Für Ende Oktober ist ein Ereignis geplant, das der Landkreis Haßberge lange vorbereitet hat: die Gründung eines Regionalwerks. "Der erste Schritt ist erreicht", sagte Landrat Wilhelm Schneider (CSU) am Mittwoch bei einem Pressetermin im Landratsamt Haßberge: Alle Städte, Märkte und Gemeinden im Landkreis haben mittlerweile einer Beteiligung am Regionalwerk zugestimmt. "Wir haben 26 Beschlüsse der Kommunen, viele davon waren einstimmig", so der Landrat. "Das ist die Voraussetzung, dass wir die Satzung unterzeichnen können."
Denn: Hätte auch nur eine Gemeinde beschlossen, beim Regionalwerk nicht mitzumachen, wäre eine "Extrarunde" nötig gewesen. Die Beiträge der übrigen Kommunen hätten neu berechnet werden müssen, das hätte erneute Abstimmungen erfordert und das Projekt wohl um einige Monate zurückgeworfen. Doch so zeigten sich Schneider und seine Mitstreiter vom Landratsamt sowie der Gesellschaft zur Umsetzung erneuerbarer Technologieprojekte (GUT) zufrieden. Der Gründung des Regionalwerks steht nun nichts mehr im Wege. Ein Überblick, was geplant ist.
Was ist das Ziel des Regionalwerks?
"Wir wollen die regionale Wertschöpfung bei uns behalten", so GUT-Geschäftsführer Marco Siller bei dem Pressetermin im Landratsamt. Wenn der ländliche Landkreis schon so gut als Standort für Windkraftanlagen oder Photovoltaik geeignet sei, dann solle auch die Region selbst davon profitieren. Ziel sei auch, der Bevölkerung einen stabileren Strompreis bieten zu können – auch in unsicheren Zeiten.
Um das zu verdeutlichen, zeigt Siller, wie sich die Strompreise seit Beginn des Kriegs in der Ukraine entwickelt haben. So war die Preisentwicklung geprägt von starken Schwankungen mit zeitweise sehr hohen Ausschlägen nach oben. Da wohl kaum mit dem "Weltfrieden" und erneuten Lieferungen von billigem Gas aus Russland zu rechnen sei, sei es sinnvoll, sich in Sachen Energieversorgung von einer "unruhigen Welt" unabhängig zu machen. Zudem hat sich der Landkreis das Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2030 klimaneutral zu werden.
Was fehlt dem Landkreis zur Klimaneutralität?
"Beim Strom sind wir schon weit, jetzt kommt es auf Wärme und Verkehr an", sagt Landrat Schneider. Das sieht auch GUT-Chef Siller so: "Die Energiewende hängt davon ab, dass die Wärmewende klappt."
Allgemein würden sich zur Energiegewinnung – sei es nun für Strom oder Wärme – Sonne und Wind gut ergänzen. Denn gerade in den Herbst- und Wintermonaten, in denen Photovoltaik weniger Energie liefert, sei dafür der Wind umso stärker. Der Rest müsse dann mit Möglichkeiten zur Energiespeicherung ausgeglichen werden. In Sachen Photovoltaik sei der Landkreis bereits gut aufgestellt, allerdings brauche es noch rund 20 neue Windkraftanlagen, um die angestrebten Ziele zu erreichen. Der Weg dafür sei durch den Wegfall der 10-H-Regel freigeworden, so die Beteiligten.
Warum ist das Regionalwerk Haßberge das erste echte Regionalwerk in Bayern?
"Es gibt schon andere, die sich auch Regionalwerk nennen", sagt Landrat Schneider. Dennoch: Das Regionalwerk Haßberge sei das erste echte Regionalwerk in Bayern, das eine umfassende Rolle als Energieversorger übernehmen kann. Möglich gemacht hat das erst eine Gesetzesänderung, die seit Anfang des Jahres 2024 in Kraft ist, erklärte Christian Mottl, juristischer Experte bei der Kommunalaufsicht.
Vorher war es Landkreisen untersagt, Mengen an Energie zu produzieren, die über den Eigenbedarf hinausgehen. Aus diesem Grund hatte der Landkreis auch viele Jahre lang kaum Photovoltaikanlagen auf die Dächer der kreiseigenen Gebäude gebaut, obwohl dort viel Platz gewesen wäre. Mit dem Wegfall dieser Beschränkung kann der Landkreis nun das Regionalwerk gründen und damit selbst als Stromhändler auftreten. "Wir können erzeugen, betreiben und vertreiben", fasst es der Landrat zusammen.
