Unser heimischer Wald ist vom Klimawandel bedroht. Nicht nur die Fichten vertrocknen. Gerade in Unterfranken stoßen viele weitere Baumarten an ihre klimatischen Grenzen.
Eine bayernweite Schätzung des Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten beziffert das Ausmaß des Schadens durch Insekten, Trockenheit, Sturm und Schneebruch allein im ersten Halbjahr 2019 auf vier Millionen Festmeter Holz. Im ganzen Jahr 2018 waren es 6,5 Millionen. Eichen wurden von den Raupen des Schwammspinners kahl gefressen, Kiefern starben flächig ab (100 000 Festmeter Holz) und sogar die als klimastabil geltenden Buchen vertrockneten vielerorts. Rund 84 000 Festmeter der insgesamt in Bayern angefallenen 130 000 Festmeter Schäden an der Buche wurden im ersten Halbjahr 2019 aus Unterfranken gemeldet.
- Kommentar zum Thema: Jäger und Förster können den Wald nur gemeinsam retten
Dazu kommt, dass die Knospen, Blätter und Zweige der jungen Bäume auf der Speisekarte der Rehe und Hirsche ganz oben stehen. Ist es deshalb nötig, mehr Tiere zu schießen, Nachtsichtgeräte auch bei der Rehwildjagd zuzulassen und die Winterfütterung generell zu verbieten? Darüber wird in Kreisen der Jäger und Förster derzeit heftig gestritten. Zehn Argumente beider Seiten sollen helfen, sich eine eigene Meinung zu bilden.
Zehn Gründe dagegen, mehr Rehe zu schießen
So argumentiert der Bayerische Jagdverband (BJV). In ihm sind etwa 48 000 Jäger, das sind rund 66 Prozent aller bayerischen Jäger, organisiert:
1. Rehe sind keine Schädlinge.
Rehe sind die Urbewohner der heimischen Wälder. Ein Wald ohne Wild ist kein Wald, sondern eine Baumplantage. Die Jagd zur "Wildvernichtung" zu degradieren, widerspricht Tierschutz, Ökologie und Nachhaltigkeit.
2. Ursache des Waldsterbens ist eine andere.
Mehr Rehe zu schießen, löst nicht die Probleme wie Trockenheit, Schädlinge und Krankheiten oder Bewirtschaftungsfehler, an denen der Wald leidet.
3. Höhere Abschussquoten und ein Verbot der Winterfütterung bewirken das Gegenteil.
Höhere Abschussquoten führen dazu, dass sich das Wild ins Dickicht der jungen Bäume zurückzieht und dort frisst. Winterfütterung lockt das Wild von den Bäumen weg.
4. Fehlender Lebensraum ist das eigentliche Problem.
Wenn abgeerntete Felder die Hecken und grünen Ackerrandstreifen ersetzen, sind die Tiere gezwungen, sich in kleinen Waldinseln aufzuhalten. Es reichen wenige Rehe aus und der Verbiss ist vorprogrammiert. Zäune, Zwischenfrüchte und wildtiergerechte Freiflächen in und am Wald helfen gegen den Verbiss.
5. Forstliche Gutachten sind das falsche Instrument für Abschussquoten.
In Wäldern mit reinen Fichtenmonokulturen haben junge Bäume wenig Chance, nicht verbissen zu werden. Das Gleiche gilt für Regionen mit niedrigem Waldanteil und intensiver Ackerkultur. In Wäldern, in denen der Waldumbau schon fortgeschritten ist und es Brombeer-Dickungen, Gras- und Krautflora zwischen den Bäumen gibt, brauchen Rehe die Knospen der Bäume nicht. Der Verbiss ist dort niedrig. Das zeigen auch die Forstlichen Gutachten.
6. Der Verbiss ist ein ökonomisches, kein ökologisches Problem.
Am Leittrieb verbissene Bäume sind nicht automatisch tot. Sie wachsen langsamer, bilden Seitentriebe und das Holz ist weniger wertvoll. Dies hat ökonomische, aber kaum ökologische Folgen.
7. Der Zusammenhang zwischen Abschuss und Verbiss ist marginal.
Vor 30 Jahren gab es aufgrund der sehr hohen Wildbestände einen kausalen Zusammenhang zwischen Abschuss und Verbisszahlen. Heute ist der Zusammenhang nur noch marginal.
8. Schwerpunktbejagung ist wirkungsvoller als höhere Quoten.
Schwerpunktbejagung an Orten, an denen neue klimatolerante Baumarten gepflanzt werden, ist wirkungsvoller als höhere Abschussquoten.
9. Wildunfälle sagen nichts über die Größe der Wildpopulation.
Die Zahl der Wildunfälle sagt nichts über die Größe der Wildpopulation, sondern dass die Tiere durch Landwirtschaft und das Freizeitverhalten der Menschen in ihren Rückzugsräumen aufgeschreckt werden. Wichtigster Grund für zunehmende Wildunfälle ist die Zerschneidung der Lebensräume durch immer mehr Versiegelung der Landschaft durch Straßen und der zunehmende Verkehr.
10. Die Zeit begrenzt den Jagderfolg.
Der Jäger kann nur schießen, wenn sich keine Spaziergänger, Jogger, Mountainbiker oder Pilzsammler in der Nähe aufhalten. Außerdem treten viele Tiere erst mit Eintritt der Nacht aus ihrer Deckung. Dann ist es für den verantwortungsvollen Schuss oft zu spät. Der Jäger könnte einem Kitz die Geiß wegschießen, weil er nicht erkennt, dass es sich um ein Muttertier handelt. Tiere nur abzuschießen, um die Quote zu erfüllen, verbietet zudem das Tierschutzgesetz.
Zehn Gründe dafür, mehr Rehe zu schießen
So argumentieren zahlreiche Förster sowie die Jäger des Ökologischen Jagdvereins Bayern (ÖJV), dem sich etwa 1000 Jäger in Bayern angeschlossen haben.
1. Dem heimischen Wald geht es so schlecht wie nie.
Der heimische Wald ist nach den Trockenjahren 2003, 2015 und 2018 extrem geschwächt. Er leidet an Schädlingen und Krankheiten und braucht dringender denn je Nachwuchs, der sich ungestört entwickeln kann. Man spricht bereits vom Waldsterben 2.0.
2. In der Hälfte aller bayerischen Wälder verhindern Rehe größtenteils den natürlichen Aufwuchs.
Die Verjüngung des Waldes funktioniert nicht, wenn Rehe die Triebe und Knospen der jungen Bäume fressen. Laut der forstlichen Gutachten gelten 47 Prozent aller bayerischen Hegegemeinschaften (in Unterfranken sogar 48 Prozent) als rote Gebiete, in denen es nur wenige junge Bäume schaffen, ohne zusätzlichen Schutz wie Zäune in die Höhe zu wachsen.
3. Bayerisches Jagdgesetz verpflichtet Jäger gegenüber Waldbesitzern.
Standortgemäße Baumarten sollen sich ohne Schutz natürlich verjüngen können. Dieses Ziel - verbunden mit der Zusage an die Waldbesitzer - ist im Bayerischen Jagdgesetz (Artikel 1) verankert. Auch im Bayerischen Waldgesetz (Artikel 1) ist der Grundsatz "Wald vor Wild" definiert.
4. Naturverjüngung ist besser als Neupflanzungen.
Bäume, die sich mit Hilfe ihrer Samen selbst ausbreiten und ungestört wachsen, sind widerstandsfähiger und kommen mit den sich verändernden Standortbedingungen durch den Klimawandel besser zurecht als neu gepflanzte Bäume, die viel leichter vertrocknen.
5. Steuergeld wird verschwendet.
Naturverjüngung ist gratis. Neue Baumsetzlinge kosten Geld. Wenn diese im Staatswald vertrocknen oder gefressen werden, wird Steuergeld verschwendet. Ferner ist die Kontrolle, Instandhaltung und Reparatur der Zäune und anderer Maßnahmen, mit denen neue Bäume vor Verbiss geschützt werden sollen, zeitaufwändig und kostenintensiv - auch für private Waldbesitzer.
