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Weißenbach
Nach Wolfsriss in Damwild-Gehege bei Weißenbach: Die Folgen für Familie Neun gehen weit über fünf tote Tiere hinaus
Die Spuren, die der Wolf in ihrer Herde hinterließ, werden die Neuns so schnell nicht vergessen. Sie fühlen sich alleine gelassen und denken über Konsequenzen nach.
Olaf und Bettina Neun sorgen sich um die  Zukunft ihres Damwildgeheges.
Foto: Wolfgang Dünnebier | Olaf und Bettina Neun sorgen sich um die  Zukunft ihres Damwildgeheges.
Wolfgang Dünnebier
 |  aktualisiert: 15.07.2024 13:18 Uhr

Kaum zu ertragen waren für Olaf und Bettina Neun aus Weißenbach bei Zeitlofs (Landkreis Bad Kissingen) die Bilder, mit denen sie am 8. September in ihrem Damwild-Gehege konfrontiert waren: Fünf tote Kälber lagen ziemlich zerfleischt im Gras, zwei weitere sind seitdem spurlos verschwunden.

Wie schnell mit DNA-Tests nachgewiesen wurde, war in der Nacht zuvor der Gw 3092f in das Gehege eingedrungen, der in der Region zuvor schon etliche Weidetiere getötet hatte.

Dem Ehepaar Neun ist die Betroffenheit über das Schicksal ihrer Tiere bei einem Besuch der Redaktion Wochen später noch anzumerken. "Man baut ja eine Beziehung zu den Tieren auf", beschreibt Olaf Neun den Verlust. Man lerne über die Zeit, die Tiere auseinander zu halten.

Das Damwild in von Familie Neun in Weißenbach fasst nach dem Eindringen des Wolfes in das Gehege erst langsam wieder Vertrauen.
Foto: Wolfgang Dünnebier | Das Damwild in von Familie Neun in Weißenbach fasst nach dem Eindringen des Wolfes in das Gehege erst langsam wieder Vertrauen.

"Der große Hirsch ist der Hansi", drückt Neun die Vertrautheit aus. "Ich schlafe seitdem schlecht", so der 53-Jährige zu seiner Gemütslage nach dem Übergriff. Mit gemischten Gefühlen schaut er nun zwei bis drei Mal täglich an dem Gehege etwa einen Kilometer außerhalb des Dorfes vorbei.

Das Damwild fasst erst allmählich wieder etwas Vertrauen

Dass etwas nicht stimmte, hatte Neun am Tag nach dem nächtlichen Wolfsriss bei seiner Annäherung an das drei Hektar große Gehege schnell gemerkt. Verstört hätte sich das Wild in einer Ecke des drei Hektar großen Geländes zusammengedrückt. Erst langsam fasst es wieder etwas Vertrauen.        

"Das brauche ich nicht noch einmal", erinnert sich Bettina Neun mit Schrecken an den Zustand, in dem sie die zerfleischten Tiere vorfand. An jenem Tag hatte es fast 30 Grad Celcius. Überall auf den den Kadavern hab es vor Maden und Fliegen gewimmelt.

Schwer wiegt auch die Sorge um die vermissten Tiere. "Das ist bitter", sagt Olaf Neun. Die Herde ist von einem Tag auf den nächsten um sieben Tiere auf jetzt 18 reduziert worden.

"Wir fühlen uns von den Behörden alleingelassen", so die Neuns

Wie geht es nun weiter? Die Familie spielt nach 30 Jahren mit dem Gedanken, die Damwildhaltung aufzugeben. "Wir fühlen uns von den Behörden alleine gelassen", sagt er enttäuscht.

Gerne besuchen die Kindergartenkinder das Damwildgehege in Weißenbach. Mit der Fütterung von Kastaninien locken sie die Tiere in die Nähe.   
Foto: Wolfgang Dünnebier | Gerne besuchen die Kindergartenkinder das Damwildgehege in Weißenbach. Mit der Fütterung von Kastaninien locken sie die Tiere in die Nähe.   

Einerseits sei die extensive Tierhaltung im Freien zur Fleischerzeugung erwünscht. Andererseits führe die Bedrohung durch den Wolf dazu, dass viele Weidetiere nicht rausgelassen werden. Das sei paradox: "Naturnäher geht es kaum", sagt Neun mit einem Fingerzeig auf die Einbettung seines Geheges zwischen Wiesen und Wäldern.

Tiere wachsen ohne Zufütterung und Medikamente auf 

Zugefüttert werde in trockenen Jahren allenfalls etwas Getreide, wenn nicht genügend Gras wächst. Medikamente brauchen die Tiere überhaupt nicht. 

Jetzt ist das Idyll in Gefahr. "Das Thema hat jetzt eine unwahrscheinliche Dynamik entwickelt", sagt Olaf Neun sorgenvoll mit Blick auf die sich häufenden Vorfälle, auch im nahen Mittelsinn und in Völkersleier. "Man weiß ja nicht, was da noch kommt", beschreibt er seine Verunsicherung. Zumal in diesem Jahr sieben neue Wolfswelpen auf dem Truppenübungsplatz Wildflecken registriert wurden.

