
Die Nachricht kam mehr oder weniger verschlüsselt: eine dürre Zeile in der Tagesordnung der Kitzinger Stadtratssitzung an diesem Donnerstag. Unter Punkt 2 heißt es: "Niederlegung des Stadtratsmandates von Herrn Georg Wittmann". Der Freie-Wähler-Stadtrat und Immobilienentwickler wird Ende Juli aus dem Gremium scheiden. Wittmann geht, wie es seine Art ist. Ohne Lärm. Ohne Ansage. Ohne großes Tamtam. Man könnte fast sagen: heimlich, still und leise.
Der Abgang zur Hälfte der sechsjährigen Wahlperiode kommt überraschend und doch nicht gänzlich unerwartet. Wenn man die näheren Umstände betrachtet, ist die Entscheidung sogar logisch und nachvollziehbar.
Bei der Kommunalwahl gab Wittmann als Beruf "Rentner" an
Wittmann selbst sagt auf Nachfrage der Redaktion nur so viel: "Ich bin in meinem 75. Lebensjahr. Da muss man den Platz für die Jugend frei machen." Tatsächlich wird Wittmann im November 75 Jahre alt. Aber wer ihn nahezu täglich auf dem Main rudern sieht, wird feststellen, dass der Kitzinger Geschäftsmann, der bei der Kommunalwahl 2020 als Berufsbezeichnung "Rentner" angab, so rüstig und vital ist wie eh und je. Sein Sohn Dirk sitzt seit 2020 für die Gruppierung ProKT ebenfalls im Stadtrat.
Vielleicht muss man, um die Sache zu durchblicken, wissen, wie Wittmann senior im März 2020 zu seinem Mandat kam. Besser gesagt: wie das Mandat zu ihm kam. Er hatte sich breitschlagen lassen zu kandidieren, auf dem vorletzten Platz der Liste von FW/FBW. 30 Namen, Wittmann war der 29. – und die Wahrscheinlichkeit, in den Stadtrat einzuziehen, war höchst gering. Das war das Kalkül. Doch wider alle Berechnung versorgten ihn die Kitzingerinnen und Kitzinger mit reichlich Vertrauen: 1978 Stimmen, die drittmeisten seiner Gruppierung. Was irgendwie wieder einmal typisch war für diesen Mann.
In seinem Büro hängt ein Schild, darauf der Spruch: "Alle sagten: Das geht nicht. Dann kam einer, der wusste das nicht und hat es einfach gemacht." So war das 2015, als er quasi nur dem Augenschein nach die frühere US-Wohnsiedlung Marshall Heights kaufte. So war das 2020, als er aus dem Nichts in den Stadtrat einzog. So war das mit vielen anderen Projekten.
Wittmann ist ein Mann, der oft einfach nur macht. Das ist seine größte Stärke – und seine größte Schwäche. Manchmal diplomatischer und verschlossener aufzutreten ist ein Rat, den ihm viele gegeben haben und immer noch geben. Aber Wittmann taugt nicht zum Schauspieler, er ist einfach er selbst. Er trägt sein Herz auf der Zunge. Diese Authentizität hat ihn manchen Erfolg gekostet und ihm einigen Ärger beschert.
Verbiegen lässt er sich trotzdem nicht. Ein Handschlag zählt für ihn, den zum ehrbaren Kaufmann erzogenen Ur-Kitzinger, im Zweifel mehr als der zweite Relativsatz in katalogdicken Verträgen. Er hätte schon 2020, nach der Wahl, das Mandat ablehnen können. Doch aus Pflichtgefühl gegenüber allen, die ihn gewählt hatten, nahm er die Herausforderung an. Er wollte seine Wähler nicht enttäuschen.
Die Schwarzbau-Vorwürfe haben Wittmann hart getroffen
Drei Jahre saß Wittmann nun auf seinem Platz im Stadtrat, doch das Gremium blieb ihm in all dieser Zeit fremd. Wittmann ist – auch in seinem 75. Lebensjahr – immer noch ein Tatmensch, der die Hilflosigkeit erleidet, wenn vielfach nur geredet wird. Wenn nichts vorangeht. Wenn man sich wieder und wieder im Kreis dreht. Und dann kamen auch noch – wie beim Umbau des Wohn- und Geschäftshauses am Kitzinger Marktplatz – Angriffe, die ihn in seiner Integrität als Geschäftsmann und seiner Rolle als Vorbild im Stadtrat trafen. Schwarzbau-Vorwürfe wurden gegen ihn erhoben, weil er vier Gauben im Dachgeschoss ohne Genehmigung errichten ließ. Die Sache ist noch immer nicht geklärt.

Auch bei der Gestaltung des neuen Stadtteils Marshall Heights wollte die Stadt plötzlich umfassend mitreden – obwohl sie es zuvor versäumt hatte, das Areal selbst vom Bund zu erwerben. Von einem seiner Herzensprojekte, dem Bau der Einkaufsgalerie unterhalb der Marshall Heights, hat sich Wittmann inzwischen getrennt, nachdem das Vorhaben lange auf der Kippe gestanden hatte und im ersten Anlauf durchgefallen war.
Wittmann verlässt das Gremium ohne Getöse und übergibt das Feld einem alten Bekannten: Dietrich Hermann aus Repperndorf. Der Spargelbauer und Landwirt saß schon einmal (von 2014 bis 2020) für die Freien Wähler im Stadtrat und gilt im Kitzinger Stadtteil als "Gehsteigbürgermeister". Mit seinen 56 Jahren wird Hermann also derjenige sein, dem Wittmann so bereitwillig den "Platz für die Jugend" einräumt.
Aus Ehrlichkeit seinen (!) Wähler gegenüber hätte er damals schon nicht antreten sollen (dürfen). Jetzt zu gehen ist seinen Wählern gegenüber nicht ehrlich. DAFÜR haben sie ihn nicht gewählt. Er sollte seinen Wählern gegenüber verpflichtet sein.
Bedarf es daher nicht auch eines triftigen Rücktrittsgrunds?