Christian Aumüller ist Groundhopper. Ein Fan, der – arg frei aus dem Englischen übersetzt – von Fußballplatz zu Fußballplatz hüpft. Er sammelt weltweit Stadien wie andere Briefmarken. Und versucht, seine Passion zu erklären. "Für mich ist nicht wichtig, wer gegen wen spielt. Nicht, ob es eine tolle Fan-Szene vor Ort gibt. Mir geht es um die Atmosphäre, die Kultur und die Kulinarik ringsherum." Der 45-Jährige Bamberger hat in seinen "besten Zeiten" 170 Fußballspiele im Jahr gesehen und war auf über 1000 Plätzen.
Aumüllers erste Liebe war Hansa Rostock, der Verein, dem er seit Mitte der Neunziger treu ist, inzwischen jedoch hinter seiner Frau und den zwei Kindern nur noch die zweite Geige spielt. Der Mitarbeiter einer großen IT-Management-Firma stammt aus Vorpommern, landete beruflich 2014 in Bamberg. Fußball hat er selbst nie gespielt. Den entscheidenden Kick hatte die erste Auswärtsfahrt 1996 nach Leverkusen geliefert. "Faszinierend, so rutscht man in die Fanszene." Das reichte bald nicht mehr. Die Steigerung: internationale Spiele, EM, WM. Aus einer Bierlaune heraus sagte Aumüller zu einem Hansa-Kumpel: "Komm, wir machen jetzt Groundhopping." Wenige Wochen später, im September 2009, startete die Tour durch Tschechien, Österreich und Kroatien.
Aumüller machte Anfängerfehler: "Nur ein Spiel am Tag schauen." Ab 2011 hat sich das Hobby auf dreistellige Spielzahlen im Jahr gesteigert – "witzigerweise zu der Zeit, als ich meine heutige Frau kennengelernt habe. Mit ihr ging ich im Urlaub immer auch zum Fußball, ob in Georgien, Island, Portugal oder Griechenland." Doch 2017, als seine Tochter geboren wurde, trat Aumüller einen Tick kürzer. Verlegte sich auf kurze, intensive Trips. Wie die traditionelle Fronleichnam-Tour: "Mittwoch los, Sonntag heim, das reicht für zehn, zwölf Spiele." Oder die zwei Wochen durch Malta, Spanien, Gibraltar, Andorra, Dänemark, Österreich, Slowakei und Ungarn. Es können aber auch mal fünf Spiele an einem Tag in München werden.
Das klingt beinahe nach Sport. Eine Kräftemessen, sagt Aumüller, sei das in Sozialen Medien oder Groundhopper-Portalen allemal. "Wer hat die meisten Spiele, wer war in den exotischsten Ländern, wer in den verrücktesten Stadien?" Es gibt ein Punktesystem. Ein diskutables. Ab wann zählt ein Spiel für Länderpunkte? "Für mich ist nur relevant, dass es Großfeld-Spiele Elf gegen Elf sind." Seine Eintrittskarten sammelt Aumüller in Ordnern, die Termine digital. Und er kann zu den meisten Fußball-Abenteuern herrliche Geschichten erzählen. Das sind seine sieben besten:
1. Estland: Die geschützte Eiche mitten auf dem Fußballplatz
Das Stadion Orissaare auf der estländischen Insel Saareema war im August 2016 Ziel für Aumüller und seine Frau. Im Rahmen ihrer Osteuropa-Tour – unter anderem durch Georgien und das Baltikum – verschlug es sie auf die Insel und in deren Hauptort Kuressaare, zu einem Zweitliga-Spiel. "Wir haben im Reiseführer gelesen von einem Fußballplatz mit einer Eiche, die unter Naturschutz und mitten auf dem Platz steht." Dort finden tatsächlich Ligaspiele statt, eines an dem Tag und auf der Fahrt zum abendlichen Kick. Während des Stadionbaus in der Sowjetzeit war es technisch unmöglich gewesen, den Baum zu entfernen. Anfang des Jahres 2015 gewann die Eiche den Titel des europäischen Baumes und wurde damit in ganz Europa bekannt.
