zurück
Kitzingen
Naturtrüber Wein von Kitzinger Paar: Warum die Flaschen in die Welt gehen, aber nicht Frankenwein draufsteht
Die "2Naturkinder" Michael Völker und Melanie Drese produzieren in Kitzingen international nachgefragten Naturwein, der schon mal "Fledermaus" heißt. Wie es dazu kam.
Melanie Drese und Michael Völker produzieren Naturweine im elterlichen Weingut in Kitzingen.
Foto: Thomas Obermeier | Melanie Drese und Michael Völker produzieren Naturweine im elterlichen Weingut in Kitzingen.
Folker Quack
 |  aktualisiert: 19.11.2024 02:42 Uhr

Ein riesiger Bocksbeutel prangt an der Hauswand der ehemaligen Weinkellerei Bernhard Völker in der Nähe des Kitzinger Bahnhofs. Das Eingangtor schmückt eine stilisierte Weintraube, in das Fenstergitter am Eingang ist ein kleiner Bocksbeutel geschmiedet. Nur die beiden Regenbogenfahnen, die an der Einfahrt flattern, lassen erahnen, welcher Wind hier mittlerweile weht. Fast könnte man meinen, die "2Naturkinder" verstecken sich ein wenig hinter der altehrwürdigen Fassade ihres Weinguts.  

Zumindest kennt man den Naturwein, den sie hier ausbauen, aber gar nicht so nennen wollen, in Tokio oder Paris offenbar besser als in Kitzingen oder Würzburg. Und eine Touristin aus New York suchte schon mal im großen Hof nach den "2Naturkindern", deren Weine sie in den USA so gerne trinke, und fragte ungläubig, ob sie hier überhaupt richtig sei.  

Kitzinger Weinkellerei des Vaters: Geschäftsmodell ohne Zukunft?

Weinproben mit Häppchen hätten ihn als Jugendlichen nicht so fasziniert, sagt Michael Völker. Doch seine Entscheidung, nicht ins elterliche Weingut einzusteigen, sei rein aus wirtschaftlichen Überlegungen gefallen. Sein Vater habe nur wenige Hektar Weinberg besessen, dafür Trauben in ganz Franken aufgekauft, erzählt der 42-Jährige. Die baute er in seinem riesigen, eine halbe Million Liter fassenden Weinkeller aus und verkaufte ihn zum großen Teil an Kunden vor Ort. Ein Geschäftsmodell, dem der Sohn keine Zukunft gab.

Michael Völker und Melanie Drese aus Kitzingen. Ihre Weine unter dem Label '2Naturkinder' werden in alle Welt exportiert.
Foto: Anett Conrad | Michael Völker und Melanie Drese aus Kitzingen. Ihre Weine unter dem Label "2Naturkinder" werden in alle Welt exportiert.

So studierte Michael Völker Philosophie und landete mit seiner Frau Melanie Drese, die Judaistik studiert hatte, beim Fachverlag "Spektrum der Wissenschaft" in London. Eines Tages habe ihr Lieblingsweinhändler dort gefragt, ob sie abenteuerlustig genug für eine besondere Flasche Wein seien:  "Es war unser erster Naturwein." Und "wow". Dieser Wein habe so völlig anders geschmeckt als alles, was sie bisher kannten. Schnell seien sie in die Londoner Natural-Wine Szene eingetaucht. 

Die Leidenschaft führte das Paar 2013 zurück nach Kitzingen. Völkers Eltern überlegten gerade, wie sie Weingut und Kellerei bis zur Rente abwickeln könnten. Und ihr Sohn überlegte, doch einzusteigen, um Weine nach seinem Geschmack und seiner Philosophie zu produzieren. Noch im selben Jahr gründeten Michael Völker und Melanie Drese die "2Naturkinder".

Silvaner und Regent: Die ersten 2000 Flaschen aus biologischer Bewirtschaftung

"Papa hat uns dann ein paar Zeilen von seinem liebsten Silvaner-Weinberg zur Verfügung gestellt und uns etwas von seinem Regent in Sulzfeld abgegeben", blickt der 42-Jährige zurück. So entstanden, biologisch angebaut und von Hand abgefüllt, die ersten 2000 Flaschen. Ihren Silvaner nennen sie bis heute "Heimat", er sei nun mal das Flaggschiff für Wein aus Franken.  

Sein Vater habe von Anfang an versucht, seinen Stammkunden die neuen Weine schmackhaft zu machen, erzählt Völker schmunzelnd. Das sei nicht immer von Erfolg gekrönt gewesen.

'Fledermaus', 'Heimat' oder 'Siebenschläfer': Hinter jedem Namen steckt eine Geschichte, die Melanie Drese und Michael Völker mit dem Wein verbinden. 
Foto: Thomas Obermeier | "Fledermaus", "Heimat" oder "Siebenschläfer": Hinter jedem Namen steckt eine Geschichte, die Melanie Drese und Michael Völker mit dem Wein verbinden. 

