Martin Hußlein ist frustriert. Gerne würde der Prappacher sein Auto öfter mal stehen lassen und mit dem Bus fahren. Nach Haßfurt zum Bahnhof, beispielsweise. Oder auch ins Gewerbegebiet Godelstatt, um Einkäufe zu erledigen. Doch das gestaltet sich in Prappach schwierig.
Besonders häufig fahre der Bus den Haßfurter Stadtteil nicht an, erklärt Hußlein im Gespräch mit dieser Redaktion. Die Anbindung an den ÖPNV sei schlecht. Das zeigt auch eine kürzlich veröffentlichte Studie des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR). Demnach liegt der Landkreis Haßberge beim ÖPNV bundesweit auf dem vorletzten Platz.
Der Auswertung des BBSR nach können 90 Prozent der Deutschen mindestens eine Bus- oder Bahnhaltestelle – die täglich mindestens 20-mal vom ÖPNV angefahren wird – zu Fuß gut erreichen. Die Studie zeigt den Anteil der Bevölkerung auf, die eine entsprechende Bushaltestelle im Umkreis von 600 Metern oder einen entsprechenden Bahnhof im Umkreis von 1,2 Kilometern vorfindet. Deutlich darunter liegt der Haßbergkreis: Hier sind es nur 37 Prozent.
Dass die Region so schlecht abschneidet, wundert den 77-jährigen Hußlein nicht. Gerade vier Kilometer sind es vom Stadtteil bis in die Kernstadt. Zwei Rufbusverbindungen gibt es laut aktuellem Plan des Verkehrsverbunds Großraum Nürnberg (VGN) und drei reguläre Verbindungen – mit teils einer Stunde Fahrtzeit von Prappach bis zum Haßfurter Bahnhof.
Wer an einen Arzttermin gebunden ist, einen günstigen Zug mit Terminbindung vom Haßfurter Bahnhof aus gebucht hat oder auch einfach nur spontan in die Kreisstadt will, stehe also vor einem Problem, erklärt Hußlein. Ebenso all jene, die vom Haßfurter Bahnhof zurück nach Prappach kommen wollen – und im schlimmsten Fall gezwungen sind, mehrere Stunden am Bahnhof auszuharren, bis der Bus dann endlich kommt.
Hußlein schüttelt den Kopf: "Es hat sich in den letzten Jahren zu wenig getan." Er wünscht sich deshalb, dass seine Ortschaft an eine bereits bestehende Buslinie angebunden wird, im besten Fall an die, die von Haßfurt über Oberhohenried nach Königsberg, Ostheim, Hofheim und dann wieder retour fährt. Auch ein Stopp in der Godelstatt wäre schön, sagt Hußlein. Ihm geht es um eine vernünftige Verknüpfung der Buslinien, auch unter Einbeziehung der An- und Abfahrtszeiten der Bahn.
Die Defizite sind im Landratsamt bekannt
Dass der ÖPNV im Haßbergkreis dem Rest von Deutschland hinterherhinkt, ist auch im Landratsamt bekannt. Dort gibt es Pläne, um die Lage zu verbessern. Bereits im Jahr 2018 sei zusammen mit dem VGN einen Nahverkehrsplan für den ÖPNV im Haßbergkreis erarbeitet worden, der Defizite aufzeigt. "Diese werden bereits Zug um Zug, im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten, behoben", so Pressesprecher Michael Rahn.
Der Landkreis wende bereits Mittel auf, um das bestehende Angebot weiter sicherzustellen und Schwachstellen auszumerzen. Im vergangenen Jahr sind laut Rahn zwei Millionen Euro in den ÖPNV investiert worden und damit dreimal so viel wie noch 2018. Verschiedene Maßnahmen gebe es bereits – doch die Umsetzung dauert.
Künftig gibt es fünf Linienbündel im Haßbergkreis
Denn geändert werden kann– vereinfacht gesagt – erst dann etwas, wenn eine sogenannte Linienkonzession ausläuft und neu vergeben wird. Das passiert zum 1. September 2023, zum 1. August 2024 und zum 1. August 2025. Künftig sollen die Linien im Haßbergkreis dann auf fünf sogenannte Linienbündel – eine Art Netz – die sich auch überschneiden, aufgeteilt werden. Im Zuge dessen werden laut Rahn neue Mindeststandards festgelegt. Konkret: Eine Optimierung der Fahrpläne, der Linienführungen, der Taktdichte und auch der Fahrzeugausstattung.
Den Startschuss macht das Linienbündel 3 und zwar zum 1. September 2023. Es beinhaltet laut der Behörde die öffentlichen Buslinien 1163 (Haßfurt – Wülflingen – Sailershausen), 1164 (Haßfurt – Prappach – Augsfeld) und 1166 (Kreuztal/Riedbach – Holzhausen/Römershofen –Haßfurt).