2. Afrika: Krawalle im Senegal und ein Dresdner in Gambia
In den Senegal und nach Gambia zum Fußball schauen – da muss man drauf kommen. Aumüller und sein ebenfalls groundhoppender Reisebegleiter wollten genau das und waren im Dezember 2019 bei acht Spielen. In der senegalesischen Metropole Dakar wurden die beiden schon mal panisch. In dem mitten in einem Ghetto gelegenen Stade Iba Mar Diop (Fassungsvermögen: 5000 Personen) ging es auf den Rängen zur Sache: Krawall und Chaos. "Es war dunkel, tausende Menschen. Gewusel. Wir haben das erste Taxi Richtung Hotel genommen." Dessen Fahrer die Deutschen anschließend vier Tage durch Dakar chauffierte und mehr verdiente als sonst in einem Monat.
Weiter nach Banjul, in die Hauptstadt von Gambia, ging es mit einem klapprigen Bus und einer Verspätung von elf Stunden. Zehn brauchte er für die 200 Kilometer, ohne Klimaanlage. Gleich mal ab zu einem Zweitliga-Spiel in Brikama ins 2000 Menschen fassende Box Bar Mini Stadium. "Das war zugemüllt, die Tribüne halb verfallen, 100 Zuschauer, umgerechnet 12 Cent Eintritt. Der Kassierer konnte den Schein im Wert von einem Euro nicht wechseln." Kontrastprogramm: Das Nationalstadion von Gambia mit Fassungsvermögen 35.000." Es kamen aber ebenfalls nur 100 Fans zum Zweitliga-Kick. Da war noch ein anderes weißes Gesicht, ein Groundhopper aus Dresden.
3. Hongkong: Ultra-Szene und Bier im Mon-Kok-Stadion
Die jungen Chinesen am Ticket- und Fanartikel-Stand staunten nicht schlecht über die beiden Europäer, die während ihres Asien-Trips im Januar 2017 das 7000 Plätze aufweisende Mon-Kok-Stadion in Hongkong besuchten. Klubs wie Kitchee SC und Pegasus FC tragen hier Heimspiele in der Hong Kong Premier League aus, beide sahen sie in der Woche. "Tolle Atmosphäre", erinnert sich Aumüller. "Es gibt Fanszenen, klein aber fein, mit Trommeln und Schlachtgesängen." Und im Hintergrund thront die Skyline über dem futuristischen Tribünendach. Die beiden Groundhopper hatten die Idee, ein paar Flaschen Bier mitzunehmen, weil es im Stadion wohl keinen Alkohol gäbe und keine Kontrollen. Gab es aber. "Wir dachten: Mist, jetzt sind wir das Bier los." Doch die Ordner füllten es lediglich in Becher um . "Drinnen dann Hand auf die Stirn: Es gab einen Bierstand."
4. Weißrussland: Miltärischer "Schutz" im Stadion des FK Minsk
Im Sommer 2016 war die Einreise nach Weißrussland schon kein Leichtes: Nach kiloweise Papier an die Botschaft in Berlin für ein Drei-Tages-Visum ging es los für den Wahl-Bamberger und seinen Kumpel. Auf dem Zettel: Der FK Minsk, der in der Wyschejschaja Liha, der höchsten Liga spielt und im 3000 Beuchende fassenden FC Minsk Stadium, gegen den FC Belshina Bobruisk. "Wahnsinn, dieser Aufmarsch an Militär und der Spezialpolizei OMON." Viele der 2000 Zuschauer drängten sich in der Schlange an der Kasse, doch man habe keinen Mucks gehört. "Pure Einschüchterung seitens des Staatsapparates." Entsprechend gab es nicht mal Schmähgesänge der Fans. Auch tags darauf mächtig Ordnungskräfte bei einem Zweitliga-Spiel auf Kunstrasen, für gerade 50 Zuschauende. "Unsere Rucksäcke wurden zehnmal auf den Kopf gestellt. Der Sport in diesem Land ist sehr 'beschützt'. Zwei Flugstunden von Frankfurt eine komplett andere Welt."