Mit ungewöhnlichen Namen und künstlerisch gestalteten Etiketten fallen die Flaschen von "2Naturkinder" auf. So gibt es einen "Fledermauswein", weil dessen Rebzeilen mit Kot von Fledermäusen gedüngt werden, die in einem alten Weinbergshaus nisten. "Siebenschläfer" heißt der Wein aus altem fränkischen Satz, der besonders lang im Holzfass reift. Der Rotwein "Black Betty" ist nach dem ersten Schaf benannt, das in ihren Weinbergen geboren wurde.  "Hinter jedem Namen steht eine Geschichte, die wir mit dem Wein verbinden", sagt die 45-jährige Produzentin Melanie Drese.  

Naturwein statt Klarheit: Nicht bei deutscher Qualitätsweinprüfung dabei

Allerdings, die klassischen Namen bleiben ihren Flaschen auch verwehrt. Denn zur Qualitätsweinprüfung stellen die "2Naturkinder" ihre Weine nicht an. Weil laut deutschem Weingesetz die Klarheit Voraussetzung für die amtliche Prüfnummer ist, könnten sie mit ihren naturtrüben Weinen dort nicht antreten, sagt Völker.

Auch der Ortsname Kitzingen, eine Lage wie Eselsberg und selbst der Herkunft Franken dürfen laut Weingesetz nicht aufs Etikett. Nur als "Deutscher Landwein" dürfe ihr Wein vermarktet werden, erklärt das Winzerpaar. Schade, meint Drese. So würde ihr internationaler Erfolg nicht auf die Region einzahlen. Österreich hingegen pushe seit zehn Jahren erfolgreich seine naturtrüben Produkte in der Weinszene. 

Aus knapp vier Hektar eigenen und gepachteten Weinbergen des Vaters sind heute 7,5 Hektar geworden. Statt 2000 Flaschen produzieren"2Naturkinder" in Kitzingen bis zu 40.000 bei einem durchschnittlichen Jahrgang. Zu 90 Prozent gehe ihr Wein in den Export, sagt Völker. Am wenigsten werde er in Franken getrunken.

Ziel: Auch Franken auf den Naturwein-Geschmack bringen

Sie wollen das ändern. In diesem Jahr waren Völker und Drese mit gleichgesinnten Biowinzern zum ersten Mal auf dem Kitzinger Weinfest mit einem Stand dabei. Die Naturweinszene in Deutschland wachse zwar, meint Völker. Sie sei aber noch immer "winzig, nischig und nerdig".  

Ein Relikt aus vergangenen Zeiten. Die Probierstube der ehemaligen Weinkellerei Völker in Kitzingen. Heute bauen dort die '2Naturkinder' und andere befreundete Biowinzer ihre Naturweine aus. 
Foto: Thomas Obermeier | Ein Relikt aus vergangenen Zeiten. Die Probierstube der ehemaligen Weinkellerei Völker in Kitzingen. Heute bauen dort die "2Naturkinder" und andere befreundete Biowinzer ihre Naturweine aus. 

Im Gegensatz zum Begriff "Orange-Wein" für unfiltrierte Weine sei die Bezeichnung "Naturwein" eigentlich kritisch zu sehen, meint der Kitzinger Winzer. Das impliziere, dass andere Weine nicht "natürlich" seien. Sie würden den Begriff deshalb selbst nicht verwenden, sagt Melanie Drese. Es gebe keinerlei gesetzliche Regelung, was nun Naturwein sei und was nicht.

Keine Zusatzstoffe, kein Schwefel: Nur Trauben dürfen in den Wein

Was die "2Naturkinder" unter Naturwein verstehen, ist klar: Er enthalte nur streng biologisch angebaute Trauben, die Spontangärung werde allein durch Hefen ausgelöst, die schon auf den Trauben oder im Weinkeller vorhanden sind. Keinerlei Zusatzstoffe, auch kein Schwefel, würden ihren Weinen zugesetzt, sagt Völker. Unfiltriert behalte der Wein seine Stabilität. 

Da sei das Risiko, dass mal etwas schiefgeht, zwar größer. Aber der Wein könne sich weiterentwickeln, weil der Reifeprozess nicht mit Schwefel beendet wird. "Der Wein braucht oft viel mehr Zeit", sagt Drese, das mache die Produktion und damit auch die Weine teurer. Dafür könne er immer wieder überraschen, selbst wenn er schon auf die Flasche abgefüllt sei. 

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Kitzingen
Folker Quack
Frankenweine
Rotweine
Völker der Erde
Weinkeller
Weintrauben
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • Walter Stöckl-Manger
    Obwohl wir bislang mit Orange-Weinen hauptsächlich aus dem Elsass ziemlich gemischte Erfahrungen gemacht haben, wohingegen 'nur' spontanvergorene Franken eigentlich immer toll waren, wäre es sicher mal einen Versuch wert. Gutes Gelingen den beiden mutigen Quereinsteigern!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten