Seit fünf Jahren gehört der Bäckereimaschinen-Hersteller Fritsch zum Multivac-Konzern. Die Mutter aus dem Unterallgäu, ein Maschinenbauer, der auf Verpackungen spezialisiert ist, hat den einst insolventen Familienbetrieb aus Unterfranken übernommen und will ihn zu neuer Blüte führen.
Bei einem Besuch am Fritsch-Standort Kitzingen spricht Multivac-Chef Christian Traumann (61) über die Entwicklung von Fritsch im Landkreis und im Konzern sowie über den Neubau in Iphofen, der alle Außenstellen an einem Standort zentralisieren wird.
Als Fritsch 2019 in die Insolvenz geriet, griff Multivac kurzentschlossen zu. "Fritsch hat auf dem Markt einen starken Namen und tolle Innovationen", sagt Traumann lobend über den Betrieb, der noch in Markt Einersheim seinen Sitz und in Kitzingen mehrere kleine Standorte hat. Fritsch baut für Kunden in aller Welt hochwertige Bäckereimaschinen und ganze Anlagen zur Teigformung und Teigverarbeitung. Im Rahmen der Multivac-Agenda 2030 sei Wachstumstreiber Fritsch daher "ein wesentliches Standbein", erklärt Traumann.
Multivac-Chef: Fritsch-Sanierung ist ein großer Kraftakt, zeigt aber Erfolg
Dennoch sei die Integration in die Gruppe "mühsam" und "ein großer Kraftakt" gewesen, räumt er ein. Noch immer sei Fritsch in einer Sanierungsphase. Trotz guter Zahlen – der Umsatz habe sich in fünf Jahren nahezu verdoppelt – lässt der Gewinn zu wünschen übrig. Doch Multivac, selbst eine familiengeführte Unternehmensgruppe, glaube an Fritsch und gebe der Tochter Zeit, sich zu entwickeln.
In Kooperation werden neue Technologien und Produkte entwickelt und über das weltweite Multivac-Netz vertrieben. "Das hat schon bisher viel Geld gekostet, aber das haben wir", sagt Traumann selbstbewusst.
Dazu gehört, dass der Konzern entschieden habe, das Unternehmen an einem einzigen Standort zu konzentrieren, wie Traumann erläutert: "Für den Landkreis Kitzingen sprechen 455 Gründe: 455 Mitarbeiter." Mit Blick auf die Fachkräfte, sagt er, habe eine Verlagerung in andere Regionen nie zur Debatte gestanden. "Der Wert eines Unternehmens sind seine Mitarbeiter", erklärt der Multivac-Chef.
Iphofen bot "das beste Paket" für den Neubau von Fritsch
Im Landkreis habe man mehrere Angebote geprüft, aber Iphofen sei "sehr pfiffig" gewesen und habe am Ende "das beste Paket" geschnürt. So wird Fritsch nun für einen hohen zweistelligen Millionenbetrag Verwaltung, Produktion, Entwicklung, Ausbildungszentrum und alle anderen Bereiche im Schatten des Knauf-Werks im Gewerbegebiet "Alte Reichsstraße" neu bauen. Beide Konzerne werden künftig in direkter Nachbarschaft den Wettbewerb um Nachwuchs und Fachkräfte führen.
Um den Verkauf der alten Standorte muss sich Multivac nicht kümmern: Bei der Übernahme von Fritsch hat der Konzern bewusst die Firma, aber nicht ihre Liegenschaften und Immobilien gekauft. In Iphofen wird Fritsch auf einem Grundstück mit 76.000 Quadratmetern bauen, also etwa der Fläche von elf Fußballfeldern. 20.000 Quadratmeter sind für Hallen, 5000 für die Verwaltung vorgesehen. Zusätzlich gibt es Erweiterungspotenzial, verrät der Multivac-Chef.
Man stehe kurz vor der Erschließung. Parallel erarbeitet ein Architekturbüro aus dem Raumbedarf die konkreten Gebäudehüllen. Noch gebe es aber keine vorzeigbaren Pläne oder gar Außenansichten, bittet Traumann um Verständnis.
Fest stehe hingegen, dass Fritsch auf Nachhaltigkeit beim Bau setze und "viel Geld in Solar- und Geothermie sowie ein Blockheizkraftwerk investieren" werde. Einen erklecklichen Teil des Strombedarfs will der Betrieb selbst erzeugen. Bauen will der Konzern zwischen Oktober 2025 und November 2027, so dass die Inbetriebnahme in einem kontinuierlichen Prozess von Ende 2027 bis Anfang 2028 geplant sei.
Multivac und Fritsch wollen weiter wachsen, wie der Spitzenmanager verrät. Allein für dieses Jahr werde ein Wachstum von zehn Prozent erwartet. Ein Wachstumsbaustein sei der Trend vom Maschinen- zum Anlagenbau. Nicht mehr die einzelne Maschine steht im Mittelpunkt des Kundeninteresses, sondern die komplette Lösung aus einer Hand.
In diesem Zuge nimmt auch der Einsatz von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz (KI) zu. Service an weltweit ausgelieferten Anlagen kann heute in vielen Fällen von Deutschland aus am Computer geleistet werden. KI überwacht und analysiert Maschinenabläufe, erkennt frühzeitig den Bedarf für Verbesserungen, Ersatzteile oder Service. So hilft die Technik, Stillstände zu vermeiden, gerade im Bäckerhandwerk, in dem frische Teige verarbeitet werden, ein wichtiges Thema.
Multivac und Fritsch setzen auf Digitalisierung und Künstliche Intelligenz
Dass die fortschreitende Technik zugleich Personal einspart, ist laut Traumann gewünscht. Allerdings stehe weniger die Rationalisierung als Motivation dahinter als die oft erfolglose Suche nach Mitarbeitern.
Und wie hat die Unternehmensgruppe die bisherigen Krisen bewältigt? In Corona-Zeiten hat Verpackungsspezialist Multivac sogar profitiert. Die Nachfrage ging nach oben. Ukraine-Krieg und Energiekrise träfen die Gruppe nicht so stark wie andere Branchen.
Worüber Topmanager Traumann, der in einigen Industrieverbänden im Vorstand sitzt oder saß, vor allem klagt: die zunehmende Bürokratie in Deutschland. Multivac beschäftige mehrere Angestellte, die sich nur um das Ausfüllen von Behördenformularen kümmern – wohlgemerkt auf Papier. "Es ist eine Unverschämtheit, was uns da zugemutet wird", ärgert sich der Geschäftsführende Direktor.
Sein Konzern in Familienbesitz habe ein klares Bekenntnis zum Standort Deutschland abgegeben, aber, warnt Traumann, längst nicht alle Unternehmen treffen dieselbe Entscheidung.