch fehlte.  

Die Zwillinge und ihr großer Bruder (rechts) sind ein cooles Trio und halten den Papa auf Trab.
Foto: Enrico K. | Die Zwillinge und ihr großer Bruder (rechts) sind ein cooles Trio und halten den Papa auf Trab.

Wochenlang kämpften die Ärzte um Tanjas Leben, Enrico besuchte sie täglich. Sie wurde an die Herz-Lungen-Maschine angeschlossen, ins Koma versetzt, nach einem Herzstillstand reanimiert. In einer Fachklinik in Bad Oeynhausen gaben Herzspezialisten alles, doch sie konnten Tanja nicht retten. Am 12. Februar starb sie.

Nicht nur in Repperndorf und Mainbernheim, wo sie gelebt und gearbeitet hatte, war die Bestürzung groß. "Horror, Horror, Horror", sagt Enrico K., wenn er an diese Zeit denkt. Mitarbeiterinnen des Jugendamtes kamen und nahmen die drei Kleinen vorübergehend in Obhut, brachten sie in Pflegefamilien. "Ich sehe heute noch die ängstlichen Augen unseres Zweijährigen, als ich ihn loslassen musste." Da Tanja keine Dokumente und Anträge mehr unterschreiben konnte, war Enrico K. offiziell zwar der Vater des Zweijährigen, aber nicht der Neugeborenen.  

Enrico K. und der größte seiner drei kleinen Söhne beim Spätsommerspaziergang.
Foto: Enrico K. | Enrico K. und der größte seiner drei kleinen Söhne beim Spätsommerspaziergang.

"Es begann ein langer Kampf." Mit Freunden und Familienmitgliedern brachte Enrico K. die Repperndorfer Wohnung so weit auf Vordermann, dass die Mädels dort bleiben konnten. "Ich habe ja kein Sorgerecht für sie, da sie leibliche Väter haben. Aber ich hoffe, sie bleiben mit mir und mit ihren kleinen Brüdern immer verbunden."

Er selbst fasste "schweren Herzens" den Entschluss, die Patchwork-Familie auseinanderzureißen, denn in Retzbach – dem Ort, in dem er seit 1993 lebte und arbeitete – kann er eine Betriebswohnung nutzen. Bei seinem Arbeitgeber beantragte er Elternzeit bis März  2025. Vier Wochen nach Tanjas Tod konnte der Vater seinen zweijährigen Sohn zu sich holen. 

Zum Verrücktwerden: Vaterschaftstest und Antragsmarathon

Mit den Zwillingen war es komplizierter. "Man traute mir wohl das Aufziehen von zwei Säuglingen in meiner Situation nicht unbedingt zu. Hinzu kam die fehlende Vaterschaftsanerkennung." Das Jugendamt gab den Fall ans Gericht. Das Würzburger Gericht delegierte weiter an die Kitzinger Kollegen.

Die schickten Enrico K. im Juni zu einem Vaterschaftstest an die Uniklinik. "Jeder kleine Schritt von Ämtern und Gerichten dauerte Wochen – zum Verrücktwerden." Langsam ging K. das Ersparte aus. "Ich konnte nur hoffen, dass ich bald Kinder- und Elterngeld beantragen kann."

Der große Bruder, der im Dezember drei Jahre alt wird, spielt gern mit seinen kleinen Zwillingsbrüdern, die ebenfalls im Dezember Geburtstag haben – ihren ersten.
Foto: Enrico K. | Der große Bruder, der im Dezember drei Jahre alt wird, spielt gern mit seinen kleinen Zwillingsbrüdern, die ebenfalls im Dezember Geburtstag haben – ihren ersten.

Während des Wartens richtete der 51-Jährige zusammen mit Freunden den Garten für die Jungs her.  Aus Holzresten, Material- und Sachspenden baute er einen Sandkasten, ein Baumhaus, einen neuen Zaun. Er erzählt: "Im Juli entschieden das Gericht, anschließend das Jugendamt und ich gemeinsam, die Zwillinge langsam an die neue Situation und Umgebung zu gewöhnen. Das zog sich bis Ende August hin."

Seit Anfang September sind die drei Jungs und ihr Vater nun wieder vereint. Mit den Pflegeeltern der Kinder besteht nach wie vor sehr guter Kontakt. Enrico K. stellt fest: Auch wenn er manchmal "ein bisschen wenig Schlaf" abbekommt, funktioniere die Papa-Jungs-WG gut.

Auto verkauft, um wieder "etwas Geld in der Tasche zu haben"

Viele Menschen, Kollegen und Freunde, seine Schwester und die Eltern halfen und helfen Enrico K., wofür er sehr dankbar ist. "Ich will den Jungs ein sicheres Zuhause geben." Anfangs habe er gedacht, dass die Anträge auf Kindergeld, Elterngeld und Halbwaisenrente schnell bearbeitet und genehmigt werden. Doch die Wochen vergingen "und nichts geschah".

Mittlerweile hat der Retzbacher sein Auto verkauft, "um wieder etwas Geld in der Tasche zu haben und ein paar überreizte Konten auszugleichen". Er kann das Auto seines Vaters mitnutzen. Doch auch die Einnahmen aus dem Fahrzeugverkauf sind schon fast wieder verbraucht. 

Enrico K. sagt: "Ich wollte nie Bürgergeld beziehen müssen. Aber jetzt werde ich wohl doch zum Sozialamt gehen müssen. Die Feiertage stehen vor der Tür und ich möchte den Jungs zumindest ein kleines bisschen Weihnachten bieten können." Der dreifache Vater hofft inständig, "dass die Anträge bald durchgehen. Sonst weiß ich nicht, wie ich die Krippenplätze für die Zwillinge ab Januar bezahlen soll: zweimal 270 Euro pro Monat. Und wenn die Jungs nicht in die Krippe gehen, kann ich auch nicht wieder arbeiten gehen."

