
Sein überaus freundliches Wesen versteckt Timo Baier nur auf den ersten Blick. Und sicherlich nicht bewusst. Und doch: langes, tiefschwarzes Haar, akkurat gestutzter Bart. Tiefe, eindringliche Augen – die Erscheinung des großgewachsenen 59-Jährigen macht Eindruck. Und bescherte ihm vor mehr als 20 Jahren die Rolle, die er bis heute mit Leidenschaft einnimmt. Beim Rakoczy-Fest in Bad Kissingen stellt Timo Baier den namensgebenden Fürsten Ferenc Rákóczi dar.
Spricht man auch nur zwei Sätze mit dem gebürtigen Garitzer, kommt schnell sein wahrer Charakter zum Vorschein. Der eines unheimlich aufgeschlossenen, lebenslustigen und kommunikativen Menschen, dessen Herzlichkeit alles andere als aufgesetzt wirkt. Er lacht viel, erzählt gerne, grüßt vorbeikommende Menschen – und nimmt sich selbst und vor allem auch seine Rolle beim Fest nicht allzu wichtig.

Wie es seinen Anfang nahm, dass er 2024 zum schon 23. Mal den Fürsten verkörpern wird, weiß Baier, als wäre es gestern gewesen: Hubertus Wehner, damals einer der Organisatoren beim Rakoczy-Fest, habe eines Abends in seinem Salon gestanden, erzählt der selbständige Frisör. "Der hat mich angeguckt und erstmal gesagt: 'An Ihnen ist ja gar nichts dran.' Ich wusste ja nicht, wer das ist. Und habe gedacht, der kommt aus der Klinik", so der Wahl-Ramsthaler heute lachend.
Timo Baier dachte zunächst, seine Chance auf die Rolle habe er vergeigt
Des Rätsels Lösung: Sein Vorgänger als Rákóczi, Fritz Angerer, war Kunde in Baiers Frisörsalon und hatte Organisator Wehner auf die Ähnlichkeit seines Frisörs mit dem Fürsten aufmerksam gemacht. Schon damals trug Baier neben dem akkuraten Bart langes, lockiges Haar – das heute auch weniger werde, wie er beiläufig einwirft. Jedenfalls habe Wehner ihm die Rolle als Ferenc Rákóczi angeboten.
Dass er nicht sofort freudestrahlend zugesagt habe – "ich hatte ja eine Frau und zwei Kinder, das musste ich erstmal absprechen" – sei Wehner "schon irgendwie die Nase hochgegangen", wie Baier heute erzählt. "Er ist wohl davon ausgegangen, dass ich sofort dabei bin, wenn ich schon die Rolle schlechthin spielen soll. Er wollte mit einem anderen Anwärter sprechen und sich dann melden. Als ich dann lange nichts gehört habe, habe ich mir nur gedacht: Das hast du jetzt vergeigt", erinnert er sich.
Der Rest freilich ist Geschichte. Man ist doch noch zusammengekommen und Baier seiner Rolle Jahr für Jahr, seit 2002 ohne Ausnahme, treu geblieben. Seine ersten Rakoczy-Feste erlebte er allerdings nicht als Fürst, sondern als kleiner Trommler: "Ich bin schon als Kind bei den Garitzer Musikern im Zug mitgelaufen", erzählt er. Heute wiederum sind Baiers Enkelkinder Teil der Rakoczy-Familie.
Baiers Tochter Katharina spielte 2010 an seiner Seite die Quellenkönigin beim Rakoczy-Fest
Die eigene Familie liegt dem 59-Jährigen am Herzen. Auf seine schönste Rakoczy-Erinnerung angesprochen, braucht er trotz mutmaßlich großer Auswahl nicht lange zu überlegen: "Als meine Tochter die Quellenkönigin war", antwortet er sofort.

Die Quellenkönigin ist eine fiktive Figur, die jedes Jahr von einer anderen Darstellerin gespielt wird und gewissermaßen als Partnerin von Ferenc Rákóczi agiert. 2010 wurde sie von Baiers Tochter Katharina dargestellt. "Das war sehr schön, weil man natürlich ein sehr vertrautes Verhältnis hat", blickt er gerne zurück.
Aber auch weniger schöne Momente hat Timo Baier parat: Zum Beispiel, erzählt er, als der damalige bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber – in bestem Bayerisch – über seinen fränkischen Dialekt witzelte. Und Baier den Politiker daraufhin auf der Bühne der Wandelhalle stehen ließ. Mit dem im ganzen Saal hörbaren Hinweis: "Sie sind in Franken, da spricht man fränkisch". Heute kann Baier über diese Anekdote lachen. Damals, sagt er, "war es unangenehm".
Wie sicherlich auch ein gebrochenes Sprunggelenk am Rakoczy-Samstag vor fünf Jahren. "Und doch habe ich den Sonntag herumgebracht", so Baier. Eine Zweitbesetzung für die Rolle des Fürsten gibt es nicht. Bei allem Spaß sieht er den Job auch als Verpflichtung.
Die ersten Jahre als Fürst Rákóczi bezeichnet Timo Baier als "sehr spaßbefreit"
Erzählt Baier von seinen Anfängen als Ferenc Rákóczi, erstaunt diese Einstellung. Und vor allem, dass er die Rolle auch nach so vielen Jahren noch bekleidet. Bei seinem ersten Fest 2002 habe er gedacht: "Worauf hast du dich da eingelassen?" Es sei schlicht "fürchterlich" gewesen. "Jeder wollte einen belehren, alle haben gesagt: Mach dieses so und mach jenes auf keinen Fall. Das war schon alles sehr spaßbefreit."

Erst 2004, in seinem dritten Jahr als Fürst, habe Baier sich gesagt: "Jetzt mache ich es so, wie ich denke, dass es richtig ist. Seitdem mache ich mir eine Gaudi draus, nehme nicht alles ganz so bierernst und habe wirklich viel Spaß dabei. Das passt irgendwie auch zur Rolle, der Fürst wird ja als sehr rebellisch dargestellt. Und ich bin auch kein Lahmarsch."
Dem würde wohl niemand widersprechen, der Timo Baier persönlich kennenlernen durfte. Übrigens: Auch in Sachen Rechtschreibung gibt er sich rebellisch. Hat sich für das Rakoczy-Fest in Bad Kissingen ja die Schreibweise mit "y" am Ende durchgesetzt, unterschreibt Baier in seiner Rolle stets so, wie er es für richtig hält: Ferenc Rákóczi, nach der ungarischen Original-Schreibweise.

Und auch dazu hat er lachend einen passenden Spruch parat: "Wenn ich schon Unterschriftsfälschung betreibe, dann richtig."