
Ist die Vier-Tage-Woche das Arbeitszeitmodell der Zukunft? Eine Frage, die auch in Deutschland vielfach diskutiert wird. 81 Prozent der Vollzeitbeschäftigten, das hat eine Umfrage der Düsseldorfer Hans-Böckler-Stiftung im Mai 2023 ergeben, könnten sich ein solches Modell vorstellen. Und für einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von "Rainbow Sanierungen" aus Oberthulba (Lkr. Bad Kissingen) wird die Vier-Tage-Woche nun Realität - zumindest vorläufig.
Die Firma, die in Mainfranken und darüber hinaus unter anderem bei Schimmel, Brand- oder Wasserschäden hilft, zählt zu den 50 Unternehmen aus verschiedenen Branchen, die an einer von der Universität Münster begleiteten Arbeitszeit-Studie teilnehmen.
Bezahlte Freizeit: Unternehmen reduziert die Arbeitszeit, zahlt aber vollen Lohn
Das Team des Lehrstuhls für Transformation der Arbeitswelt will sich dabei intensiv mit den Auswirkungen des veränderten Arbeitszeitmodells auf die Mitarbeitenden befassen. Die Studie läuft von Februar bis August 2024. Die Wissenschaftler erheben und analysieren Kennzahlen zur Produktivität und zum Wohlbefinden. Mittels freiwilliger Haarproben beispielsweise werden die Forscher den Stresslevel der Beschäftigten in regelmäßigen Abständen kontrollieren und vergleichen.
In der Untersuchung wird das Modell "Reduzierte Arbeitszeit bei gleichem Lohn" umgesetzt. Für Teile der Belegschaft von "Rainbow Sanierungen" heißt das für die nächsten sechs Monate konkret: 36 statt 40 Stunden pro Woche arbeiten, das Einkommen bleibt gleich. Im Gegenzug verzichten die beteiligten Beschäftigtem auf zwei Urlaubstage.
Breite Zustimmung für die Vier-Tage-Woche unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
Der Chef von "Rainbow Sanierungen" in Oberthulba liebäugelt schon länger mit der Vier-Tage-Woche: "Wir haben es vor zwei Jahren schon einmal probiert", sagt Heino Löber, der auch Inhaber der Büros in Würzburg und Bamberg des Franchise-Unternehmens mit mehr als 30 Standorten in ganz Deutschland ist.
"Aber das ist daran gescheitert, dass wir versucht haben, die 40 Stunden Arbeitszeit in vier Tage zu pressen", sagt Löber. Die Belastung sei damals "schon sehr hoch" gewesen - "und der größere Erholungseffekt durch einen zusätzlichen freien Tag weg". Nun mache das Unternehmen einen zweiten Anlauf für den Standort Oberthulba mit rund 35 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
"In erster Linie hoffen wir natürlich auf eine größere Zufriedenheit bei den Mitarbeitern", sagt der Firmenchef, der aber auch andere Vorteile der Vier-Tage-Woche sieht. Einen geringeren Krankenstand zum Beispiel. Oder auch, dass Fahrzeuge am freien Freitag ohne große Ausfallzeiten gewartet oder repariert werden können.

"Ein ganz wichtiger Punkt für mich ist auch, dass wir damit für potenzielle Bewerbungen attraktiver werden", sagt Löber. Der 54-Jährige ist sich sicher: "Wenn wir das wirklich dauerhaft durchziehen, rennen die Bewerber mir die Bude ein." Der Betrieb habe zwar jetzt schon ein gutes Team, aber: "Wenn wir das Personal hätten, könnten wir noch deutlich mehr machen."
Bei seiner Belegschaft sei die Idee, sich für die Studie zu bewerben, gut angekommen: "Wir haben das demokratisch entschieden", sagt der Firmenchef. Eine deutliche Mehrheit habe sich bei der internen Abstimmung für die Teilnahme an der Studie ausgesprochen.