5. Island: Fußball mit einem Schauspieler neben dem Laugardalsvöllur
Vier Wochen Urlaub mit der Freundin, drei davon in Grönland. Dumm nur: Dort pausierte die Saison im August 2014. So lagen Aumüllers Hoffnungen auf der Anschlusswoche in Island. Am ersten Abend in Reykjavik gingen die beiden einen Döner essen – und der Mann hinter der Theke kam Aumüller bekannt vor. Er sprach ihn an. Tatsächlich: Der Afrikaner war einer der Hauptdarsteller des Fußball-Films "Afrika United", und hat in Island einen Migranten-Club hochgezogen. "Wir haben ein paar Tage später seiner Mannschaft zugeschaut" – auf dem Nebenplatz des Laugardalsvöllur, dem knapp 10.000 Menschen fassenden Erstliga-Stadion in der Hauptstadt. "Die Jungs sind keine guten Fußballer, sie haben verloren. Aber ich hatte eine nette Begegnung und diesen Ground."
6. Ungarn: Hooligan-Überfall auf die Gästekurve in Sopron
4500 Zuschauerinnen und Zuschauer passen ins Káposztás utcai Stadion, in dem Sopron VSE seine Heimspiele in der vierten ungarischen Liga austrägt. Vor gewohnt kleiner Kulisse. Wie beim Besuch im November 2015. Doch plötzlich stürmt eine "Hundertschaft Hooligans eines unbeteiligten Klubs, die offenbar eine Feindschaft mit den Gäste-Fans haben", so Aumüller, in den Gästeblock. Mit Mundschutz und Quarzhandschuhen ausstaffiert. "Die haben alles weggeboxt, was nach Szene aussah. Ich dachte: Scheiße, jetzt krieg ich auch aufs Maul wegen meiner kurzen Haare". Aber es ging gut. Aumüller flüchtete, gerade, als die Polizei kam. "Einer der wenigen Momente, in denen ich bei einem Spiel Angst um meine Unversehrtheit hatte." Danach ging's gleich nach Budapest zu einem Liga-Spiel, in einem österreichischen Mietwagen. Die ellenlange Polizeikontrolle war aber eine andere Geschichte.
7. Nordzypern: Gespenstische Fahrt zum Atatürk-Stadion
Lediglich die Türkei kennt das De-facto-Regime der Insel Zypern an. Doch die Realität lässt den zweiten "Staat" real erscheinen: Rechts- statt Linksverkehr, Amtssprache Türkisch, Lira statt Euro und eine Grenze, so schlimm wie die Berliner Mauer früher – mit Stacheldraht und Militärposten. "Gespenstisch." Das Atatürk-Stadion in Nord-Nikosia sei aber richtig schön und groß, gleichwohl an diesem Oktober-Abend 2016 nur 50 Zuschauende das Flutlicht-Spiel sehen wollten – bei einem Fassungsvermögen von 28.000. Aumüller entdeckte Hannoveraner Groundhopper, trank mit ihnen Tee und futtere Nüsschen – "typisch südländisch". Nordzypern hat einen eigenen Fußballverband, eine eigene Liga, unabhängig von Zypern und der Türkei. "Das ist kein Fifa-Mitglied, also ist es strittig, ob's einen Länderpunkt dafür gibt. Ich zähle es, weil ich meinen Pass vorzeigen musste."
Und: Das schönste Stadion in Deutschland? Das Sachs-Stadion in Schweinfurt
Aumüller meint das "richtig ernst", wenn er sagt: "Das schönste Stadion in Deutschland ist das Sachs-Stadion in Schweinfurt" – die 15.060 Besuchende fassende Heimat des Regionalligisten FC 05. "Es hat Historie, die kannst du riechen. Die Schwimmbad-Optik der Tribüne, der Zustand, die Bäume." Sein deutsches Highlight neben dem Stadion am Schloss Strünkede in Herne.
die Flyeralarm Arena fanden sie gut... schönes OLD-School Stadion mit Atmosphäre die ihnen besser gefiel,als die neuen Arenen, die alle irgendwie gleich aussehen.nach ihrer Meinung.
PS:
Mir persönlich gefällt die Flyeralarm- Arena besser als das Sachs-Stadion... ist natürlich Geschmacksache...u. nein ,ich bin KEIN SW05 Hater !