"Neu ist die Bedienung an Samstagen und an Sonn- und Feiertagen", erklärt die Behörde. "In Zahlen sind dies insgesamt 59 neu eingeführte Fahrten auf den drei Buslinien, im Vergleich zum jetzigen Fahrplanangebot." Beginn sei wochentags bereits am Morgen gegen 6.30 Uhr. Und: Busse sollen nun auch noch nach 17 Uhr fahren.
Mit den Änderungen will die Behörde auch ein verbessertes Angebot für Pendlerinnen und Pendler schaffen, die mit dem Zug weiterfahren möchten. Ebenso sei die Anbindung an das Gewerbegebiet Godelstatt ausgebaut worden. Ab September wird das Gewerbegebiet also häufiger von Bussen angefahren. In den Tagesrandlagen, also am Morgen und am Abend, in den Ferien und an den Wochenenden verkehren die Fahrten laut Landratsamt bedarfsabhängig als Rufbusse.
Das Landratsamt sieht Ergebnisse der Studie auch kritisch
Die Studienergebnisse der BBSR könne die Behörde im übrigen so nicht bestätigen, erklärt Rahn. Denn die ermittelten 37 Prozent beziehen sich nicht allein auf die Entfernung, sondern auch auf die Bedienhäufigkeit. Diese spiegele die tatsächliche Nutzbarkeit des ÖPNV-Angebots aber nicht vollständig wider – gerade im ländlichen Raum. "Ebenso relevant ist auch, wohin die Fahrten verlaufen", sagt Rahn. Beispielsweise zum Mittelzentrum. Oder eben doch nur in eine kleine Nachbargemeinde ohne Einkaufsmöglichkeiten oder größeren Arbeitgeber.
"Der wichtige Aspekt der Erreichbarkeit - das heißt, was kann der Fahrgast mit den vorhandenen Abfahrten 'anfangen' – wird in der BBSR-Studie – soweit für uns erkennbar – nicht betrachtet", stellt die Behörde klar.
Mindestbedienung in Zeiten des Fahrermangels sei utopisch
Zwar sei laut dem Landratsamt fast jeder Ortsteil im Haßbergkreis mit ÖPNV-Haltestellen ausgestattet – der Norden und Süden des Landkreises sei jedoch anders strukturiert als das Maintal. "Dies macht es ungleich schwieriger, einen attraktiven ÖPNV für jedermann anzubieten, der finanzierbar ist", sagt Rahn. Und: "Für eine Mindestbedienung aller Ortsteile mit 20 Abfahrten je Tag für jeden Weiler fehlt einerseits der Bedarf, andererseits erscheint das auch in Zeiten des Fahrermangels utopisch."
Die Konzession der Buslinie, die Prappach anfährt, läuft zum 1. September 2023 aus. Martin Hußlein kann dann damit rechnen, dass der Bus nach neuer Konzessionsvergabe häufiger Halt in Prappach macht: Dann wird es laut dem Landratsamt wochentags statt den bisherigen fünf. Und acht von der Kreisstadt aus in den Ortsteil.
Aufgrund der bayerischen Ferien verkehren die Busse bis zum Schulanfang laut der VGN-Fahrplanauskunft als Rufbus. "So werden unnötige Fahrten vermieden, die Rufbusse kommen nach einer Voranmeldung des Fahrgastes zuverlässig und fahren somit nur bei einem tatsächlich existierenden Bedarf", begründet hier die Behörde.
Ab dem Schulstart am 12. September 2023 können die Prappacher Bürgerinnen und Bürger den ÖPNV dem Fahrplan zufolge dann nochmals häufiger und auch zum Großteil ohne vorherige Anmeldung für einen Rufbus nutzten. Martin Hußlein dürfte das freuen.
Genauere Informationen dazu, wann ein regulärer Bus fährt und wann ein Rufbus, gibt es auf der Seite des VGN unter www.vgn.de. Dort sind die neuen Fahrpläne bereits jetzt einsehbar.
„Keiner der fünf am schlechtesten mit ÖPNV-Dienstleistungen versorgten Landkreise gehört zu den Landkreisen mit der geringsten Bevölkerungsdichte. Insofern ist eine gute oder schlechte ÖPNV-Anbindung kein Naturgesetz, sondern das Ergebnis von guter oder schlechter Verkehrspolitik“, so Fege.
„Zehn Abfahrten werktags pro Richtung sind nicht einmal ein Stundentakt in der für Berufstätige wichtigen Zeit von 6 bis 20 Uhr. Wenn Bus und Bahn in Schulferien und am Wochenende noch seltener fahren, bleibt vielen Menschen nur der Individualverkehr“, sagt der Allianz-pro-Schiene-Geschäftsführer Dirk Flege.