Inhaber schätzt: Versuch könnte das Unternehmen bis zu 200.000 Euro kosten
Kritische Stimmen habe es aber auch gegeben, sagt der Inhaber. Ihm selbst seien mögliche Nachteile bewusst: Der Versuch mit der "bezahlten Freizeit" koste das Unternehmen bis zu 200.000 Euro, wenn es schlecht laufe, schätzt Löber. "Bei Produktivität und Umsatz würde ich einen Verlust von vielleicht zehn Prozent in Kauf nehmen. Es darf natürlich keinen riesigen Einbruch geben, sonst stampfen wir es ein", sagt er mit Blick auf das halbe Jahr. Das Unternehmen könne das Experiment jederzeit abbrechen.
Für alle seiner Mitarbeitenden gilt das Modell nicht, sagt Löber. "Es betrifft nur die 25 Gewerblichen, also alle auf der Baustelle." Die Beschäftigten in Büro und Projektleitung würden weiter ganz normal fünf Tage arbeiten. "Vom technischen Ablauf ist es im gewerblichen Bereich einfacher umzusetzen", erklärt Löber. Beispielsweise müsste man ansonsten eine Hotline für Notfälle einrichten.
"Sollten wir das Modell künftig wirklich umsetzen, muss ich mir da zum Ausgleich etwas überlegen, es muss ja fair zugehen." Einen Notdienst gebe es freitags weiterhin, wie an den Wochenenden bisher schon. Beschwerden der Kundschaft befürchtet Löber nicht: "Den meisten wird das gar nicht auffallen."
Grundsätzlich glaubt Heino Löber an die Vier-Tage-Woche als ein Arbeitszeitmodell der Zukunft. "Ich denke, dass die Zeit uns einholen wird." Früher habe man sieben Tage gearbeitet, dann nur noch sechs, irgendwann fünf. "Ich glaube, dass der Arbeiter künftig noch mehr bereit sein wird, auf Geld zu verzichten, wenn er dafür mehr Freizeit hat." Ob der Zeitpunkt für die Umstellung für seine Firma schon gekommen ist, soll nun auch die Studie zeigen.
https://www.tagesschau.de/wirtschaft/weltwirtschaft/vier-tage-woche-grossbritannien-101.html
https://www.managementcircle.de/blog/4-tage-woche.html
vielen Dank für das Interesse am Artikel und Ihre Anregungen. Wir werden die Studie mit der Firma verfolgen und Antworten auf Ihre Fragen in die Berichterstattung aufnehmen.
Viele Grüße,
Simon Snaschel
Redaktion Bad Kissingen
Und nicht zu vernachlässigen: bzgl. der Auswirkungen, so wie viele Menschen leider „gestrickt“ sind, käme als erstes „siehst du, die hatten schon immer unverschämte Preise, wenn die das so einfach wegstecken“. Wetten?
Hier kenne ich etliche, die sich schon lauthals beschweren, wenn die in der Gastronomieküche selbst erhitzte Suppenvorspeise aus der Dose mit selbstgeschnittenen frischen Kräutern drauf etwas mehr als der Einkaufspreis war.
Natürlich ist die Studie interessant, dann muss man aber zuerst das Studiendesign anschauen und dann die Ergebniswerte, nicht nur eine. Wenn sie nach Branchen oder sonstige geclustert sind, wäre natürlich chic.
Ich bin gespannt.
was die Firma letztlich preisgibt, ist natürlich ihr selbst bzw. Herrn Löber überlassen.
Viele Grüße,
Simon Snaschel
Und wie man in der Betriebsgröße auf 200000€ verzichten kann? In Zeiten gestiegener Löhne und kosten?
Dann wäre nochmals zu präzisieren ob dann generell der Freitag frei ist oder ob an jedem Tag gearbeitet wird und der freie Tag rollierend genommen wird?
Notdienst ist ja nicht gleich mit Arbeit.
Jeder sollte bei der Bewertung des Themasnicht als Betroffener Unternehmer oder Mitarbeiter, von außen und je nach Organisation/Branche und Firmengröße im Hinterkopf behalten, dass man eine rollierende 4-Tagewoche selbst als Unternehmer längst hätte anbieten können. Das finanzielle war sicher verhandelbar, falls das betrieblich und wirtschaftlich geht und der Mitarbeiterwunsch ist. Ich hatte einmal eine Mitarbeiterin mit langer täglicher Anreise und Schreibtischjob, das war für alle perfekt. Details sind wichtig.
Aktuell und voraussichtlich stärker demnächst wird es ein Mitbewerbskriterium um gute Mitarbeiter sein.