Den Tag des offenen Denkmals gibt es hierzulande seit 1993. Jeden zweiten Sonntag im September bietet er spannende Ein- und Ausblicke, nicht nur für historisch Interessierte. Tief in die Geschichte können Besucher eintauchen, aber auch neue Perspektiven entdecken, etwa wenn alte Bauwerke zeitgenössisch restauriert wurden. Wir haben sieben Objekte ausgewählt, die wir für interessant genug halten, dass sich ein Besuch lohnt. Eines dieser Bauwerke kann leider nur digital besichtigt werden.
1. Die Schmiedel-Villa in Kitzingen
An der markanten Stadtvilla ist sicherlich jeder schon vorbeigefahren. Sie steht an der Ecke Schmiedelstraße/Wörthstraße direkt an der B8. Richtig zur Geltung kommt das Gebäude aber erst wieder, seitdem es der Immobilienentwickler Wolfgang Rosentritt aufwändig saniert hat. Ein anderer Investor plante 2016 den Abriss der Villa und auf dem Areal den Bau eines eher nüchternen Biomarkts gegenüber dem prachtvollen Luitpoldbad. Im gleichen Jahr wurde das 1865 errichtete Gebäude, einst Heimstatt des Kitzinger Bürgermeisters Andreas Schmiedel, in die Denkmalliste aufgenommen. Rosentritt machte aus dem Objekt das, was es verdiente: ein kleines Schmuckstück.
Lange Zeit war dort die Traditionswirtschaft "Traudl's Schubkarren" untergebracht. Rosentritt ließ das Erdgeschoss zu Büros und das Obergeschoss zu Wohnungen umbauen. Der frühere Wirt und Pächter Horst Issig wird nicht mehr erleben, was aus seinem einstigen Lokal geworden ist: Er ist vor einiger Zeit gestorben. Am Tag des offenen Denkmals wird ein Vertreter der Firma Rosentritt die jüngere Historie und die Sanierungsschnitte vorstellen. Informationen aus erster Hand also.
Von dort startet um 15 Uhr auch eine zweistündige Führung mit Stadtheimatpfleger Harald Knobling, die als Zweites Station im Erweiterungsbau des Rathauses macht und auf dem Turm der evangelischen Stadtkirche endet.
2. Der Erweiterungsbau am Kitzinger Rathaus
Es scheint eine ewige Baustelle: Seit Anfang 2017 wird am Anwesen Kaiserstraße 17 unmittelbar neben dem barocken Rathaus gewerkelt, und mancher stellt sich zurecht die Frage: Was passiert da hinter der unscheinbaren Fassade? Die Antwort ist: sehr viel. Die Stadt hat das Anwesen 2012 gekauft, seitdem ist viel geredet, diskutiert und geplant worden, aber durchaus auch einiges passiert. Kaum einer weiß, dass das Objekt aus dem späten 16. Jahrhundert stammt, fertig gestellt 1593, also 30 Jahre nach dem historischen Rathaus. In dem Gebäude wurden Balkenfassungen aus dem 16. Jahrhundert entdeckt, barocker Putz aus dem 18. Jahrhundert sowie Lehmputz und eine Treppe mit Holzgeländer aus dem 19. Jahrhundert, dazu Bohlen-, Balken- und Stuckdecken, die bei der Sanierung erhalten bleiben sollen.
Was soll aus dem Gebäude aber jetzt werden? Das Naheliegende, nämlich zusätzliche Räume für das direkt angrenzende Rathaus. Hauptamtsleiter Ralph Hartner sagte unlängst im Stadtrat, er verwalte den Mangel. Das Raumprogramm im Rathaus sei katastrophal und "keine Situation, auf die man stolz sein kann". Grundsätzlich war der Stadtrat den Weg der Erweiterung schon mitgegangen, als er zugestimmt hatte, das Gebäude Kaiserstraße 17 zu kaufen. Doch erst 2017 startete die Sanierung des denkmalgeschützten Objekts, das lange als Wohn- und Geschäftshaus genutzt wurde und danach leer stand. Künftig soll es der Verwaltung auf 250 Quadratmetern vier neue Nutzungsebenen eröffnen. Besucher können sich selbst ein Bild vom Stand der Sanierung machen.
3. Die Alte Synagoge am Kitzinger Mainufer
Eingeworfene Fenster und ein undichtes Dach: Wer Anfang der 1980er-Jahre in der Kitzinger Landwehrstraße an der ehemaligen Synagoge der Stadt vorbeikam, fand einen trostlosen Anblick vor. Der einst prachtvolle, 1883 eingeweihte Bau war in der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 von Kitzinger Nazis zunächst verwüstet und dann in Brand gesteckt worden. Nach 1945 wurde die Ruine nur notdürftig gesichert und danach lange Jahre zweckentfremdet genutzt.
Wenn die frühere Synagoge heute als „Alte Synagoge“ ein Zentrum des kulturellen Lebens in Kitzingen ist und wenn hier immer wieder auch der jüdischen Geschichte der Stadt gedacht werden kann, so hat das wesentlich mit dem Engagement von Frauen und Männern zu tun, die sich 1982 zusammenfanden, um den endgültigen Verfall des Gebäudes zu stoppen und einen Abriss zu verhindern. Es war die Geburtsstunde des „Fördervereins ehemalige Synagoge Kitzingen“. Seit der Eröffnung der Alten Synagoge 1993 nach dreijähriger Sanierung macht der Verein immer wieder mit Veranstaltungen und Ausstellungen von sich reden: Jüdische Künstler zeigen ihre Werke, Lesungen und Konzerte werden organisiert.