"Innerlich weiß ich, dass ich Tanja wiedersehe. Ich glaube, der Tod ist der Schritt zum nächsten Level, eine zeitliche Trennung."
Enrico K., der seine Partnerin verlor

Zu den Geldsorgen kommt immer wieder eine große Traurigkeit. Halt schenken ihm dann seine  "Zwerge", wie er die Jungs liebevoll nennt. "Wenn sie lachen, wird alles andere Nebensache." Und wenn er es gar nicht mehr aushält, geht er in den Wald. "Dort lehne ich mich an einen Baum und bleibe einfach so stehen."

Leise stellt Enrico K. fest: "Innerlich weiß ich, dass ich Tanja wiedersehe. Ich glaube, der Tod ist der Schritt zum nächsten Level, eine zeitliche Trennung. Wir sehen uns alle wieder, in einer anderen Zeit, auf einer anderen Ebene."

Dieses Jahr sei er oft an seine Grenzen geführt worden. Doch Enrico K. will Alleinerziehenden trotz aller Schwierigkeiten Mut machen. "Kämpft, gebt alles. Ein einziges Lächeln eurer Kinder am Tag ist so viel wert und gibt so viel Kraft."

Was ihm durch den Kopf geht, wenn er an die Zukunft denkt? "Ich habe nie genau gewusst, was der Sinn des Lebens, meines Lebens, war – bis jetzt", sagt Enrico K. mit fester Stimme. "Wir haben diesen kleinen Geschöpfen das Leben geschenkt. Nun muss, darf und will ich ihnen den besten Start ermöglichen und alles dafür geben, dass diese Generation vielleicht sinnvoller mit diesem Planeten umgeht als wir."

Was aus dem Geld der Spendenaktion wird

Die Stallgemeinschaft vom Mainbernheimer Zykloopenhof, auf dem die gestorbene Mutter gearbeitet hat, hat eine Spendenaktion für die sechs Kinder ins Leben gerufen. Es sind gut 20.000 Euro zusammengekommen. Mit dem Jugendamt wurde vereinbart, dass die Kinder ihren jeweiligen Anteil nach ihrem 18. Geburtstag bekommen.
Quelle: ldk
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Kitzingen
Diana Fuchs
Alleinerziehende Mütter
Instagram-Inhalte
Pflegefamilien
Vaterschaftstests
Weihnachtsfeiertage
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • Dirk Böhm
    Kann man denn nicht auch akut für jetzt was spenden?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Diana Fuchs
    Liebe Leser,
    kurz zum Spendenkonto: Die Initiatoren der Go-fund-me-Aktion möchten, dass das gesammelte Geld gerecht unter allen sechs Kindern der verstorbenen Mutter aufgeteilt wird und dass es ihnen jeweils als "Startgeld" ins Erwachsenenleben dient. Das älteste Kind wird seinen Anteil schon bald erhalten.
    Im Übrigen arbeiten wir, die Redaktion der MainPost, gerade an einem Artikel, in dem generell erklärt wird, wie Spendenaktionen auf Portalen im Internet funktionieren und welche Kosten sowie Verantwortlichkeiten dabei entstehen.
    GLG Diana Fuchs
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Peter von der Tann
    Op alle gesetze SINNVOLL sind ???
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Dörthe Pelzer
    Die Kinder benötigen das dann wertlose Spendengeld nicht in ferner Zukunft sondern jetzt!!! Die Spender wollen doch in so einer furchtbaren Situation aktuell dem Vater helfen, mit der Spende die Kinder zu ernähren und groß zu ziehen!! Das müsste erst recht im Interesse des Jugendämter sein!!!?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Thomas Friedrich
    Gogglen Sie mal mündelsicher, betrifft im übrigen auch alle Eltern, das Jugendamt hat damit nichts zu tun....siehe meinen Beitrag unten.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Thomas Friedrich
    Geld welches zugunsten Kindern angelegt oder gespendet wird muss mündelsicher angelegt werden, dafür gibt es Gesetze, Eltern oder sonstige Sorgeberechtigte sind nur die Verwaltenden.
    Ja, in diesem Fall, wahrscheinlich gibt es noch andere ähnliche Fälle, sagt einem das Herz und der Bauch, ja,der alleinerziehende Vater braucht das Geld jetzt und sofort, er ist eh mehr als bewundernswert.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Dörthe Pelzer
    Ist das Spendenkonto denn explizit zur Auszahlung an die Kinder im Alter von 20 Jahren eingerichtet?
    Oder allgemein für die aktuelle Lebenssituation der Kinder? Dann wäre die Spende im Alter von 20 Jahren ja wertlos pro Kind und das kann doch nicht vom Spender so gewollt sein?!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Thomas Friedrich
    Beispiel: auch das Mädchen, welches bei der Messerattacke in WÜ seine Mutter verloren hat, bekommt das gespendete Geld erst an ihrem 18. Geburtstag.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Sabine Helfrich
    20.000€ geteilt durch sechs… also 3333 € pro Kind - was ist dieses Geld in einem oder bei den Zwillingen in zwei Jahrzehnten noch wert? wäre es nicht sinnvoller die Familie damit JETZT mit dem zu unterstützen, was notwendig ist ?!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Martin Deeg
    Vor allem stellt sich die Frage, was das Jugendamt da mitreden zu hat.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Martin Deeg
    Leider verstößt der Kommentar gegen die Kommentarregeln auf mainpost.de. Wir haben den Kommentar deshalb gesperrt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten