Dieser Abend dürfte in die Haßfurter Stadtgeschichte eingehen: Rund 2000 Personen haben sich am Dienstag auf dem Marktplatz der Kreisstadt versammelt, um ein Zeichen für Demokratie und gegen Rechtsextremismus sowie Hass und Hetze zu setzen. Der Freundeskreis Asyl Hofheim und der Verein Stolpersteine Haßberge hatten im Vorfeld zu einer "Mahnwache für Demokratie" geladen. Und ihrer Einladung ist eine breite Mitte der Gesellschaft gefolgt.
Auf dem Platz versammeln sich an diesem Abend viele junge Erwachsene, Jugendliche, Seniorinnen und Senioren, und auch Familien mit Kindern. Viele von ihnen haben Plakate mitgebracht, um ihre Meinung kundzutun. Sie wollen klare Kante gegen Hass und Hetze zeigen. Als Katharina Schmidt vom Freundeskreis Asyl Hofheim kurz nach 17 Uhr die Bühne vor dem Alten Rathaus betritt, wird die Menge ruhig.
Schmidt fängt in ihrer Rede nicht im Hier und Jetzt an, sondern wirft einen chronologischen Blick zurück auf die Ereignisse, die in Deutschland schon einmal die Demokratie aus den Angeln hebelten, die die Grundrechte der Menschen außer Kraft setzten. Das Datum der Veranstaltung sei mit Bedacht gewählt worden, erklärt sie.
Am 30. Januar 1933 ergriffen die Nationalsozialisten die Macht, Adolf Hitler wurde damals zum Reichskanzler ernannt. Und dann sei es schnell gegangen. Innerhalb weniger Wochen seien die demokratischen Grundfesten aufgelöst worden, erinnert sie. So etwas dürfe nie wieder passieren.
"Warum diese Geschichtsstunde?", fragt Schmidt und liefert im selben Zug die Antwort. Ein erschreckend großer Teil der Bevölkerung wende sich aktuell von den demokratischen Institutionen ab. "Es ist keine Übertreibung, wenn wir von einer Gefahr für die Demokratie sprechen." Wie brisant die Situation sei, zeige der Fall Potsdam.
Ende vergangenen Jahres trafen sich dort in einem Hotel unter anderem mehrere AfD-Politiker und Mitglieder der rechtsextremen Szene. Sie schmiedeten Pläne zur "Remigration", darüber, wie sie Millionen von Menschen aus Deutschland vertreiben können. Für die Veranstalter der Mahnwache einer der ausschlaggebenden Gründe, nun auf die Straße zu gehen.
Auch der unterfränkische AfD-Abgeordnete Daniel Halemba, der bei der vergangenen Landtagswahl im Stimmkreis Haßberge/ Rhön-Grabfeld angetreten war, soll laut Recherchen der "Augsburger Allgemeine" an einem vergleichbaren Treffen in Dasing (Lkr. Aichach-Friedberg) teilgenommen haben.
"Wir schlafen, wir verfangen uns in Scheingefechten. Wir sehen nicht, was in den Hinterzimmern passiert." Die meisten Autokraten seien durch demokratische Wahlen an die Macht gekommen – und hätten dann mit dem Aushöhlen der Demokratie begonnen. "Wir können nicht mehr wegschauen und das bagatellisieren", macht Schmidt klar.
Ein friedliches Miteinander ist möglich
Auf der Bühne hinter ihr hängen mehrere Fahnen. Sie alle – ob Deutschland-, Europa- oder Regenbogenflagge – sollen symbolisieren, dass ein friedliches Miteinander aller Menschen möglich sei, erklärt sie. Während sie spricht, projiziert ein Beamer die ersten Artikel des Grundgesetzes auf die Wand des Alten Rathauses.
"Nie wieder ist jetzt", macht auch Landrat Wilhelm Schneider (CSU) an diesem Abend klar. Man dürfe nicht zulassen, dass die Demokratie ins Wanken gerate. "Die Menschenwürde, die Redefreiheit, das Recht auf friedliche Versammlungen – all das ist nur ein Teil der Grundrechte, die wir als wertvollen Schatz hüten müssen."
