Eigentlich suchte der umtriebige Informatiker Mario Pierl vor etwa zehn Jahren in Volkach nur ein Lager für seine Firma. Möglichst in Altstadtnähe. Konnte ruhig alt sein. Nicht teuer, nicht groß. Was er gefunden hat, entpuppte sich dann als "Schatz aus dem Mittelalter". So erzählt er es heute selbst.
Vor gut 30 Jahren ist Pierl aus Würselen (Aachen) in den Landkreis Kitzingen gezogen: "der Liebe wegen". Handwerklich sehr begabt, renovierte er kurze Zeit später in Astheim ein altes Häckerhaus. Da dieses mit der Zeit der Familie zu eng wurde, kam das nächste aufwändige Projekt: das Alte Badhaus in der Volkacher Altstadt. Heute ist es sein Wohnsitz – und ein Vorzeigeobjekt im Stadtbild.
In unmittelbarer Nachbarschaft hatte er in der Kirchgasse ein "uraltes Haus" entdeckt. Es gehörte der Stadt und entsprach eigentlich seinen Vorstellungen als Lagerhaus. Eine Gebäudebegehung mit dem damaligen Bürgermeister Peter Kornell und weiteren Verantwortlichen der Stadt verhieß allerdings nichts Gutes. Das Haus war schlichtweg abbruchreif. "Der statische Zustand lag auf einer Benotungsskala von eins bis sechs bei fünf Minus", sagt der zwischenzeitlich zum Fachmann gewordene Mario Pierl.
Ursprünglich ging man davon aus, dass das Haus aus dem 18. Jahrhundert stamme, was aber auf keinen Fall stimmen konnte. "Im Dachstuhl erkannte man noch eine sogenannte Gotische Verblattung, eine Technik der ineinandergreifenden Holzverbindung mit Holznägel", sagt der Hausherr. Für Pierl der eindeutige Hinweis, dass das Anwesen im 15. Jahrhundert entstanden sein muss, da dies die damals gängige Bauweise war.
Eine dendrochronologische Untersuchung, mit der die Wissenschaft das Alter des Holzes ermitteln kann, bestätigte seine Vermutung. Also doch: Mittelalter! "Mir war klar: Das ist ein Denkmal. Da kann man kein Lager reinmachen! Dieses Haus muss eine besondere Verwendung finden!"
Pierl bot der Stadt an, das Haus eigenständig zu renovieren, wenn er es kaufen könnte. Der Stadtrat fand die Idee gut und stimmte sofort zu. Altbürgermeister Peter Kornell spricht heute von einer "Win-Win-Situation". Für Mario und Ulrike Pierl war nun der erste Ansatz, dass das Haus den Status eines Denkmals bekam. Nach diversen Untersuchungen wurde es in die Denkmalliste als "denkmalwürdig" aufgenommen. 2014 war es dann soweit: Das Haus erhielt offiziell den Status eines Denkmals. "Jetzt konnten wir es denkmalgerecht herrichten. Ohne irgendeinen Zeitzwang."
In Friedrich Staib fand die Familie einen Architekten, dessen Spezialgebiet Denkmäler waren, und einen Zimmermann, der die hohe Kunst der Verblattung (Verbinden der Balken) beherrschte. "Ich brauchte keinen, der mit der Kettensäge arbeitet", sagt Pierl. Drei Ebenen hatte das Haus. Unten wurden früher hauptsächlich die Vorräte gehalten, im ersten Stock war die "Belle Etage", also der Wohnbereich. Im Barock hatte man sehr viele Mauern eingezogen, um mehrere kleine Räume zu erhalten, so auch in diesem Fall. "Diese Mauern habe ich entfernt, da sie mit zu hohem Gewicht auf den Fußboden drückten." Ein Unterzug war schon durchgehangen "wie eine Banane".
Der Begriff "Sein und Schein" war auch an diesem Haus zu erkennen. Hatte man im Mittelalter Fachwerk gezeigt, wurde es im Barock wieder überputzt, um den Anschein zu erwecken, dass es ein hochwertiges Haus war. "Ich wollte die Barockzeit herausnehmen und das Mittelalter wieder hereinbringen", erzählt Hausherr. Der Innen- und Außenputz wurde in langer Arbeitszeit abgenommen. Manpower war gefragt. Das Fachwerk wurde freigelegt. Die Zwischenräume wurden dann mit Lehmstrohziegeln (Ziegel, die nicht gebrannt, sondern getrocknet sind) und Lehmmörtel wieder zugemauert. "Eine Schmuddelarbeit, im wahrsten Sinne des Wortes", sagt Pierl.
"Schatzkästchen" nennt er dann das Dachgeschoss, wo der Giebel noch zu fast 95 Prozent aus dem Original, einem etwa 500 Jahre alten Balken, besteht. "Der Giebel hing nach hinten", erinnert sich Ulrike Pierl. "Der Zimmermann hat ihn wieder geradegezogen. Das ist das Tolle an Fachwerkbauten, dass man so was machen kann." Das Thema Heizung war auch bald erledigt: Eigentlich wollten die Pierls mit Erdwärme heizen. Ein Antrag auf Bodenlöcher war bereits in Planung. Doch dann kam das Aus: Da das Grundstück früher einen Friedhof beherbergte, wollte man aus Pietätsgrüngen nicht bohren.
"Es war früher so, dass immer um die Kirche herum der Friedhof lag. Und wir sind hier ja in direkter Nachbarschaft zur Kirche", erklärt Mario Pierl. Also entschied man sich für eine Gasheizung. Durch die besondere Art der Innendämmung ist der Energiebedarf fast niedriger als bei einem Neubau. Es ist offensichtlich, dass Mario Pierl ein Verfechter der Sanierung alter Häuser ist. "Man hört immer wieder, dass die Bürger vor den angeblich hohen Kosten der Renovierungsmaßnahmen zurückschrecken", sagt er. "Das ist aber nicht so."
Der Fachann Pierl macht aus den Baukosten kein Geheimnis, sondern legt offen eine Kostenaufstellung in seinem Ausstellungsraum vor: Gesamtkosten 243 000 Euro. Nach Abzug der Zuschüsse bleibt eine Investitionssumme von 200 000 Euro. "Wir könnten hier in Volkach noch sehr viel Wohnraum schaffen, wenn sich das durchsetzen würde. Hier gibt es so viele uralte Häuser", stellt er fest
Auf die Frage, warum das Objekt jetzt "Haus der Quitte" heißt, sagt er, dass er dieses absolute Schmuckstück keinesfalls vermieten und in fremde Hände geben wollte. Ihm sei es ein Herzensanliegen, mit dem hier ansässigen "Quittenpabst" Marius Wittur das Rekultivierungsprojekt "Alte Quittensorten" zu verfestigen, "was wir dieser großen Obstbauregion schuldig sind". Am kommenden Sonntag, 12. September, kann das Gebäudes beim Tag des offenen Denkmals besichtigt werden.