Tritt das Regionalwerk damit in Konkurrenz zu den Stadtwerken?
Nein, lautet die klare Antwort der Verantwortlichen bei GUT und Landratsamt. "Wir arbeiten für die Versorger, die schon da sind, und bieten ihnen ein Produkt, das sie nehmen können", sagt Marco Siller. Wohl gemerkt: Können, nicht müssen. So könne ein kommunaler Versorger wie das Stadtwerk Haßfurt immer noch selbst entscheiden, ob er den Strom vom Regionalwerk beziehen möchte oder doch auf einen anderen Stromhändler zurückgreift.
Dabei zeigt sich Siller jedoch selbstbewusst, dass das Regionalwerk ein gutes Angebot machen könne, das sich für Stadtwerke durchaus lohne. Er spricht von einer engen Partnerschaft und Zusammenarbeit in enger Abstimmung.
Wie finanziert sich das Regionalwerk?
Das Regionalwerk geht mit einem Stammkapital von 1,16 Millionen Euro an den Start. Das Geld kommt vom Landkreis und seinen 26 Kommunen, also von insgesamt 27 Beteiligten. Der Landkreis zahlt daher ein 27-stel des Gesamtbetrages, den Rest teilen sich die Städte, Märkte und Gemeinden anteilig nach ihrer Einwohnerzahl.
Mit dem Geld soll das Regionalwerk aufgebaut werden, in der Hoffnung, dass es danach genug Einnahmen abwirft, um sich selbst zu finanzieren und keine weiteren Zuschüsse mehr zu benötigen. Sollten dennoch weitere Ausgaben für das Regionalwerk nötig sein, müssten die Kommunen allerdings erneut darüber abstimmen, ob sie sich an den Kosten beteiligen wollen. Mit ihrem Beitritt haben die Gemeinden sich also nicht verpflichtet, die Einrichtung notfalls mit immer neuen Finanzspritzen am Leben zu halten.
Wo soll das Regionalwerk entstehen?
Das Regionalwerk soll in Haßfurt angesiedelt sein, ein genauer Standort werde noch gesucht. Grund dafür, dass man sich für die Kreisstadt entschieden hat, sei die Nähe zum Landratsamt, immerhin sei doch immer wieder eine gewisse Abstimmung mit der Politik nötig.
Die Beteiligten betonen aber, man dürfe sich das nicht so vorstellen, als würde bald in Haßfurt ein neues, großes Bürogebäude als Standort des Regionalwerks errichtet werden, ähnlich dem Verwaltungssitz des Haßfurter Stadtwerks. "Wir brauchen erst mal nur ein Büro", betont der Landrat.
Langfristig sollen durch das Regionalwerk auch neue Arbeitsplätze entstehen, erklärt Landratsamts-Geschäftsleiter Marcus Fröhlich. "Es wird mal Mitarbeiter geben, aber das baut sich erst langsam auf." Eine konkrete Zahl nennt er nicht.
Welche Kritik gibt es an den Plänen?
Zwar haben der Kreistag und alle Kommunen der Gründung zugestimmt, allerdings gab es auch Gegenstimmen. Besonders knapp war es in Kirchlauter mit acht zu fünf Stimmen. Im Kreistag gab es eine Gegenstimme vom Knetzgauer Bürgermeister Stefan Paulus (SPD/CWG), der gegenüber der Redaktion angab, er sei "davon nicht überzeugt", dies allerdings nicht weiter begründet.
In Rentweinsdorf stimmte der Marktgemeinderat zwar einstimmig für das Projekt, einige Ratsmitglieder hatten im Vorfeld aber offenbar eine E-Mail – mutmaßlich aus der Bürgerschaft – erhalten, die sie dazu aufforderte, gegen das Regionalwerk zu stimmen. Zur Begründung hieß es darin, auf die Kommunen würden hohe Kosten zukommen, "weil die Regionalwerke im hart umkämpften Strommarkt konkurrenzfähig sein müssen". So wird das Projekt als "realitätsfremdes Wunschdenken aus dem Haßfurter Maintal" bezeichnet, man solle das Geld lieber in den Erhalt der Kreiskliniken stecken.