
Die Sache klang fast zu schön, um wahr zu sein: wohlige Wärme dank Holz aus dem Stadtwald, natürlich nachhaltig und deutlich günstiger als Öl und Gas. Mit diesem Versprechen versuchte die Stadt Iphofen vor rund einem Jahrzehnt die Menschen in der Altstadt für einen Wechsel zu Fernwärme zu gewinnen. Lange Zeit ging die Rechnung auf. Auch Hansi Ruck ließ sich damals für die Sache erwärmen. "Der Bürgermeister hat mir auf die Schulter geklopft und gesagt: super Idee!", erzählt Ruck.
Heute gehört der Winzer zu jenen etwa 50 Haushalten in Iphofen, die zum Jahreswechsel kalt erwischt wurden. Eine Handvoll Betroffener hat in Brandbriefen an die Stadt ihrem Ärger über eine drastische Preisrunde Luft gemacht. Von Realitätsverlust im Rathaus ist die Rede. Statt 6,8 Cent netto für die Kilowattstunde sollen die Leute plötzlich 11,1 Cent bezahlen, das sind auf einen Schlag 63 Prozent mehr.
Im Brief an die Stadt, den Ruck mitunterzeichnet hat, steht etwas von einer "schönen Bescherung", da das Schreiben aus dem Rathaus wenige Tage vor Weihnachten versandt worden war. Und die Frage, die sich viele stellen, ist: Wie kann es sein, dass die Preise von jetzt auf gleich derart explodiert sind? Für ein 110 Quadratmeter großes Einfamilienhaus können so schon einmal 800 bis 1000 Euro mehr im Jahr fällig sein.
Die Stadt Iphofen brachte 2009 die Wärmewende auf den Weg
Lange bevor andere Kommunen sich hierzulande auch nur ansatzweise mit der Wärmewende beschäftigten, brachte Bürgermeister Josef Mend in Iphofen kurz nach der Jahrtausendwende die Idee ins Spiel, sich ein Stück weit unabhängig zu machen von der großen weiten Welt und externen Energielieferanten. 2009 hat die Stadt vor ihren Mauern ein Biomasseheizwerk in Betrieb genommen, das mit Hackschnitzeln aus dem eigenen Stadtwald befeuert wird. Es liefert nicht nur die Wärme für Schule, Hallenbad und Sporthalle, sondern seit 2016 auch für Dienstleistungszentrum, Altenheim und rund 50 Haushalte in der Altstadt.

Die Rucks haben 2018 ihr Anwesen am Marktplatz komplett auf Fernwärme umgestellt. Auch sie glaubten damals an das Versprechen von umweltfreundlicher und günstiger Wärme, und spätestens als Russland Anfang 2022 in die Ukraine einmarschierte und Gas zur Mangelware wurde, schien sich der Schritt bezahlt zu machen. Dann aber gingen die Preise auf breiter Front wieder zurück.
Bei der LKW in Kitzingen kostet die Kilowattstunde Gas seit Jahresbeginn zwischen 9,09 und 10,19 Cent netto, weniger also als der aktuell von Iphofen aufgerufene Fernwärmepreis von 11,1 Cent. Aber das ist, wenn man Iphofens Bürgermeister Dieter Lenzer glauben will, ein Vergleich von Äpfeln mit Birnen. Eine Gasheizung verursache deutlich weniger Investitions-, Anschluss- und Wartungskosten als ein Fernwärmenetz, dessen Kosten sich noch dazu auf weniger Abnehmer verteilten. Natürlich seien 63 Prozent plus ein "satter Sprung".
Das Defizit bei der Fernwärme wuchs auf über eine halbe Million Euro
Dem Stadtrat war der neue Fernwärmepreis im vergangenen November keine große Sache wert. Ohne Diskussion stimmte er einer Vorlage des Finanzausschusses zu, der sich zuvor in nichtöffentlicher Sitzung auf den neuen Preis verständigt hatte. Erst nachdem sich kurz vor Weihnachten Unmut unter den Betroffenen geregt hatte, griff Bürgermeister Lenzer das Thema in der Januar-Sitzung erneut auf. Tenor: Mit dem bisherigen Preis sei das Heizwerk nicht wirtschaftlich zu betreiben. "Wir waren bisher zu günstig unterwegs."
Glaubt man den Zahlen der Verwaltung, dann wuchs das Defizit zuletzt kontinuierlich: von 2020 bis 2023 um 532.000 Euro. Betroffene wie Ruck können sich nicht erklären, wie dieser "horrende Fehlbetrag" zustande kommt, und verlangen von der Stadt Einsicht in die Kalkulation.
Ein Defizit hatte es auch schon unter Lenzers Vorgänger Josef Mend gegeben – ohne dass die Tarife angepasst worden wären. Damals, so erklärt es Lenzer, habe man gehofft, der Fehlbetrag verschwinde über kurz oder lang, wenn sich nur genug Leute an das Fernwärmenetz hängen.