Fleischverkauf dieses Jahr hinfällig: Rund 1500 Euro materieller Schaden

Bereits jetzt sei der Fleischverkauf dieses Jahr vor Weihnachten hinfällig. "Ich muss meinen Kunden absagen", bedauert er. Er geht von einem materiellen Schaden in Höhe von etwa 1500 Euro aus. In Gefahr sei jetzt auch seine Förderung für extensive Tierhaltung. Gemessen an der Größe des Geheges muss er dafür 21 Tiere vorhalten.

Kein großes Vertrauen setzt Olaf Neun in eine Optimierung des Schutzzaunes um das Gehege. Die bestehende Drahtkonstruktion war kein Hindernis für den Eindringling. Den Spuren nach hatte sich der Wolf unter dem Schutzzaun durchgewühlt.

Schutzzaun schwer zu installieren

Um dieses Untergraben zu erschweren, müsste zur Ergänzung ein engmaschigerer Schutzzaun von der Senkrechten in die Waagerechten auslaufend installiert werden. An der Grundstückgrenze sei das aber unmöglich, gibt Neun zu bedenken.

Zwar würde dieser Zaun zu 100 Prozent bezuschusst. Vor dessen Anbringung müsste Neun den bestehenden, 30 Jahre alten Zaun auf 750 Metern Länge aber komplett ertüchtigen.

Erschwerend komme hinzu, dass es finanzielle Unterstützung überhaupt nur gebe, wenn der neue Zaun mindestens zehn Jahre bleibt. "Ich bin jetzt 53 Jahre alt und weiß nicht, ob ich mir das noch so lange antue", sagt Neun.

Ein weiteres Problem sei, dass Zäune aktuell kaum zu bekommen seien. Für einen erfolgreichen Förderantrag brauche er mindestens drei Angebote. Auch vom Vorschlag bei einem Ortstermin, als Hindernis für den Wolf alle 15 Zentimeter einen Metallbügel in den Boden zu rammen, hält Neun wenig. "Das wären ja 15.000 Bügel", rechnet er vor.

Panik muss der Wolf im Damwildgehege ausgelöst haben. Offenbar bei der Kollision eines Tieres splitterte die oberste Begrenzung des Schutzzaunes.
Foto: Wolfgang Dünnebier | Panik muss der Wolf im Damwildgehege ausgelöst haben. Offenbar bei der Kollision eines Tieres splitterte die oberste Begrenzung des Schutzzaunes.

Für kaum zu verwirklichen hält Neun auch einen Elektrozaun, weil das Gehege gemäß Auflagen mit einer Sichtschutzhecke umgeben ist. Die vertrage sich schlecht mit dem Stromleiter. Zudem müsse die restliche Trasse wieder freigemäht werden. "Dabei ist unklar, ob der Aufwand überhaupt etwas nutzt", macht er Zweifel geltend.

Kinder haben Tiere in ihr Herz geschlossen 

Keine Zweifel gibt es dagegen, dass auch der örtliche Kindergarten eine Aufgabe des Damwildgeheges betrauern würde. Jede Woche pilgern die beiden Kindergartengruppen bei Wind und Wetter in die Natur, um zu schauen, wie es "ihren" Tieren geht. "Das ist immer ein Highlight", sagt Kindergärtnerin Lisa Berkl.

Mit Kastanien lassen sich die Tiere bis an den Zaun locken. Wie sie sich über die Jahreszeiten entwickeln sorgt bei den Kleinen für aufgeregten Gesprächsstoff. Auch deshalb hat Familie Neun bisher Freude am Damwild. Wenn da nicht die neuen Sorgen wären. Neun ist überzeugt: Das Idyll hat nur eine Zukunft, wenn der Wolf in die Schranken gewiesen wird.

Olaf Neun würde den Wolf nur in Schutzgebieten tolerieren

"Ich habe grundsätzlich nichts gegen den Wolf", sagt Olaf Neun. Zu tolerieren sei er allenfalls in Schutzgebieten, wie etwa auf Truppenübungsplätzen. Nahe der Zivilisation sollte er besser zum Abschuss freigegeben werden. Zu lange habe die Politik zugeschaut, kritisiert Neun, und verweist auf einen Schaden von insgesamt 63 Millionen Euro, den Wölfe allein in diesem Jahr in Deutschland verursacht hätten.

Entscheidung über Abschussantrag ist offen

Vergangene Woche hatte das Landratsamt bei der Regierung von Unterfranken den Abschuss eines Wolfes beantragt. Eine abschließende Bewertung sei bisher noch nicht erfolgt, teilt die Regierung auf Nachfrage dieser Redaktion mit.
Fortlaufend werte die Behörde in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Umwelt die für eine solche Entscheidung notwendigen fachlichen Daten aus, heißt es in der Stellungnahme der Behörde.
Gleichwohl gebe es vermehrt Hinweise und auch genetische Belege, dass die verdächtige Wolfsfähe (Gw 3092f) ihren Aktivitätsschwerpunkt nicht mehr im Landkreis Bad Kissingen hat. Dort sei sie zuletzt am 20. September eindeutig nachgewiesen worden.
Quelle: Main-Post
 
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Kommentare
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  • Helga Scherendorn
    Der Wolf ist hier Fehl am Platz, er hat schnell gelernt, sich an den gedeckten Tisch zu setzen ohne Konsequenzen fürchten zu müssen, warum sollte er sich also vom Menschen fern halten? Falsche Tierliebe und wenig bis keine Ahnung haben dafür gesorgt, dass der Wolf ungestraft alles reissen kann, was er gerade möchte.
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