
Der Krawattenknoten sitzt perfekt unter dem Hemdkragen, das helle Jackett gibt ihm eine locker-elegante Note, Wilhelm Schneider (CSU) lächelt freundlich, aber bestimmt und strahlt Zuversicht aus. Kurzum: Der Landrat blickt so, wie ein Landrat eben blicken muss auf dem Foto zu seinem Weihnachts- und Neujahrsgruß an die Bevölkerung, hier die des Landkreises Haßberge.
Keine Frage, nicht nur der Bundeskanzler darf und muss vielleicht sogar in seiner Neujahrsansprache auf die weltpolitische Lage eingehen, sondern auch ein Landrat. Wilhelm Schneider spricht das Leid in Israel und im Gazastreifen an, und den russischen Angriffskrieg, der durch die vielen Geflüchteten ohnehin direkte Auswirkungen bis in den Landkreis hat. "Am liebsten möchte man die Welt schütteln und den Menschen, den verantwortlichen Politikern, zurufen: Kommt doch bitte endlich zur Vernunft", schreibt Schneider.
Nach einem Schwenk über Klima- und Wirtschaftskrise, Ampel-Aus und Inflation kommt der Landrat dann zu seinem Wirkungskreis, dem Landkreis Haßberge. Und alsbald ist man versucht darüber nachzudenken, ob ein Portraitfoto von ihm mit Mundwinkeln leicht nach unten und etwas mehr Sorgenfalten besser zum Text gepasst hätte.

Denn Schneider spricht von "enormen Herausforderungen" auf der kommunalen Ebene, von der angespannten finanziellen Situation des Landkreises. Er erwähnt explizit vier Bereiche, die dem Kreishaushalt besonders zusetzen – auch und gerade im zu Ende gehenden Haushaltsjahr, für das der Kreistag im Frühjahr ein 110-Millionen-Euro-Paket beschlossen hatte. Diese vier Bereiche sind:
Erstens: die teure Jugendhilfe
Die Ausgaben für soziale Leistungen, insbesondere die Kinder- und Jugendhilfe, galoppieren davon. Allein für die Jugendhilfe wird der Landkreis 2025 rund 11,3 Millionen Euro ausgeben, deutlich mehr als im laufenden Jahr und doppelt so viel wie noch 2017. Steigende Personalkosten, steigende Entgeltsätze bei den Einrichtungen, die sich um die jungen Menschen kümmern, aber auch immer teurer werdende Maßnahmen für Eingliederungs- oder Mutter-Kind-Hilfen seien für die Kostenexplosion verantwortlich, hatte der Landrat bereits im Oktober im Jugendhilfeausschuss erklärt.
Zweitens: die steigenden Kosten für Integration
Die Kosten für die Integration von Geflüchteten schnellen in die Höhe. Um welche Summen und Steigerungsraten es sich hier handelt, konnte das Landratsamt Haßberge auf eine (kurzfristige) Anfrage der Redaktion nicht ermitteln; das sei auf die Schnelle nicht möglich, weil sich Personal- und Sachkosten auf mehrere Kostenträger verteilen, teilte Pressesprecherin Moni Göhr mit. Doch in den drei Jahren von 2022 bis 2024 sind ihr zufolge im Landkreis Haßberge rund doppelt so viele Geflüchtete angekommen als im Vergleichszeitraum 2015 bis 2017. Heißt: Jeder einzelne Geflüchtete kostet Geld und "mit steigenden Flüchtlingszahlen steigen folglich auch die Kosten". Rund 1600 Wohnplätze wird der Landkreis im ersten Quartal 2025 zur Verfügung stellen, laut Moni Göhr eine "bislang nicht gekannte Größenordnung".
Drittens: das anhaltende Defizit der Haßberg-Kliniken
Gerade erst haben die Haßberg-Kliniken stolz verkündet, sich bis 2030 zum besten Gesundheitsdienstleister in Franken aufschwingen zu wollen. Seit Jahren indes muss der Landkreis seinem Kommunalunternehmen Millionenbeträge zuschießen, und so wird es auch 2025 sein. Der Wirtschaftsplan der Haßberg-Kliniken für das kommende Jahr kalkuliert mit einem Fehlbetrag von 6,1 Millionen Euro, der über den Kreishaushalt ausgeglichen werden muss. Immerhin: Das Defizit für 2024 fällt mit irgendwo zwischen 4,6 und 5,2 Millionen Euro deutlich geringer aus als erwartet, prognostiziert waren hier 7,9 Millionen Euro Miese.
Viertens: die erheblichen Mehrbelastungen beim ÖPNV
Damit sich die Menschen in Haßbergen, Steigerwald und Maintal ohne eigenes Kraftfahrzeug von A nach B bewegen können, hat der Landkreis im Jahr 2024 nach Auskunft der Behörde 6,8 Millionen Euro (brutto) allein in den Linienverkehr investiert. 2025 werden es wohl rund 10 Millionen Euro sein, schätzt man im Landratsamt. Welche Mehrbelastung sich hier auftürmt, zeigt der Blick zurück: Im Jahr 2020 waren es lediglich 1,3 Millionen Euro, und noch 2023 "nur" 2,2 Millionen. Wegen steigender Treibstoffpreise und Werkstatt- sowie Lohnkosten seien die Kilometersätze "sehr gestiegen", begründet Pressesprecherin Göhr die Ausgabenexplosion. Das Deutschlandticket spielt hier nicht mit rein.
Alles in allem seien die genannten Kosten mit den vorhandenen Mitteln kaum mehr zu bewältigen, warnt Landrat Schneider in seinem Grußwort. Die finanziellen Spielräume und Rücklagen seien aufgebraucht, "und wir dürfen nicht Gefahr laufen, wichtige Leistungen nicht mehr in vollem Umfang sicherstellen zu können".
Ein durchaus düsteres Bild, das sich dadurch noch dunkler färbt, dass die Lage in der Mehrzahl der kreisangehörigen Kommunen auch nicht gerade rosig ist. In Haßfurt etwa hat gerade erst Bürgermeister Günther Werner (Wählergemeinschaft) trotz guter Einnahmen gewarnt, dass die Kreisstadt immer mehr an finanzielle Grenzen stoße. Das von Industrie- und Gewerbe einst verwöhnte Knetzgau hat aus Sorge vor Finanznöten für 2024 geplante Investitionen in Millionenhöhe bereits gestrichen.
Solidarische Unterstützung aller Ebenen gefordert
Landrat Wilhelm Schneider fordert deshalb weitere Unterstützung des Bundes und des Freistaates. "Nur gemeinsam, mit einer solidarischen Unterstützung aller Ebenen, können wir dafür sorgen, dass auch in Zukunft die Lebensqualität in unserem Landkreis gesichert bleibt", beschwört er die Politik in München und Berlin.
Aber was wäre ein Weihnachts- und Neujahrsgruß ohne positive Botschaften? Das Kreisoberhaupt freut sich über die Gründung des Regionalwerks, die positive Entwicklung des Technologietransferzentrums für Kunststoff (TTZ) in Haßfurt, den freien Weg für das Naturparkzentrum in Königsberg. Er dankt jenen, die bei der Integration von Geflüchteten helfen, überhaupt allen Ehrenamtlichen, und stellt schließlich fest, dass ein neues Jahr auch neue Hoffnung bedeutet. "Lassen Sie uns mit Zuversicht und Vertrauen ins Neue Jahr gehen", dieser Appell an die Bürgerinnen und Bürger passt wiederum perfekt zum Foto, das seine Grußworte begleitet.
Nachzulesen sind die Worte des 66-Jährigen auf der Homepage des Landratsamtes.