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Iphofen
Hotspot Wald: Warum Iphofens Förster wie ein Konkursverwalter klingt
Bei allen Schreckensmeldungen dieser Tage werden dem Iphöfer Stadtwald gute Überlebenschancen zugeschrieben. Das liegt an seiner Vielfalt, aber auch an einer Besonderheit.
Kahlfläche im Iphöfer Stadtwald: Wo früher Fichten oder Kiefern standen, sollen künftig trockenresistente Baumarten wie Eiche, Hainbuche oder Feldahorn wachsen. 
Foto: Eike Lenz | Kahlfläche im Iphöfer Stadtwald: Wo früher Fichten oder Kiefern standen, sollen künftig trockenresistente Baumarten wie Eiche, Hainbuche oder Feldahorn wachsen. 
Eike Lenz
 |  aktualisiert: 10.05.2023 10:12 Uhr

Früher galt unter Förstern wie Rainer Fell das Schneewittchen-Prinzip. „Bei der Auszeichnung der Bäume hieß es: Wer ist der Schönste?“ Heute muss die Frage lauten: Wer ist der Vitalste? Wer hat die besten Überlebenschancen? Viele Geschichten rund um den deutschen Wald klingen inzwischen wie märchenhafte Erzählungen aus einer anderen Zeit. Sie alle beginnen mit: Es war einmal . . . Die heile Welt der Bäume, sie gibt es so nicht mehr, und selbst Experten können kaum vorhersagen, welche dieser Geschichten ein Happy End finden werden. Der Klimawandel, die zunehmend trockenen Sommer mit Hitzeperioden bis 40 Grad, Schadinsekten – das alles hat sich in den vergangenen Jahren zu einer unheilvollen Mischung zusammengebraut, die wie eine tiefschwarze Wolke über dem Wald hängt.

Rainer Fell, seit mehr als drei Jahrzehnten Stadtförster in Iphofen, tut sein Möglichstes, um den Wald für die Zukunft zu rüsten und ihn nachfolgenden Generationen in bestem Zustand zu übergeben. Aber der Wald ist ein empfindliches Ökosystem, er reagiert nicht wie ein Computer, dem man einen Befehl gibt und der Augenblicke später das Ergebnis anzeigt. Der Wald ist ein träges System. Erfolge und Misserfolge bemessen sich in einem komplizierten Zusammenspiel von Tun und Lassen und sind zudem oft erst nach Jahrzehnten sichtbar.

Der Brotbaum des Waldbauern kommt in Iphofen selten vor

Eines aber stimmt Rainer Fell am Montagabend beim jährlichen Waldgang des Iphöfer Stadtrats zuversichtlich: Der Stadtwald mit seinen fast 2200 Hektar verfügt über eine gesunde Vielfalt und verheißungsvolle Struktur. Er hat aus Fells Sicht gute Überlebenschancen, weil die Vorfahren nicht wie andere auf Baumarten wie die Fichte setzten, den Brotbaum des Waldbauern – schnell wachsend, günstig, aber arm an Lebensräumen und Arten –, sondern auf den deutschesten aller Bäume: die Eiche.

Die Eiche gilt nicht nur in Iphofen als Zukunftsbaum. Auf manchen Flächen wie hier in der Abteilung Hausberg wachsen sie zu Tausenden heran.
Foto: Eike Lenz | Die Eiche gilt nicht nur in Iphofen als Zukunftsbaum. Auf manchen Flächen wie hier in der Abteilung Hausberg wachsen sie zu Tausenden heran.

Die Eiche ist der Zukunfts- und Hoffnungsbaum der Förster. Die Eiche widersteht Hitze und Trockenstress, sie liegt im Trend und bringt gutes Geld. „Die Eiche boomt“, sagt Fell. Es klingt wie ein Hurra in all den Schreckensmeldungen, die es derzeit um den Wald gibt. Der Iphöfer Stadtwald besteht zu rund 60 Prozent aus Eiche, weil er hier das Nutzholz der früheren Generationen war. Nutzen war auch für Fell das Stichwort: „Wenn ich ökologisch leben will“, sagt er, „muss ich Holz aus dem Wald rausnehmen. Es ist eine nachwachsende Ressource.“

Jeder möchte Schnitzel, aber keiner will schlachten

Fell warnt vor falscher Bescheidenheit. „Jeder will Schnitzel essen, aber keiner die Sau schlachten.“ Beim Wald werde hierzulande ähnlich gedacht. In der Abteilung Hausberg wachsen Tausende kleiner Eichensämlinge heran. Naturverjüngung nennt der Förster das, wenn aus Samen neues Leben entsteht. Es sind junge Eichen, die jenes Licht brauchen, das sie hier nach üppiger Holzernte bekommen. „So soll Forstwirtschaft aussehen“, sagt Fell. „Wir haben nur geerntet, und die Eiche wächst nach.“

Iphofens Stadtförster Rainer Fell (Mitte) warnt vor falscher Bescheidenheit. 'Wenn ich ökologisch leben will, muss ich Holz aus dem Wald rausnehmen.'
Foto: Eike Lenz | Iphofens Stadtförster Rainer Fell (Mitte) warnt vor falscher Bescheidenheit. "Wenn ich ökologisch leben will, muss ich Holz aus dem Wald rausnehmen."

Auch von der Buche glaubte man einmal, dass sie die Hoffnung der deutschen Forstwirtschaft werden könnte. Aber seit Kurzem heißt es auch hier: Es war einmal. „Die Buche verlieren wir an vielen Ecken. Sie kann nur begrenzt mit Wassermangel umgehen“, sagt Fell. Der Förster steht jetzt in einem Jungbestand, sieben Hektar groß, abgestorbene Buchen, malade Birken und Aspen, dürres, kahles Geäst. Aber Fell sagt: „Das ist immer noch Wald und wird Wald bleiben.“ Weil andere Bäume überleben und sich durchsetzen werden: der Feldahorn, der Speierling, Kirsche oder Elsbeere. „Es geht hier weiter, es gibt eine Perspektive.“ Manchmal hört sich ein Förster in diesen Tagen wie ein Konkursverwalter an.

Zur Pleite beigetragen haben in den letzten Jahrzehnten auch Schadinsekten wie der Schwammspinner. Als er zu Beginn der Neunzigerjahre ganze Eichenwälder kahlfraß, sprangen überall die Sicherungen an: Betroffene Gebiete wurden großflächig aus der Luft bekämpft. Heute sieht das anders aus. Im Nenzenheimer Wald war der Schwammspinner jetzt zwei Jahre hintereinander am Werk, und der Förster musste den „Substanz- und Wertverlust“ tatenlos gewärtigen. Statt 360 Euro für den Festmeter Eiche der Güteklasse B gab es nur noch 75 Euro für Schadholz der Kategorie D.

Vielfach endet es auf dem Friedhof der Natur: als Totholz. Fell nennt diesen Prozess „Absterben des Waldes durch Naturschutzmaßnahmen“. Das Nicht-Bekämpfen von Schädlingen aus Rücksicht auf die Natur, weil „andere Interessen“ mächtiger seien als die Belange des Waldes. „Wenn das am Ende das Ergebnis ist, dann gute Nacht.“

 
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