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Kitzingen/Markt Einersheim
Hohe Ziele: Wie Fritsch die Krise zur Modernisierung nutzt
Der Bäckereimaschinen-Hersteller aus Markt Einersheim hat trotz Corona-Krise und Umstrukturierung nach einer Insolvenz viele Ziele. Eines ist der Neubau im Landkreis Kitzingen.
Seit der Markt Einersheimer Bäckereimaschinen-Hersteller Fritsch vom Multivac-Konzern übernommen wurde, eröffnen sich weltweit immer mehr Absatzmärkte. Im Bild das Technologiezentrum 'World of Bakery' in Kitzingen.
Foto: Andreas Brachs | Seit der Markt Einersheimer Bäckereimaschinen-Hersteller Fritsch vom Multivac-Konzern übernommen wurde, eröffnen sich weltweit immer mehr Absatzmärkte. Im Bild das Technologiezentrum "World of Bakery" in Kitzingen.
Andreas Brachs
 |  aktualisiert: 12.02.2024 23:05 Uhr

Die Firma Fritsch scharrt mit den Hufen. Am liebsten würde der traditionsreiche Bäckereimaschinen-Hersteller aus Markt Einersheim endlich seinen Neubau angehen. Seit das Unternehmen während einer Insolvenz vom Multivac-Konzern gekauft wurde, ist man in Markt Einersheim nur noch Mieter, noch dazu von in die Jahre gekommenen Verwaltungs- und Produktionsstätten. Außerdem gibt es mit dem Technologiezentrum in Kitzingen, heute das "World of Bakery", einen zweiten Standort im Landkreis. Beide will man mit einem Neubau zusammenführen.

Doch als sei die Wiedererstehung nach der Insolvenz und die Umstrukturierung unter den neuen Multivac-Mutter nicht schon herausfordernd genug, kam 2020 die Corona-Pandemie. Zwar ist der Maschinenbauer wegen seiner Produkte für die Lebensmittelhersteller als "systemrelevant" eingestuft, doch half das nur bedingt über die Flaute auf der Abnahmeseite: Viele mittelständische Bäckereien stellten in der Krise ihre Investitionen in neue Maschinen erst einmal zurück. "Sie haben sie nicht zurückgenommen, aber gestoppt", erklärt Andreas Eyd, zusammen mit Frank Gabriel einer der Geschäftsführer. 

Insolvenz – Umstrukturierung – Corona: Alles drückt auf die Bilanz. In der Summe zog Fritsch die Notbremse und entschied sich, rund 100 Stellen abzubauen. Gut die Hälfte davon erhielt Verträge zur Frühverrentung und zur Altersteilzeit. Die andere Hälfte, Auszubildende und befristet Beschäftigte, habe man versucht, in andere Multivac-Unternehmen zu vermitteln. Nach Ende des Abbauprogramms in ein paar Jahren werden rund 450 Mitarbeiter bleiben. Vor der Multivac-Übernahme waren es 600.

Stellenabbau und Geschäfte in aller Welt

Firma Fritsch: die Geschäftsführer Andreas Eyd und Frank Gabriel (von links).
Foto: Andreas Brachs | Firma Fritsch: die Geschäftsführer Andreas Eyd und Frank Gabriel (von links).

Eyd zufolge hätten viele Beschäftigte gern die Altersteilzeit angenommen. Immerhin sei der Betrieb um Kurzarbeit herumgekommen. Die Belegschaft habe viele Gleitzeitstunden abgebaut. Man habe an der Restrukturierung des Unternehmens gearbeitet, die Digitalisierung vorangetrieben. Grundsätzlich blicken die Geschäftsführer optimistisch nach vorn: Die Auftragslage sieht Gabriel zufolge gut aus. Man habe 30 neue Produkte entwickelt und mit Hilfe der weltweiten Multivac-Kontakte sei es gelungen, zwei 70 Meter lange Bäckerei-Anlagen nach Kanada zu verkaufen.

Der Mutterkonzern in Wolfertschwenden hat 90 Tochtergesellschaften, die in vielen Weltregionen vertreten sind, und kann so auch für die Fritsch Geschäfte anbahnen und vor Ort von dort ansässigen Muttersprachlern betreuen lassen. Zeitunterschiede zu Deutschland, Sprachbarrieren und Flughemmnisse wegen Corona spielten zum Beispiel beim Kanada-Deal keine Rolle.