6. Zäune sind oft wirkungslos.
Zäune werden oft von Wildschweinen hochgehoben, von Stürmen oder Pilzsammlern beschädigt. Außerdem sind Zäune zu kleinflächig, um ganze Wälder klimatolerant umzubauen.
7. Wildbiotope halten Wild nicht vom Wald fern.
Mehr Wildbiotope in der Flur sind ökologisch sinnvoll, ebenso der Anbau von Zwischenfrüchten auf den Feldern in waldarmen Gebieten. Doch beides hält Rehe nicht vom Wald fern.
8. Winterfütterung ist schlecht.
Winterfütterung oder so genannte Ablenkfütterungen steigern den Wildbestand. Auch kranke und schwache Tiere überleben. Der Verbiss steigt.
9. Weniger Rehe bedeutet gesündere Rehe.
Wenn Tiere aus der Wildbahn genommen werden, bedeutet das für die, die übrig bleiben: Sie haben mehr Lebensraum, sind weniger krank, haben weniger Parasiten und bringen mehr Kitze zur Welt.
10. Es gibt zu viel Wild.
Die Zahl der Wildunfälle ist dort hoch, wo es viel Wild gibt und auch die Zahl der befressenen Pflanzen hoch ist. Bei extrem hoher Wilddichte haben junge Bäume kaum eine Chance, alte Bäume werden durch die Folgen des Klimawandels beeinträchtigt (Trockenheit, Hitze, Insekten, Stürme) und es geht über Jahre nichts voran im Wald.
Vielleicht sollte man eher die Zahl der Jäger verringern.
Nein, im Ernst: Glaubt man tatsächlich, es wären die REHE, die am Waldsterben die Schuld tragen?? Also so nach dem Motto "Rehe weg, dann wird der Wald in neuem Glanze erstrahlen"??
(Seit wann sind denn die Rehe der Feind Nr. 1 - bisher waren es doch immer die Wildschweine...?)
Eigentlich sollte seit langer Zeit bekannt sein, dass sich ungezielter Aktionismus durch menschliche Eingriffe in ein Ökosystem letztlich immer schlimm ausgewirkt haben, auch wenn's noch so gut gemeint war.
Ich begreif's nicht - es wurde bis heute nichts draus gelernt!
Durch immer mehr ausufernde Störungen des Wildes durch den enormen Freizeitdruck steigt automatisch der Wildverbiss, da das Wild kaum noch auf die Wiesen und Felder zur Nahrungsaufnahme ziehen kann.
Das Wild wird immer weiter zusammengedrängt.
An diesen Stellen wird es logischerweise auch dementsprechen Verbiss geben.
Eigentlich logisch, oder?
Bin schon üfters mit dem Rad irgendwelche Schotterwege in der Natur entlanggefahren und in max 50 m Entfernung haben sich die Rehe am satten Grün gefreut ohne sich von mir gestört zu fühlen.
Wäre ich stehen geblieben, wäre das anders.
An den Waldsprtler hat sich das Wild ebenso gewöhnt wie an den Straßenverkehr.
Es gibt – je nach Schätzung zwischen 2 und 6 Mio Rehe in Deutschland, von denen ca. 1,2 Mio jedes Jahr erschossen werden. Dazu kommen noch ca. 200.000 Rehe, die jedes Jahr auf unseren Straßen sterben.
Rechnerisch stirbt in Deutschland also alle 22,5 Sekunden ein Reh durch Unfall oder Abschuss.
Und (auch wieder rechnerisch) stirbt der gesamte Bestand (bei optimistischer Schätzung) einmal alle 4,3 Jahre durch Unfall oder Abschuss. Bei einer Lebenserwartung von bis zu 12 Jahren ist das aus meiner Sicht bereits ein nicht mehr tolerierbarer Eingriff in das Okösystem von Wild und Wald.
Wir verkürzen statistisch die Lebenserwartung der Rehe auf ein Drittel, wahrscheinlich sogar deutlich weniger. Aber wir wollen noch mehr abschießen …
Im Ernst jetzt?