Jeder und jede habe das Recht, Politikerinnen und Politiker zu kritisieren. Aber es gebe auch Grenzen. Erst vor kurzem war der CSU-Politiker in einer Chatgruppe massiv angefeindet worden. Darin war unter anderem davon die Rede, Landrat Wilhelm Schneider "aufzuhängen". Recherchen dieser Redaktion hatten dies offengelegt. Er habe Strafanzeige gestellt, so Schneider. Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft Bamberg wegen des Tatverdachts der "Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten".
Neben Schmidt und Schneider stehen an diesem Abend auch mehrere junge Erwachsene auf der Bühne. Jeder von ihnen nennt seine eigenen persönlichen Gründe, warum es wichtig sei, die Demokratie zu schützen. So auch Nastia Mohammad. Die junge Frau kommt ursprünglich aus Syrien, seit 2016 lebt sie in Deutschland.
"Ich werde hier anders behandelt, weil ich eine andere Hautfarbe, Religion und Kultur habe", berichtet sie von ihren Erfahrungen. Das sei sehr verletzend. Auch sie spricht sich gegen Ausgrenzung aus. "Wir alle haben das gleiche Herz", ist die Hofheimerin überzeugt. "Darum sollten wir auch alle gleich behandelt werden."
Veranstaltung als ein Zeichen des Kampfes für die Demokratie
Die Menschen auf dem Marktplatz nehmen aus den unterschiedlichsten Gründen an der Mahnwache teil. "Man weiß, welche Gesinnung bei den Rechten gegenüber Menschen mit Behinderung herrscht", sagt Stefan Zettelmeier, Vorsitzender des Kreisverbands der ÖDP, der an diesem Abend auch in der Menge steht.
Der Kreisrat meint damit die Aussage von Thüringens AfD-Vorsitzendem Björn Höcke, der sich vergangenes Jahr gegen die Inklusion von behinderten Menschen ausgesprochen hatte. Zettelmeier selbst arbeitet in der Werkstatt der Lebenshilfe in Augsfeld. Darum finde er es wichtig, Flagge zu zeigen, für die Demokratie und gegen Rechtsextremismus.
"Ich bin gegen jegliche Form von Rassismus", sagt auch Teilnehmer Peter Ehrhardt aus Maroldsweisach. Er sei froh, dass nicht nur in den großen Städten wie Hamburg oder München Zeichen gegen Rechts gesetzt werden, sondern auch in Haßfurt. Ehrhardt hofft, dass solche Veranstaltungen den Menschen helfen, sich gegen die AfD und für die Demokratie zu entscheiden.
Ins selbe Horn bläst auch der Haßfurter Bürgermeister Günther Werner (WG): "Es ist wichtig, dass man aufsteht und zeigt, dass in Deutschland jeder willkommen ist." Die Solidarität, die die Menschen an diesem Abend auf dem Marktplatz zeigen, sei faszinierend. "Auch Leute, die bisher ruhig waren, zeigen, dass sie die Demokratie erhalten wollen." Für Werner ist klar: Die Veranstaltung sei ein Zeichen des Kampfes für die Demokratie.
Veranstalter und Polizei ziehen ein positives Fazit
Nach rund einer Stunde setzte sich der Demonstrationszug dann vom Marktplatz aus in Richtung Promenade in Bewegung. Ihren Abschluss fand die Veranstaltung am Mahnmal für die deportierten Jüdinnen und Juden. "Es ist ermutigend, dass so viele Leute gekommen sind", zieht Schmidt ihr Resümee.
"Es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass die Demokratie nicht gottgegeben ist", sagt Schmidt. "Es ist an uns, sie zur erhalten, und immer wieder miteinander ins Gespräch zu gehen." Eine zweite Demonstration in nächster Zeit sei allerdings erstmal nicht geplant. Nicht nur Schmidt zieht für diesen Abend ein positives Fazit. Mit dem Ablauf der Mahnwache, die letzten Endes rund eineinhalb Stunden gedauert hatte, zeigt sich auch Daniel Müller, Leiter der Polizeiinspektion Haßfurt, zufrieden: "Es war alles ruhig und friedlich, so wie vorher erwartet."
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Textes hieß es, der AfD-Abgeordnete Daniel Halemba sei für den Stimmkreis Haßberge/ Rhön-Grabfeld in den Landtag eingezogen. Richtig ist, dass er über die Liste seiner Partei für den Wahlkreis Unterfranken in den Landtag eingezogen ist. Wir haben die Stelle geändert.