Inzwischen gilt im Rathaus das Prinzip der "schwarzen Null". Kurios und kompliziert wird die Sache dadurch, dass es zwischen Stadt und Abnehmern bis heute keine Lieferverträge gibt. Deshalb ist die zum 1. Januar beschlossene Erhöhung auch vom Tisch; sie soll nun zum 1. April kommen, wie Lenzer sagt. Bis dahin solle das Ganze auch – rechtssicher und unbürokratisch – über eine Satzung geregelt werden.
Der Bürgermeister spricht schon von einem weiteren Heizwerk
Während Lenzer einen "Fehler" einräumt, den er zu entschuldigen bitte, sprechen die verärgerten Fernwärmekunden von schlechtem Stil; sie hätten sich eine schrittweise Anpassung gewünscht. Von Stadträten sei zu hören gewesen, die Stadt habe "keinen Spielraum für Almosen" und sei "immer noch günstiger als andere Anbieter". Dieses "arrogante und bürgerferne Verhalten von Politikern" treibe Leute in die Arme radikaler Kräfte, kritisieren einzelne Kunden.
Und sie bezweifeln, dass die Stadt mit diesem Gebaren ihren eigentlichen Zweck erreiche: mehr Menschen für Fernwärme zu gewinnen und ein weiteres Biomasseheizwerk in der Stadt zu errichten. Der aktuelle Stadtrat könne "mit gutem Grund als Totengräber des Fernwärmenetzes" betrachtet werden, heißt es in einem der Briefe.

Der Bürgermeister kennt diese Stimmen, verweist aber auf die anstehende Wärmewende, die der Staat den Kommunen auferlegt habe. Wer heute noch mit Öl oder Gas heize, werde bald gezwungen sein, auf alternative Energiequellen umzustellen.
Ein möglicher zweiter Standort für ein Biomasseheizwerk ist bereits gefunden: nahe der Verbrauchermärkte unterhalb der B8. Dort könnten nicht nur Rewe, Aldi oder Edeka anschließen, sondern auch zusätzliche Teile der Altstadt. Hansi Ruck hat bis vor Kurzem überlegt, sich mit einem weiteren Anwesen ans städtische Fernwärmenetz zu hängen. "Das ist jetzt natürlich erst einmal vom Tisch."
Ihr Einwand ist berechtigt. Der Iphöfer Stadtrat ist im Dezember 2024 allerdings der Empfehlung des eigenen Finanzausschusses gefolgt. Darin heißt es: "Eine Nachholung der vergangenen Defizite ist grundsätzlich möglich, wird hier jedoch nicht berücksichtigt." In die Neukalkulation fließen die vorangegangenen Verluste also nicht ein.
Viele Grüße
Eike Lenz, Lokalredaktion Kitzingen
Heute sind 14% aller
bundesdeutschen Haushalte an ein Fernwärmenetz angeschlossen.
Das Fernwärmenetz ist und wird auch immer grüner.
Gerade dort, wo die Abwärme aus der Stromproduktion genutzt , oder wo über Grosswärmepumpen z.B. aus Flusswasser Heizenergie gewonnen wird, macht Fernwärme viel Sinn.
Irgendwelchen dahergelaufenen Online-Haderlumpen traut man da ja einiges zu, von der eigenen Gemeinde erwartet man aber solche Rechtswidrigkeiten eigentlich nicht.
Und die Umwelt? Viele Heizkraftwerke in Deutschland laufen mit Gas.