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Rügheim
Von Öl und Gas bald unabhängig? Dieses Dorf in den Haßbergen will zukünftig auf Nahwärme setzen
Im Hofheimer Stadtteil Rügheim laufen Planungen für ein Nahwärmenetz, das an die örtliche Biogasanlage gekoppelt sein soll. Was es für die Umsetzung braucht.
Die Rügheimer Dorfmitte (Archivbild): Im Ort laufen Planungen für den Bau eines Nahwärmenetzes.
Foto: René Ruprecht | Die Rügheimer Dorfmitte (Archivbild): Im Ort laufen Planungen für den Bau eines Nahwärmenetzes.
Rebecca Vogt
 |  aktualisiert: 10.05.2023 09:37 Uhr

Wird Rügheim nach Hohnhausen das zweite Dorf in den Haßbergen, das in seiner Wärmeversorgung von Öl und Gas unabhängig ist? Wenn es nach den Plänen einer Arbeitsgruppe geht, die sich vor Ort zusammengefunden hat, dann ja. Ähnlich wie im zur Marktgemeinde Burgpreppach gehörenden Hohnhausen soll in Rügheim ein Nahwärmenetz entstehen, das an die örtliche Biogasanlage gekoppelt ist. Die Bewohnerinnen und Bewohner des Hofheimer Stadtteils hätten so die Möglichkeit, sich wärmetechnisch neu aufzustellen.

Im Gespräch mit der Redaktion haben vier Mitglieder der Arbeitsgruppe, Daniel Bethmann, Horst Brochloß-Gerner, Rainer Huth und Steffen Lutz, vom aktuellen Stand der Planungen und dem Vorhaben in Rügheim berichtet.

Wie kam es zu der Idee, in Rügheim ein Nahwärmenetz aufzubauen?

Daniel Bethmann ist der Betreiber der örtlichen Biogasanlage in Rügheim. Der Landwirt hat diese 2010 in Betrieb genommen. Bereits seit 2013 existiert in Rügheim ein kleines Nahwärmenetz, an das 20 Haushalte angeschlossen sind, wie Bethmann berichtet. Er hätte das Projekt schon damals gerne bis in den Ortskern hinein realisiert, wo auch sein eigenes Haus liegt. Doch er wäre dort der einzige Anschlussnehmer gewesen. Zuletzt seien vermehrt Leute auf ihn zugekommen und hätten in Sachen Nahwärme angefragt, erklärt er.

Wie könnte das Nahwärmenetz in Rügheim aussehen?

Es gebe drei mögliche Varianten für das Nahwärmenetz, erklärt Steffen Lutz: Ein Nahwärmenetz, das sich auf den Dorfkern beschränkt; eines, das den Dorfkern und den erweiterten Umkreis versorgt; und schließlich die "große Variante", welche auch die Rügheimer Siedlung miteinschließen würde. Hierfür wäre ein Leitungsnetz von gut sechs Kilometern nötig, wie Daniel Bethmann ausführt. "Unser Ziel ist es, die große Lösung umzusetzen. Jeder, der sich anschließen lassen will, soll das auch können", unterstreicht Horst Brochloß-Gerner.

Vier Mitglieder der Rügheimer Arbeitsgruppe erklärten der Redaktion ihr Vorhaben in Sachen Nahwärmenetz (von links): Rainer Huth, Horst Brochloß-Gerner, Daniel Bethmann und Steffen Lutz.
Foto: Rebecca Vogt | Vier Mitglieder der Rügheimer Arbeitsgruppe erklärten der Redaktion ihr Vorhaben in Sachen Nahwärmenetz (von links): Rainer Huth, Horst Brochloß-Gerner, Daniel Bethmann und Steffen Lutz.

Was braucht es für die Umsetzung des Nahwärmenetzes?

Das Nahwärmenetz soll an die bereits vorhandene Biogasanlage gekoppelt sein und deren Abwärme nutzen. Zusätzlich ist eine Heizzentrale samt Hackschnitzelheizung und Pufferspeicher vorgesehen, wie Horst Brochloß-Gerner erklärt. Während die Biogasanlage vor allem die Grundlast abdecken soll, ist die Hackschnitzelheizung für den erhöhten Wärmebedarf im Winter gedacht. Gleichzeitig fußt das Nahwärmenetz so auf zwei Techniken, die unabhängig voneinander Wärme liefern können. Für die Umsetzung des Vorhaben ist indes Grundvoraussetzung, dass sich in Rügheim genug Anschlussnehmerinnen und - nehmer finden. Denn je größer die Lücken zwischen den einzelnen Anschlüssen sind, umso schwieriger wird der Aufbau eines funktionalen und wirtschaftlichen Netzes.

Was ist in Sachen Nahwärmenetz bisher geschehen?

Als Daniel Bethmann verstärkt Anfragen erreichten, ob man das bereits existierende Nahwärmenetz nicht erweitern könne, habe er seine Bereitschaft dazu erklärt. "Aber nur in einer Art von Genossenschaft", führt der Landwirt aus. Seit dem Frühjahr 2022 sei es dann Stück für Stück mit der Idee und den ersten Überlegungen zur Umsetzung vorangegangen. Eine Arbeitsgruppe fand sich zusammen. Anfang Juli gab es im Ort eine erste Info-Veranstaltung zu dem Vorhaben, Mitte Oktober dann eine zweite. Es wurden Erhebungsbögen ausgeteilt, unter anderem um Art und Alter der vorhandenen Heizungen sowie die Heizmengen zu erfassen. Knapp 80 Interessentinnen und Interessenten gibt es in Rügheim laut Steffen Lutz aktuell für einen Anschluss an das Nahwärmenetz. Bei insgesamt rund 210 Haushalten, wie Horst Brochloß-Gerner ergänzt.

Das in Rügheim geplante Nahwärmenetz soll an die örtliche Biogasanlage gekoppelt werden.
Foto: Rebecca Vogt | Das in Rügheim geplante Nahwärmenetz soll an die örtliche Biogasanlage gekoppelt werden.

Warum sind die Mitglieder der Arbeitsgruppe von ihrem Vorhaben überzeugt?

Die Welt der Energieversorgung habe sich nachhaltig verändert, urteilt Horst Brochloß-Gerner und verweist dabei unter anderem auf die schon im Vorfeld des Ukraine-Kriegs gestiegenen Energiekosten. Es sei unwahrscheinlich, dass die Preise je wieder auf das Niveau der Vorjahre zurückkehrten. Zu welchem Preis die Anschlussnehmerinnen und -nehmer in Rügheim mit Wärme versorgt werden können, lasse sich aktuell noch nicht sagen, schränkt er ein. Dies hänge nicht zuletzt von der Netzgröße und der Anzahl der angeschlossenen Haushalte ab. Aber für den Betrieb des Nahwärmenetzes sei die Gründung einer Genossenschaft vorgesehen und diese werde kostendeckend arbeiten und nicht auf Gewinne ausgerichtet sein.

Als weiteren Aspekt führt Brochloß-Gerner die Klimakrise samt entsprechender Weichenstellungen der Politik an. So sollen etwa nach den Plänen der Bundesregierung ab 2024 neue Heizungen, egal ob in Neubauten oder Bestandsgebäuden, zu einem Anteil von mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Ab 2026 dürfen hierzulande außerdem keine neuen Ölheizungen (mit einzelnen Ausnahmen, Anm. d. Red.) mehr installiert werden, wie Brochloß-Gerner ergänzt. Die Mehrzahl der Haushalte in Rügheim heize mit Öl. Der Einbau von Wärmepumpen ist aus Sicht der Arbeitsgruppe für Altbauten keine Option. Pellets- oder Holzscheit-Heizungen seien ebenfalls teurer geworden und unter Umweltgesichtspunkten langfristig auch nicht gewünscht. Vom Nahwärmenetz verspricht sich die Arbeitsgruppe daher eine Lösung für den gesamten Ort.

Wie geht es jetzt in Sachen Rügheimer Nahwärmenetz weiter?

Für Dienstag, 28. Februar, ist erneut eine Info-Veranstaltung zum angedachten Nahwärmenetz in Rügheim geplant. Sie beginnt um 19 Uhr und findet im Schüttbau statt. "Wir haben das Bestreben mit dieser Veranstaltung weiter zu informieren und noch einmal alle Rügheimer anzusprechen, ob nicht doch noch Interesse besteht", erklärt Horst Brochloß-Gerner. Die Rohre, die bei einer Umsetzung für das Nahwärmenetz verlegt werden sollen, würden an die jetzige Nachfrage angepasst. Im Nachgang noch die Kapazitäten auszubauen und weitere Haushalte anzuschließen, sei nicht ohne Weiteres möglich. Jetzt habe man die einmalige Gelegenheit, das Projekt für ganz Rügheim umzusetzen.

 
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