Quelle jeweils www.busplaner.de - BBSR-Studie: Bei der ÖPNV-Anbindung gibt es teils noch sehr viel Luft nach oben - vom 27.06.2023
Luft nach oben um schnell etwas zu tun? *
Lt. Bernhard Hornig als Beauftragter für den Nahverkehr im Landratsamt Kitzingen lässt sich bereits nach kurzer Zeit absehen: Das Ruftaxi „Callheinz“ ist der Renner. „Ohne dass wir uns auf die Schulter klopfen wollen: 'Callheinz' ist sehr gut gestartet und kommt bei den Leuten an“. Quelle ebenfalls Mainpost – Ausgabe Kitzingen – Seite 25 – vom 21.07.2023: Die Beliebtheit des Ruftaxis wird noch deutlicher, wenn man die konkreten Fahrgast-Zahlen aus dem Einsatz von Kleinbussen und Fahrzeugen in Teilen der Landkreise Schweinfurt und Kitzingen nimmt.
„Callheinz“ soll Lücken im Nahverkehr schließen.
Helmut Geß
97437 Haßfurt
Tulpenweg 10
Zur passenden Zeit ein Taxi zu bekommen ist auch nicht so einfach insbesondere, seitdem vermehrt längere Dialysefahrten anfallen.
Muss sich da nicht schnell etwas tun? Nicht erst in 2 Jahren? Der Zustand ist doch schon lange bekannt? Kann man mit den Konzessionsinhabern nicht reden? Wie sollen die Einwohner das 49-Eruo-Ticket nutzen – sollen alle in größere Städte ziehen? Aktuell bin ich per ÖPNV z. B. schneller in Bamberg und Schweinfurt als im Einkaufzentrum Godelstatt, also dort einkaufen?
Warum nicht mit einem Rufbussystem (wie Flexibus in Günzburg) auch in Haßfurt und den Stadtteilen anfangen - mit kleinen Fahrzeugen, für die kein Omnibusführerschein benötigt wird? Gemeinsam mit den Nachbarlandkreisen (Callheinz – Schweinfurt, Kitzingen, Rhön/Grabfeld) – heute und nicht erst übermorgen? Sind solche Maßnahmen nicht förderungsfähig?
Ich wohne im nördlichen Landkreis und nutze den ÖPNV, so gut es eben geht.
Wenn ich zum Elektrofachmarkt muß, dann bin ich bequemer mit Zug und Stadtbus in Bamberg bei XY als in HAS bei XP.
Aber Haßfurt mit seinen Stadtteilen könnte mit einem Stadtbusverkehr oder Rufbussystem wirklich gewinnen.
Möglicherweise sollte der versammelte Stadtrat mal vom Eisstadion am Distelfeld zum OBI in die Godelstatt wandern, jede/r kauft zwei Säcke Grillkohle und dann gehts zu Fuß wieder zurück. Möglicherweise versteht man dann die Problematik.
Die Überlandbusse sollten nach Möglichkeit nicht noch weiter Zick-Zack fahren, als jetzt schon, ich verstehe den Prappacher, aber die Linie HAS-HOH-Maroldsweisach fährt jetzt schon deutlich mehr Orte an, als an der direkten Strecke liegen.
Und Sonntag bleibt man halt daheim, da gibts keinen Bus. Das Taxi kostet einfache Fahrt mehr als das Deutschlandticket pro Monat.
Der Fahrermangel wird noch weiter dramatisch zunehmen, wenn demnächst die Babyboomer in Rente gehen - allein daran wird die Mobilitätswende krachend scheitern!
Einziger Ausweg wäre autonomes Fahren - das geht, wenn überhaupt, nur auf der Schiene (wie bereits seit langem Nürnberger U-Bahn). Aber DB, CSU und viele Anliegergemeinden waren geg. die Reaktivierung der Steigerwaldbahn und dann kam auch noch das Aus für Personenverkehr auf der Werntalbahn.
SW Hbf hat Schienen in 6 Richtungen (WÜ/KT/HAS/NES/KG/Werntal) und schlummert dahin, mit 2 Stumpfgleisen und einem Steg, die nicht mehr benutzt werden - und beschämenden 7000 Reisenden pro Tag - mitten in der Großindustrie mit abertausenden Arbeitnehmern! Dazu kommt noch das Straßenbrücken-Problem über den Main!
Das ist "Mobilitätswende" auf Art der Region Main-Rhön. Wir sind hierbei von vorgestern - aber es werden ständig grüne Sprüche gemacht.