Hochwasser im Landkreis Haßberge: In Zeil am Main stehen am Freitag weite Teile der Altstadt unter Wasser, in Ebern sind die Keller der Realschule vollgelaufen, während Schülerinnen und Schüler Prüfungen schreiben. Im über die Ufer tretenden Stöckigsbach in Zell am Ebersberg versinkt ein Pkw in den Wassermassen. Und in Hainert werden zum zweiten Mal innerhalb einer Woche die den Seebach begleitenden Anwesen überflutet. Dies sind nur wenige Beispiele für die teils enormen Überschwemmungen, die die Starkregen dem Heimatkreis am Freitag beschert haben.
Am späten Nachmittag spricht Kreisbrandrat Ralf Dressel davon, dass weiten Teilen des Landkreises von Überschwemmungen betroffen sind, zwei Drittel der Feuerwehren seien deshalb im Einsatz. In Zeil ist und bleibt die Lage gegen 16 Uhr noch dramatisch: Die Altach führt so starkes Hochwasser, dass die Altstadt unter Wasser ist. Das THW Forchheim ist angerückt, um mit Spezialgerät 25 000 Liter Wasser pro Minute fortzupumpen. Bürgermeister Thomas Stadelmann spricht von einem "Wahnsinnshochwasser", von Naturgewalten, gegen die man wenig ausrichten könne. Eine Bürgerin musste sogar evakuiert werden. "Gott-sei-Dank haben wir keinen Personenschaden", sagt Stadelmann um 16.30 Uhr und schöpft Hoffnung, weil es aufgehört hat zu regnen.
Zwischen 70 und 80 Liter Regen pro Quadratmeter
Der Zeiler Kommandant Tobias Hetterich sprach von einer "dramatischen" Lage, innerhalb kürzester Zeit seine zwischen 70 und 80 Liter Regen pro Quadratmeter gefallen. "Wir retten, was noch zu retten ist", sagte er dieser Redaktion. Unterstützung erfuhren die Floriansjünger allerorts, in Zeil beispielsweise von Anwohnern, die auf einem benachbarten Spielplatz Sandsäcke füllten.
Steffi Wolfschmitt, die Zeit ihres Lebens am Bach in Zeil wohnt, kann sich an ein ähnliches Ereignis nicht erinnern: "Sowas habe ich noch erlebt, dass das Wasser so hoch war wie jetzt". Eine andere Anliegerin erinnert sich daran, dass ihr Opa immer erzählt hatte, dass er in den 1920-er Jahren in der Scheuerngasse mit einem Boot auf dem Hochwasser gefahren ist. Und auch schon Jahre zuvor muss es die Fachwerkstadt schon einmal stark getroffen haben. An einem Wohnhaus in der Scheuerngasse ist eine Hochwassermarke aus dem Jahre 1884 zu finden. Demnach stand dort die Straße etwa einen halben Meter unter Wasser.
Zeil ist der Einsatzschwerpunkt im Landkreis. Wie es hier wirklich weitergeht, kann zu diesem Zeitpunkt niemand sagen, das hängt auch davon ab, ob nicht noch mehr Regen kommt.
Gemeinde Knetzgau fordert Bürger zu Kellerräumung auf
Ein anderer Schwerpunkt des Hochwassergeschehens liegt in der Gemeinde Knetzgau. Hier hat es vor allem die Ortschaften Westheim, Hainert und Oberschwappach erwischt. In Zell am Ebersberg versinkt ein Pkw in den Fluten des Stöckigsbachs, das neu erbaute Tierheim steht unter Wasser. Doch bis zum Nachmittag entspannt sich die Lage in den Knetzgauer Ortsteilen.
Dagegen wird man der Hauptort Knetzgau nervös: Er wird im Westen durch ein großes Sammelbecken mit Damm vor Überflutungen durch den Westheimer Bach geschützt, der von Südwesten kommend durch die Ortschaft zieht. Doch die Wassermassen erreichen gegen 14 Uhr die Kante des Damms, weswegen Bürgermeister Stefan Paulus die Bewohnerinnen und Bewohner entlang des Wasserlaufes auffordert, ihre Keller zu räumen. Zwei Stunden später hat sich die Lage nicht dramatisch zugespitzt, aber es gibt auch keine Entwarnung.
Es ist schwer, den Überblick über die Lage zu behalten: Zu viele Ortschaften und Straßen sind von den Überschwemmungen betroffen, ob Altershausen, ob Westheim oder Steinsfeld. Dort überflutete der Mühlbach die Sportplätze und das Sportheim, die Straße nach Wonfurt musste zeitweise gesperrt werden.
Andernorts werden Straßen zu Flüssen, Keller zu Wasserbassins, manche Anwesen zu Inseln. In Hainert hat es die Nachbarn des Seebachs nun zum zweiten Mal innerhalb einer Woche erwischt. Diesmal aber noch härter: Der See, den der Seebach aufstaut, ist auf Ausmaße angewachsen, die es seit 70 Jahren nicht mehr gegeben hat, sagen die Anwohner.
Hennemann spricht von "Jahrhunderthochwasser"
Hart erwischte es auch die Stadt Ebern. Dort spricht Bürgermeister Jürgen Hennemann (SPD) gar von einem „Jahrhunderthochwasser“. Nach Dauerregen in der Nacht und in den Morgenstunden war der Angerbach über das Ufer getreten und hatte neben Teilen der tiefer gelegenen Stadt auch den Keller der Dr.-Ernst-Schmidt Realschule überflutet.
Bis zu einem Meter hoch stand das Wasser dort in den Klassenzimmern, erzählt Schulleiter Hartmut Weis. „Zwischen 10 und 11 Uhr wurde klar, dass es sich zu einer Katastrophe entwickelt.“ 370 Schülerinnen und Schüler befanden sich zu diesem Zeitpunkt im Gebäude. Sie wurden auf den höher gelegenen Stockwerken in Sicherheit gebracht. „Zu keinem Zeitpunkt bestand für sie eine Gefahr“, betont Weis.
Abschlussprüfungen trotz Evakuierung
Die Abschlussprüfungen im oberen Stock mussten trotz des Ausnahmezustandes zu Ende geschrieben werden. Die Dr.-Ernst-Schmidt Realschule war gerade erst für rund 7 Millionen Euro saniert worden. Wie hoch nun der Schaden am Gebäude ist, steht noch nicht fest.
Noch am Nachmittag waren die Feuerwehren damit beschäftigt, Keller in der Stadt und den betroffenen Gemeinden im Umkreis trockenzulegen, erklärt Daniel Huttinger, Pressesprecher der Feuerwehr Ebern. 110 Feuerwehrleute waren hierfür mit rund 40 Pumpen im Einsatz. 60 Einsatzstellen zählte Huttinger bis zum frühen Freitagnachmittag allein im Bereich Ebern.