"Qualität und Beratung sind ein großer Wettbewerbsvorteil für uns."
Andreas Eyd, Fritsch-Geschäftsführer

Dagegen ist es für Fritsch durchaus problematisch, eigene Monteure ins Ausland zu schicken. Entweder müssen sie im Gastland in Quarantäne oder bei der Rückkehr nach Deutschland. Aufenthaltsfristen sind manchmal auf fünf Tage verkürzt, bleiben abzüglich An- und Abreise gerade mal drei für die eigentliche Arbeit. Viel Aufwand, hohe Kosten, wenig Ertrag.

So hat Corona, wie in anderen Unternehmen auch, den Digitalisierungsprozess bei Fritsch beschleunigt. Schon vor Jahren experimentierte der Betrieb mit einer Fernwartungsbrille: Ein Techniker im Ausland setzt eine Kamera-Brille auf, die in Echtzeit Daten nach Deutschland überträgt. Dort sitzt ein Service-Techniker, der dem Kollegen vor Ort Hilfe und Anweisungen anbieten kann, als stünde er neben ihm. Aber auch die Ausweitung von Künstlicher Intelligenz in den Maschinenanlagen schreitet voran, erklärt Gabriel. Teile der Anlage stimmen sich automatisch untereinander ab, wenn es zum Beispiel um die sensible Teigverarbeitung geht.

Bei schönem Wetter anders backen

In nicht allzu ferner Zukunft könnte es möglich sein, dass abhängig vom Wetter und dem Bedarf der Kunden die Maschinen die Produktion von Backwaren verändern: Schönes Wetter am Wochenende? – Also sollte die Bäckerei vielleicht mehr Brötchen und Baguettes für Grillfreunde anbieten. Dazu ist es nötig, dass die Maschinen ihre Produktion schnell umstellen können. 

Teigverarbeitung auf einer Bäckereimaschine der Firma Fritsch.
Foto: Andreas Brachs | Teigverarbeitung auf einer Bäckereimaschine der Firma Fritsch.

Ein weiterer kundenbasierter Trend ist die Diversifizierung des Backwerks. Bäckereien, die am Markt bestehen wollen, liefern längst eine große Vielfalt an Brötchen. Die Zeiten, als der Kunde nur zwischen Milch- und Wasserbrötchen wählen konnte, sind längst vorbei. Körnergebäck mit verschiedenen Mischungen, Brötchen mit unterschiedlichen Mehlmischungen, Farben und Formen sollen den Kunden zum Kauf animieren. Und auch das passende Brötchen zur Fußball-WM oder -EM ist schon erfunden.

Auf all diese Trends reagiert Fritsch nicht nur, sondern versucht, mit seinen Entwicklungen voranzugehen. Die beiden Geschäftsführer sehen das traditionsreiche Unternehmen bei Qualität und Know-how an der Spitze der Bewegung. "Qualität und Beratung sind ein großer Wettbewerbsvorteil für uns", sagt Eyd. Und was in Deutschland, Polen und Rumänien bereits funktioniert, will der Betrieb vermehrt in alle Welt tragen. Auch für Fritsch ist Asien ein interessanter Wachstumsmarkt.

Wenn all diese Bemühungen sich auch in der Bilanz niederschlagen, ist Fritsch sicher, dass die Multivac-Mutter den Weg für den ersehnten Neubau freigibt. Noch steht er unter dem Vorbehalt der wirtschaftlichen Entwicklung. Am liebsten würden die Geschäftsführer 2023 damit starten. Doch auch, wenn das Datum noch unsicher ist: Klar ist für Eyd und Gabriel, dass sie maximal in einem Umkreis von 20 Kilometern um die heutigen Standorte ihr neues Werk verwirklichen wollen. Denn das hat Fritsch auch unter Multivac beibehalten: ein familiäres Betriebsklima, in dem die Mitarbeiter viel zu leisten bereit sind und – wenn auch in verringerter Zahl – für das Unternehmen ein wichtiges Kapital bedeuten.

 
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