Viele Menschen würden diese Uhrzeit wohl als "unchristlich" bezeichnen. Doch für Marius Motsch ist dieser Dienstagmorgen ein ganz alltäglicher, als er kurz nach fünf Uhr in der Backstube seiner Bäckerei in Bad Kissingen steht. Schon seit Stunden werkelt der 40-Jährige, gemeinsam mit seinem Bruder Morris, an Brot und Brötchen, Mohnschnecken, Knusperstangen und seinen berühmten Butterkringeln.
Die Bäckerei Motsch in Bad Kissingen ist ein Familienbetrieb in dritter Generation
Den herrlichen Duft nach Frischgebackenem an ihrem wohlig warmen Arbeitsplatz nehmen die beiden längst nicht mehr wahr, erzählen die Brüder, die quasi in der Backstube groß geworden sind.
Die Bäckerei in der Bad Kissinger Scheffelstraße ist ein Familienbetrieb. Marius Motsch betreibt ihn in dritter Generation. Sein Großvater Alois Motsch hatte in Mannheim 1937 eine Bäckerei gegründet, die im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde. Seit 1945 gibt es die Backwaren aus dem Hause Motsch deshalb nun in Bad Kissingen, wo Dieter Motsch den Betrieb 1975 übernahm und 2009 an seinen Sohn Marius übergab.
Seit Dezember 2022 zählt die Bäckerei Motsch zu den 20 besten Bäckereien des Freistaats und wurde in München mit einem Ehrenpreis ausgezeichnet. Grundlage für die Auszeichnung, schreibt die Staatsregierung auf ihrer Internetseite, seien über Jahre hinweg herausragende Ergebnisse bei den jährlichen Brotprüfungen des Landesinnungsverbands. Im Jahr 2022 hatten sich 91 Betriebe aus 40 bayerischen Innungen für den Wettbewerb qualifiziert.
"Das ist natürlich eine schöne Bestätigung dafür, dass man das, was man tut, auch richtig macht", sagt Marius Motsch. Trotzdem: "Am Ende entscheiden natürlich nicht irgendwelche Preise, sondern die Kunden, ob man etwas verkauft." Qualität und Angebot sicherzustellen, verrät er, werde nicht einfacher.
Konkurrenz durch Bäckerei-Ketten und Discounter, Fachkräftemangel, hohe Energiepreise und generell steigende Lebenskosten für potenzielle Konsumentinnen und Konsumenten: Die Liste der Herausforderungen für eine vergleichsweise kleine Bäckerei ist lang dieser Tage. Nicht wenige Betriebe kapitulieren deutschlandweit vor der Situation.
Entsprechend sind Marius und Morris Motsch in der Backstube aufeinander angewiesen. Die Brüder sind ein eingespieltes Team. Anders wäre der Aufwand, den sie Nacht für Nacht betreiben, zu zweit nicht zu stemmen.
Jeder Handgriff ist abgestimmt, wenn sie meist zwischen ein und drei Uhr morgens damit loslegen, ihr Backwerk vorzubereiten. Unterstützung hätten sie dabei zwar gerne, finden aber keine geeignete. "Wir haben schon gewisse Vorstellungen, und Lehrlinge gibt es ohnehin wenige", so Motsch. Woran das liegen könnte? "Natürlich sind die Arbeitszeiten für viele Leute abschreckend und die Arbeit ist auch körperlich anstrengend", so der Bäckermeister.
Die Folge: Fällt einer der Brüder aus, ist die Arbeit für den anderen alleine zumindest über einen längeren Zeitraum nicht zu bewältigen. Während der Corona-Pandemie habe man zeitweilig schließen müssen, weil einer der beiden für einige Tage in Quarantäne musste, erinnert sich Marius Motsch.
In seiner Bäckerei wird nahezu alles selbst produziert. "Wir kaufen kaum zu", sagt er. Entsprechend ist Zeit das wichtigste Gut in seiner Bäckerei. "Der Faktor Zeit ist entscheidend für ein gutes Brot. Jedes Stück wird gewissermaßen individuell behandelt. Beim Backen haben wir natürlich Uhren am Ofen, aber letztlich entscheiden wir bei jedem Einzelstück selbst, ob es fertig ist. Da kommt es auch viel auf Gefühl und Erfahrung an. Das bedeutet Aufwand und den müssen wir über den Preis am Ende auch weitergeben", so Motsch.
Seine Berufswahl hat er nicht bereut. Auch wenn er gerne zugibt: "Manchmal wäre es schon schön, wie andere Leute von 9 bis 17 Uhr zu arbeiten. Aber als Bäcker sieht man jeden Tag, was man geschafft hat. Man entwickelt sich immer weiter, weil wir dauernd etwas Neues ausprobieren." Gewissermaßen müsse man ständig das Rad neu erfinden, sagt Motsch, um den sich wandelnden Ansprüchen der Menschen gerecht zu werden.
Im Vergleich zu früher würden die Leute heute mehr auf Inhaltstoffe achten, die Ernährungsmuster seien ausgefallener. "Früher gab es zum Beispiel Pizzazungen und Brötchen mit Leberkäse, heute haben wir locker 20 Varianten an Belegten. Entsprechend viel probieren wir aus, auch wenn nicht einmal die Hälfte dann auch auf Dauer im Angebot bleibt." Inspiration, verrät Motsch, holt er sich gerne auch aus dem Internet und passt die Rezepte später auf seine Abläufe und Vorstellungen an. "Es braucht schon viel Leidenschaft für das Ganze."
Leidenschaft - und ob der Arbeitszeiten doch sicher auch einen Schuss Koffein, oder? "Das ist doch alles eine Gewohnheitsfrage", sagt Motsch und schmunzelt. Kaffee trinkt er keinen. Weil er ihm nicht schmeckt. "Da fragen mich schon manchmal Leute, wie ich dann Bäcker sein kann." Sein kleines Geheimnis: Zu einem Schluck aus der Cola-Flasche sagt er frühmorgens dann doch nicht immer nein.