1500 Menschen haben nach Schätzung von Veranstaltern und Polizei in Bad Kissingen ein Zeichen für die Demokratie und gegen Rechtsextremismus gesetzt. Die Demonstration unter dem Motto "Nie wieder ist jetzt" war von einem breiten Bündnis organisiert und angemeldet worden. Laut Polizei lief die Veranstaltung friedlich und ohne Zwischenfälle ab.
Unterstützt wurde die Aktion unter anderem von DBK, FDP, SPD, CSU, Freien Wählern, Grünen, Linken, Integrationsbeirat, Mehrgenerationenhaus, Bildungsstätte Heiligenhof, Europaunion, Solwodi, Verdi, DGB, Städtepartnerschaftskomitee, ukrainisch-orthodoxer Gemeinde sowie katholischer und evangelisch-lutherischer Kirche. "Und vielen weiteren Organisationen, die ich gar nicht alle einzeln nennen kann", so Mitorganisatorin Maren Schmitt, Vorsitzende der SPD Bad Kissingen.
Demonstration in Bad Kissingen: Die Stadt steht für Toleranz und Weltoffenheit
Schmitt zeigte sich überwältigt von den vielen Menschen, die trotz des Nieselregens nach Bad Kissingen gekommen waren. Der Demonstrationszug setzte sich am Theater in Bewegung und zog über Ludwigstraße und Marktplatz zum Rathausplatz. Dessen Größe reichte für die Menschenmassen nicht aus, auch die angrenzenden Straßen und Gassen waren voller Demonstrantinnen und Demonstranten.
Die Organisatorin sprach in ihrer kurzen Ansprache von einem starken Signal, das Bad Kissingen als Kur- und Welterbe-Stadt sende. "Bad Kissingen steht schon immer für Toleranz und Weltoffenheit", so Schmitt. Für ihre Worte erntete sie großen Beifall.
Männer und Frauen jeden Alters, verschiedener Nationen und Glaubensrichtungen, vom konservativen bis zum linken politischen Spektrum waren zusammengekommen. Am Rathausplatz herrschte Gänsehautstimmung.
Immer wieder wurde auf die Melodie der Europahymne eine "Ode an die Vielfalt" angestimmt: "Lasst uns ein Europa wagen ohne Angst und ohne Hass, lasst uns demokratisch sagen: Nazis hab'n hier keinen Platz. Menschenfreunde sind uns lieber, Vielfalt reichen wir die Hand. Und wir rufen: Niemals wieder rechter Wahn in uns'rem Land!" Zettel mit dem Liedtext wurden unter den Demonstrierenden verteilt.
Bad Kissingens Oberbürgermeister Dirk Vogel erinnert an die Geschichte der Stadt
Bad Kissingens Oberbürgermeister Dirk Vogel (SPD) erinnerte in seiner emotionalen Rede an die Geschichte der Stadt, die einst als weltoffener Kurort zu europaweiter Anerkennung und Wohlstand kam. "Die es dann aber schaffte", so Vogel, "Juden den Zugang zum Luitpoldpark zu verweigern, die jüdische Synagoge niederzubrennen und ein Hakenkreuz am Turniergebäude anzubringen."
Mit Hinweis auf jüdische Bürgerinnen und Bürger, die aus der Stadt vertrieben und später ermordet wurden, sagte Vogel: "Diesen fanatischen Irrsinn mache ich und machen wir nicht noch einmal mit!" Nahezu jedes Wort versah der Oberbürgermeister mit einem Ausrufezeichen. "Wann beurteilen wir endlich einmal Menschen nicht nach ihrer Herkunft oder danach, welche Sprache sie sprechen oder welche Hautfarbe sie haben, sondern nach dem, was sie machen und tun?"
Alle gemeinsam müssten sich in der Gesellschaft einbringen, um sie am Laufen zu halten. "Ich will eine Stadt des Miteinanders und nicht des Gegeneinanders. Und das muss möglich sein!" Vogel bezog sich damit auch auf die allgemein negative Stimmung im Land und machte die Politikverdrossenheit am Beispiel Bad Kissingen deutlich: "Erst sagt man, die Stadt macht nichts. Wenn sie dann etwas macht, dann macht sie es nicht richtig. Wenn sie etwas macht und macht es richtig, dann macht sie aber woanders nichts. Und das ganze Spiel beginnt wieder von vorne."
Jacqueline Barraud-Volk zitiert Marcel Reif: "Sei ein Mensch"
Auch die evangelische Pfarrerin Jacqueline Barraud-Volk sprach von einem wichtigen Zeichen, das die Demonstrationen in ganz Deutschland derzeit aussenden. Die Gesellschaft nehme sehr klar wahr, wo Grenzen überschritten werden. Streit gehöre zu einer Demokratie: "Wir brauchen nicht alle das Gleiche denken, empfinden, hoffen oder tun. Aber wir achten andere Meinungen selbst dann, wenn sie uns nicht gefallen."
Sie wolle gar nicht darüber nachdenken müssen, dass irgendwer in Erwägung ziehen könnte, einen anderen Menschen zu vertreiben. "Nur weil ihm oder ihr Name, Herkunft, sexuelle Orientierung, Meinung, Religion, vielleicht auch das Benutzen von Gender-Sprache oder der Speiseplan oder was auch immer nicht gefällt."
Auch Barraud-Volk zitierte einen Satz, der zuletzt durch die Medien ging: "Sei ein Mensch". Gesagt hatte ihn Sportjournalist Marcel Reif anlässlich des Jahrestags der Auschwitz-Befreiung im Bundestag. Er stammte von seinem Vater, einem Holocaust-Überlebenden. "Ein Satz, kurz, klar und gut zu merken. In dem aber ein ganzes Universum liegt. Menschlich sein gehört zur Grundausstattung unserer Spezies. Das löst Probleme und bringt nicht noch neue. Das stiftet Gemeinschaft, wie heute hier auf diesem Rathausplatz."
Linksextrem ist genauso zu verurteilen wie rechtsextrem und darf keine Gesellschaftsfähigkeit erlangen!
Im Übrigen hat der OB eine gute Rede gehalten und nie "rechts" gesagt sondern "rechtsextrem"