Zum Tag des offenen Denkmals lädt der Förderverein zu zwei kostenlosen Hausführungen (11 und 16 Uhr) ein. Daneben ist im unteren Foyer von 10 bis 17 Uhr die Ausstellung „Jüdische Portraits. Fotografien von Herlinde Koelbl“ zu sehen.
4. Die Mauritiuskirche in Wiesentheid
Kaum ein Bauwerk im Landkreis würde sich besser für das Motto des diesjährigen Denkmaltages eignen als die Mauritiuskirche. Schein und Sein – dieser Kontrast spiegelt sich vor allem in der prächtigen Kuppel wider. Die Illusionsmalerei des Italieners Giovanni Francesco Marchini ist nach Angaben der Kirchenverwaltung einzigartig nördlich der Alpen. 1727 bis 1732 nach Plänen Balthasar Neumanns erbaut, gilt die Kirche mit ihren aufwändigen Wandmalereien als Juwel unter den barocken Bauwerken Unterfrankens und als Meisterwerk der Architektur. Das Deckenfresko erscheint seit der umfangreichen Restaurierung des Gotteshauses von 2012 bis 2017 wieder in besonderem Glanz.
Die Handwerkskunst der Illusion und die Originalität der Denkmäler sollen beim Tag des offenen Denkmals im Mittelpunkt stehen. Das Programm startet am Sonntag um 14.30 Uhr im Pfarrhaus neben der Kirche mit einem Workshop "3D Malen". Hier bietet Gymnasiallehrerin Claudia von Hayek einen Exkurs in die Illusionsmalerei. Um 15.30 Uhr schließt sich eine Kirchenführung an. Der Architekt und Kunsthistoriker Georg Böswald von Brunn referiert um 16.30 Uhr über "Scheinarchitekturmalerei in St. Mauritius Wiesentheid". Ab 18 Uhr gibt Regionalkantor Christian Stegmann ein Orgelkonzert.
5. Die Ausgrabungsstätte bei Dornheim
Noch ist es ein Rätsel, vor dem die Archäologie steht. Noch tagt zwischen Dornheim und Hellmitzheim regelmäßig das Scherbengericht. Aber irgendwann soll das Puzzle, das im Staub unscheinbarer Äcker verborgen liegt, gelöst sein. Dann wird es Antworten geben auf Fragen wie: Was hat die Menschen im frühen Mittelalter veranlasst, gerade hier zu siedeln? Wie sahen Wohn- und Arbeitswelt aus? Über welche Mittel und Werkzeuge verfügten die Leute in ihrem Alltag? Seit 2012 graben sich die Archäologen an der Quelle des Zettelbachs bei Dornheim durch die Erde – immer auf der Suche nach Spuren früher Besiedlung. 2018 dann die kleine Sensation: Reste einer Merowinger-Siedlung aus dem 6. bis 8. Jahrhundert.
Jetzt kann man den Archäologen bei ihrer Arbeit über die Schulter blicken, erstmals am Tag des offenen Denkmals. Zwischen 10 und 16 Uhr gibt es direkt an der neuen Grabungsstelle zwischen Dornheim und Hellmitzheim im "Dornheimer Grund" Informationen aus erster Hand über die ersten Franken. Der Weg ist von Hellmitzheim aus beschildert.
In dem etwa 100 Quadratmeter großen Grabungsschnitt habe sich eine archäologische Struktur von neuneinhalb Metern Länge und fünf Metern Breite gezeigt, heißt es seitens der Fachleute. Dabei handelt es sich um zwei sich schneidende Grubenhäuser unterschiedlicher Größe. Jetzt wird eine anschließende Fläche untersucht. Die meisten Kleinfunde, zu denen neben Keramik- und Tierknochenfragmenten auch Objekte aus Glas, Bein, Bronze und Eisen gehören, stammen aus den Füllschichten beider Häuser.
6. Die alte Schule in Füttersee
1796 eingeweiht, diente das Gebäude im Geiselwinder Ortsteil direkt neben der St.-Laurentius-Kapelle bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts den Kindern des Dorfes als Schulhaus und den Lehrern auch als Wohnhaus. Viele Jahre stand es leer, die Kirchengemeinde wusste nicht, was sie mit dem Gebäude anstellen sollte. Ideen und Pläne gab es, doch sie scheiterten immer wieder an den Kosten. 2004 dann die gute Nachricht: Ein Großteil der auf 400 000 Euro geschätzten Sanierungskosten war durch Zuschüsse gedeckt. Der Umbau zum Gemeinschaftshaus konnte beginnen. Heute ist es ein Kleinod in dem 200-Seelen-Ort.
7. Der Schiefe Turm von Kitzingen
Zu übersehen ist er nicht mit seinen stattlichen 52 Metern, aber erst auf den zweiten Blick offenbart sich seine Besonderheit: die schiefe Haube, um die sich viele Legenden ranken. Erbaut wurde der Falterturm zwischen 1469 und 1496 als Befestigungs- und Wachturm der äußeren Kitzinger Stadtmauer. Heute ist er als Baudenkmal geschützt und im Eigentum der Stadt Kitzingen. Mit seinen sieben Stockwerken beherbergte der Turm seit 1966 das Deutsche Fastnachtsmuseum, doch dann gab es vor zehn Jahren ernsthafte Probleme wegen des fehlenden Brandschutzes.
Wie die Geschichte weiterging, ist bekannt: Das Fastnachtsmuseum bekam in der Luitpoldstraße eine eigene schicke Heimstätte, der Turm ist seit Jahren für die Öffentlichkeit geschlossen. Zu den dort ausgestellten Objekten gehörte einst auch die älteste Narrenkappe Deutschlands von 1840. Das passte zu dem Turm mit der schiefen Haube, der wie eine Karikatur seiner selbst wirkt. Leider gibt es nur eine "digitale Führung" durch den Turm.