Das Reh gilt als Feinschmecker unter den Vegetariern. Es ernährt sich von rein pflanzlicher Kost wie Kräutern und Gräsern, frischen Knospen, Eicheln – und jungen Trieben von Bäumen oder Sträuchern. Daran hat Rainer Fell jetzt ziemlich hart zu beißen. Iphofens Stadtförster steht am Montagabend in dampfiger Waldluft vor einer kleinen, hüfthohen Eiche, die Triebe abgenagt, die Spitze verbissen.
Fell nennt das Gebiet, in dem das Bäumchen steht, "kritische Stelle". Denn die junge Eiche ist längst nicht die einzige, die derart zerzaust ist, dass man ihr wohl keine große Zukunft prophezeien kann. Mehr als die Hälfte der Eichen hier am Iffigheimer Berg leiden unter heftigem Wildverbiss. Die Stadt muss handeln. Im schlimmsten Fall droht ihr der Entzug der Zertifizierung, das Holz aus diesen Beständen wäre dann quasi unverkäuflich.
Fell hat für den jährlichen Waldgang des Stadtrats bewusst diese Stelle gewählt. Bei der Begehung mit Vertretern des Amtes für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten (AELF) im Frühjahr war es "der Waldteil mit dem massivsten Verbiss".
Der Stadtförster drängt auf eine konsequente Jagd
Geografisch gehört der Wald zwar zu Seinsheim, aber er ist dem Eigenjagdrevier Nenzenheim angegliedert, und Fell macht gleich klar, dass sich die Stadt Iphofen als Jagdverpächterin hier nicht aus der Verantwortung stehlen könne. Sie muss über angepasste Wildbestände dafür sorgen, dass der Wald hier wachsen kann – und ist schadensersatzpflichtig, wenn sie dieser Verpflichtung nicht nachkommt.
Die Zertifizierungsrichtlinien nach PEFC-Standard, die auf eine nachhaltige Waldbewirtschaftung zielen, lassen hier kaum Spielraum. Und Fell lässt keinen Zweifel, wie diese angepassten Wildbestände herzustellen sind: mit konsequenter Jagd.
Es ist der alte Kulturkampf: Wald vor Wild. Fell ficht ihn so lange aus, wie er Förster ist, also seit mehr als 40 Jahren. Epische Konflikte zu diesem Thema haben sich schon im Iphöfer Stadtwald zugetragen, davon ist man dieser Tage weit entfernt. Im Gegenteil: Der Stadtrat ist sich einig, dass gegen den Verbiss nur eine radikale Gangart hilft, und die heißt: schießen. Mit diesen "Bonsai-Bäumchen", so wirft Zweiter Bürgermeister Hans Brummer mit Blick auf die verkorkste Eiche ein, werde "Geld vernichtet".
Bei der Kitzinger Forstbetriebsgemeinschaft (FBG), die das Holz von etwa 600 Mitgliedern, kommunale und private Waldbesitzer, vermarktet, sieht man das ähnlich. Wenn es am Iffigheimer Berg nicht gelinge, die Verbissproblematik in den Griff zu bekommen, drohe der Entzug der Zertifizierung, sagt FBG-Geschäftsführer Dieter Rammensee. Und nicht zertifiziertes Holz sei heute auf dem Markt kaum noch zu verkaufen.
Die Stadt will nun den Druck weitergeben und den Revierjagdpächter in die Pflicht zu nehmen. Fell weiß, dass das nicht einfach wird und "viele Gemeinden" sich scheuten, sich mit den oft selbstbewusst auftretenden Jagdpächtern anzulegen. Der Pächter habe die Abschusszahlen im letzten Jahr nur zu etwa 80 Prozent erfüllt und für dieses Jahr sogar eine Senkung beantragt. Darauf ließ sich die Stadt nicht ein.
Jörg Schanow empfiehlt einen Vertrag mit den Jägern
Dritter Bürgermeister Jörg Schanow empfiehlt, die Dinge vertraglich zu regeln. "Es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten, wie man einen Vertrag sinnvoll gestalten kann." Das reiche von einer Vertragsstrafe bis zur Kündigung. Aber Fell sagt deutlich: "Der Jäger muss mitmachen wollen."
Ein paar Kilometer weiter, im Hellmitzheimer Wald, Abteilung Seeschlag, hat der Schwammspinner ganze Arbeit geleistet. Ein Bestand mit 120 Jahre alten Eichen fiel 1994/95 dem Schädling fast vollständig durch Kahlfraß zum Opfer. Die Stadt forstete wieder auf, und rund 30 Jahre später ist das Ergebnis sichtbar. "Alles da, was wir wollen", sagt Fell.
Blühende Waldlandschaft mit Ahorn, Hainbuche, Kirsche oder Linde
Sieht man von der Esche ab, die nicht nur hier durch einen eingeschleppten Pilz dahinsiecht, blickt Fell auf eine blühende Waldlandschaft mit Ahorn, Hainbuche, Kirsche oder Linde – weil die Abschusszahlen stimmen. Junge Bäume, anfangs umzäunt, konnten sich gegen die vielen Rehe durchsetzen. Eine intensive Jagd sei weiterhin nötig, damit sich die zarten Pflänzchen entwickeln können und irgendwann wieder ein geschlossener Wald entsteht.
Dass sich all die Mühe lohnt, sieht Fell derzeit an den Holzerlösen. 800 Euro pro Festmeter für Furnierholz, so viel habe es noch nie gegeben. Bislang seien in der Spitze 500 oder 600 Euro gezahlt worden. Beschleunigt werde die Preisspirale etwa mit dem Trend zur Eiche, einer Baumart, die seit je im Iphöfer Stadtwald dominiert und nicht immer einen leichten Stand auf dem Markt hatte. Fell weiß, dass die Eiche hier der Zukunftsbaum bleiben wird, auch wenn er selbst in zwei Jahren in den Ruhestand geht. Bis dahin tut er alles, um den Eichen der nächsten Generation den Boden zu bereiten.
"Serengeti" darf nicht sterben....!!
Icch kann mich an meine erste Nachtfahrt bei der Führerscheinausbildung vor 60 Jahren
erinnen. Der Fahrlehrer damals lotste seine Fahrschüler bei der Nachtfahrt nach Birklingen.
Heute zu Iphofen gehörend. Bei der Fahrt durch den von Wald umsäumten Wiesengrund von Birklingen hinunter nach Iphofen konnte man auf den Wiesen grössere Reh- oder Hirschrudel
in der Dämmerung erkennen. Aus der Erinnerung heraus ist die obere Teilstrecke mindestens 4 Km lang. Nie vorher hatte ich im Lkrs. KT jemals so viel Wild gesehen. Als Begleiterschei-nung. Man kann sich das vllt. so vorstellen, wie in den "Serengeti-Filmen" von "Grimczek".
Dem Fahrlehrer ging es jedoch darum auf zu zeigen; dass man dieVZ "Wildwechsel" Ernst nehmen muss. Er sagte: "das ist hier in diesen Abschnitt jeden Abend so voll !"
Wie es im Wald aussah oder aussieht, weiss ich nicht. Aber gefressen hat das Wild damals auch schon. Sicher nicht nur Wiesengras !