
Robin Heinl ist ein lebensfroher Mensch. Er lacht gerne, macht Späße und bezeichnet sich selbst als "lockeren und offenen Typen". Dabei hat das Schicksal es dem 34-Jährigen nicht leicht gemacht. Durch eine Erbkrankheit ist Heinl fast vollständig erblindet.
Und trotzdem tut er, was ihn glücklich macht: In Bad Kissingen arbeitet der gebürtige Schwabe als Masseur. Und seine Freizeit verbringt der glühende Fußballfan am liebsten im Stadion.
Schwierige Jobsuche: Robin Heinl schrieb 120 Bewerbungen - ohne Erfolg
Heinls Lebensweg zeigt auch, dass Inklusion noch immer weder einfach noch selbstverständlich ist. Als sein Augenlicht immer schwächer wurde, schulte er vom Heilerziehungspfleger zum Kaufmann im Gesundheitswesen um. Als solcher habe er 120 Bewerbungen verschickt, erzählt er. Hier und da ergab sich ein Praktikum. In erster Linie aber Absage über Absage.
Auch Richard Pucher, Betriebsleiter der KissSalis-Therme in Bad Kissingen, musste Heinl zunächst enttäuschen. Kaufleute habe man keine gesucht. Und doch war das Interesse da: Pucher brachte eine weitere Umschulung ins Spiel, zum Wellnesstherapeuten. Weil die Büroarbeit den kontaktfreudigen Heinl ohnehin nie wirklich zufriedengestellt hatte, war der gebürtige Ravensburger direkt angetan von der Idee. "Letztendlich war das einfach super", sagt Heinl, der heute in Bad Kissingen lebt.
Masseur mit Blindenstock: Überraschte und interessierte Gäste
Im Bildungszentrum für Blinde und Sehbehinderte in Veitshöchheim schulte er noch einmal um, besuchte mehrere Fortbildungen und trat im August 2021 seine Stelle in der Bad Kissinger Wellness-Therme an. "Wir sind froh, dass wir Robin haben", so Pucher. Und Heinl ist froh, sich beweisen zu dürfen: "Wenn man nirgends eine Chance bekommt, freut man sich natürlich umso mehr, wenn einem jemand eine gibt", sagt er.
Heinl hat sie genutzt. Bei den Gästen kommen seine Massagen gut an. Rein technisch, verrät er, ist seine Blindheit dabei kein Problem. Die Hände seien in seinem Beruf wichtiger als die Augen, sagt er. Damit könne er sich problemlos am menschlichen Körper orientieren. Interessant seien dabei die ganz unterschiedlichen Reaktionen der Menschen: "Einige interessieren sich für meine Geschichte und manche denken zuerst, ich mache einen Scherz, wenn ich mit dem Blindenstock hereinkomme."
Das Beste aus den Umständen und seinen Chancen zu machen - für Robin Heinl wurde das ein Stück weit zum Lebensmotto. Auf die Welt kam er mit 80 Prozent Sehkraft. Erst mit der Zeit wurden seine Augen schlechter. "So richtig gemerkt habe ich es irgendwann beim Autofahren", erinnert er sich, mehr und mehr verschwommen gesehen zu haben.
2016 erhielt er schließlich die Diagnose: Retinitis pigmentosa. Eine vererbbare Netzhauterkrankung, die über kurz oder lang zur vollständigen Blindheit führt. Eine Heilung gibt es bislang nicht. "Ich sehe oft flackernde Lichter, als wäre ich in der Disko", sagt Heinl schmunzelnd.
Groundhopper ohne Augenlicht: 2022 hat Robin Heinl 22 Stadien besucht
Mit seiner Erkrankung geht er offen um. Es sei ihm wichtig, wie alle anderen behandelt zu werden. "Man muss mit mir doch nicht großartig anders umgehen, weil ich nichts sehe." Eine Art der Verarbeitung, die ihm gut tut, wie er sagt. "Ich bin als Mensch sehr offen. Natürlich war die Zeit nach der Diagnose nicht einfach. Aber ich habe das angenommen. Es geht immer irgendwie weiter und man kommt irgendwie durch", so Heinl.
Seine Familie ist dabei eine große Stütze. "Als wir von der Krankheit erfahren haben, ist mein Vater mit mir erstmal einen trinken gegangen", erinnert er sich und lächelt. Mit seinem Vater und seinem Bruder teilt Robin Heinl seine große Leidenschaft: den Fußball.

Großer Fan war er schon immer. Nun aber hat er seine Freude am Groundhopping, also dem Besuch möglichst vieler unterschiedlicher Stadien entdeckt. Alleine im Jahr 2022 hat er 22 Arenen im In- und Ausland "gesammelt". Dabei sind meistens sein Vater, sein Bruder oder Kumpels, erzählt er. "Man spürt diese besondere Atmosphäre einfach, auch, wenn man nichts sieht. Ich liebe das."
Das Angebot für sehbehinderte Fans sei in Deutschland noch sehr unterschiedlich. "Generell ist die Atmosphäre sehr offen. Viele Clubs machen schon viel für Menschen für Behinderung. In München wird man zum Beispiel gleich am Eingang abgeholt", so Heinl.
Zu Heinls Lieblingsclub hat es für den FC Bayern trotzdem nicht gereicht: Sein Fan-Herz schlägt für den FC St. Pauli, mit dem er erst im Oktober 2022 den 3:0-Derbysieg über den Hamburger SV im Millerntor-Stadion bejubelt hat. Stolz zeigt er den gewaltigen Totenkopf, das Symbol für den "Kiezclub" St. Pauli, den er sich auf den linken Oberarm hat tätowieren lassen.
Robin Heinl strahlt, wenn er darüber spricht. Sein Augenlicht mag der junge Mann verloren haben. Nicht aber seine Lebensfreude.
Retinintis Pigmentosa ist eine Krankheit, über die viel mehr berichtet werden müsste. Denn so selten ist sie gar nicht.