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Hafenlohr
Eine Main-Spessarter Familienbäckerei in Zeiten der Energiekrise: "Solange ich nicht drauflegen muss, mache ich weiter"
Seit seinem 16. Lebensjahr arbeitet Ludwig Fischer als Bäcker. Die steigenden Kosten belasteten auch seine Bäckerei in Hafenlohr. Warum er trotzdem zufrieden ist.
Eigentlich müssten die Backwaren das Doppelte kosten, um rentabel zu sein, sagt Ludwig Fischer von der Bäckerei Fischer in Hafenlohr. Grund dafür sind die steigenden Rohstoffpreise.
Foto: Nicole Schmidt | Eigentlich müssten die Backwaren das Doppelte kosten, um rentabel zu sein, sagt Ludwig Fischer von der Bäckerei Fischer in Hafenlohr. Grund dafür sind die steigenden Rohstoffpreise.
Nicole Schmidt
 |  aktualisiert: 15.07.2024 10:16 Uhr

Seit 45 Jahren arbeitet Ludwig Fischer als Bäcker. Die Bäckerei Fischer in Hafenlohr hat er 1996 von seinen Eltern übernommen. Bereut hat der 60-Jährige diese Entscheidung nicht, doch die aktuelle Energiekrise bereitet auch ihm Sorge. Erst vor Kurzem hat er einen Brief von seinem Stromversorger erhalten und sollte "einen Abschlag von 4000 Euro bezahlen". Das habe ihm Angst gemacht, immerhin gehe es darum, ob sein Geschäft sich finanziell noch lohnt.

So wie Ludwig Fischer geht es derzeit vielen Bäckerinnen und Bäckern, die aufgrund der exorbitant gestiegenen Energie- und Rohstoffpreise, um ihren Betrieb bangen und deshalb teilweise die Öffnungszeiten verkürzen oder komplette Tage schließen.

Der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks geht in einer Pressemitteilung davon aus, dass zahlreiche Betriebe an den Rand des Ruins getrieben werden könnten. Bei der Bäckerei Fischer ist die Stimmung trotz Krise gut. Denn der Inhaber konnte durch einen Wechsel in die Grundversorgung seine Stromkosten reduzieren und somit das Schlimmste abwenden. Bei seinem neuen Anbieter seien die Kosten für ihn noch bezahlbar, so der Bäckermeister.

Backofen der Bäckerei Fischer in Hafenlohr wird mit Heizöl betrieben

Während circa 70 Prozent seiner Kolleginnen und Kollegen laut Informationen des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks zur Herstellung ihrer Backwaren einen Gasofen nutzen, zählt die Bäckerei Fischer zu den anderen 30 Prozent. Seine Öfen werden mit Heizöl betrieben. "Öl ist genauso teuer geworden", berichtet der Bäckermeister, ein Umstand der laut ihm in der öffentlichen Diskussion etwas untergehe. "Schon vorheriges Jahr ist es im Preis gestiegen. Wir haben vor drei Jahren für 80 Cent pro Liter getankt, letzte Woche habe ich 1,62 Euro gezahlt. Das ist eine Preissteigerung von über 100 Prozent."

Besorgt fügt er noch an: "Da kommt alles zusammen und es ist etwas schwierig, das zu kompensieren und auf die Kunden umzulegen." Denn nicht nur die gestiegenen Energiekosten belasten das Bäckerhandwerk, auch die Preise für diverse Lebensmittel – Butter, Mehl oder Öl – sind gestiegen. "Es ist fast nichts günstiger geworden", fasst Fischer die Situation zusammen, "Mehl kostet circa 70 Prozent mehr wie vor einem Jahr und Butter kostet das dreifache."

Sein Zulieferer habe ihn zudem informiert, dass auch Zucker bald doppelt so viel wie jetzt kosten werde. Rohstoffe, die gerade für das anstehende Weihnachtsgeschäft dringend benötigt werden. Die Preissteigerungen verunsichern den Bäcker. "Ich weiß noch nicht, wie das Weihnachtsgeschäft werden wird", gesteht er, "eigentlich müssten die Weihnachtsstollen das Doppelte kosten".

Bäckerei Fischer musste die Preise bereits anheben

Doch bereits Anfang des Jahres musste die Bäckerei die Preise all ihrer Backwaren, mit Ausnahme von Kaiserbrötchen, anheben. Ludwig Fischer geht davon aus, dass er im Herbst die Preise noch einmal anziehen muss. "Es ist einfach keine Entspannung in Sicht. Im Oktober haben sämtliche Zulieferfirmen noch einmal Preiserhöhungen ankündigt, die teilweise bei über zehn Prozent liegen."

""Ich weiß noch nicht, wie das Weihnachtsgeschäft werden wird, eigentlich müssten die Weihnachtsstollen das Doppelte kosten."
Ludwig Fischer, Inhaber der Bäckerei Fischer in Hafenlohr

Wie lange die Bäckerei ihre hellen Brötchen noch für 35 Cent verkaufen kann, ist ebenfalls unklar. "Die Kaiserbrötchen liegen meistens schon bei 40 0der 45 Cent, wir haben den Preis erstmal gelassen", informiert er. Beim Gewinn mache sich dies aber bemerkbar, denn der sei "ziemlich zurückgegangen". Um tatsächlich noch rentabel zu arbeiten, müssten die Backwaren laut Fischer eigentlich das Doppelte kosten. 

Bei der Hafenlohrer Bäckerei Fischer werde das Angebot an Kuchen und Torten wegen der Energiepreise nicht reduziert. Trotzdem dürften die süßen Teilchen aufgrund des steigenden Zuckerpreises teurer werden.
Foto: Nicole Schmidt | Bei der Hafenlohrer Bäckerei Fischer werde das Angebot an Kuchen und Torten wegen der Energiepreise nicht reduziert. Trotzdem dürften die süßen Teilchen aufgrund des steigenden Zuckerpreises teurer werden.

Jede Preissteigerung birgt für kleine Bäckereien das Risiko Kundinnen und Kunden an Discounter zu verlieren, deren Backwaren vergleichsweise günstig angeboten werden. "Bei vielen wird dieser Punkt erreicht sein, wenn das Geld nicht mehr reicht", ist sich Fischer sicher. Seine Bäckerei profitiere aktuell noch vom Durchgangsverkehr, viele Menschen hielten laut ihm auf dem Weg zur Arbeit an und würden sich ihr belegtes Brötchen, einen Kaffee und eine Zeitung mitnehmen.

"Das ist eigentlich mein großes Plus, aber jetzt wird die Umgehungsstraße gebaut, sodass ich nicht weiß, wie lange dieser Kundenstrom nach anhält." Eine Entscheidung, die der Bäckermeister nicht nachvollziehen kann und die ihn ärgert, denn sie könnte für ihn mit finanziellen Verlusten einhergehen und das in einer Zeit, wo eine Krise auf die nächste folgt. 

Eine Bäckerei sollte sich rentieren

Im Moment könne Ludwig Fischer die Kosten noch tragen, seine Bäckerei sei nicht existenzgefährdet. "Ich gehe noch nicht ins Minus, sonst würde ich direkt aufhören", sagt er. "Von meinem privaten Geld werde ich nichts mehr investieren, um über die Runden zu kommen. Es sollte sich schon rentieren."

Damit dies gelingt, versucht die Bäckerei Energie einzusparen und bittet Kundinnen und Kunden beispielsweise kleinere Lieferungen – falls möglich – persönlich abzuholen, belegt die Öfen voll und hat die durch Corona angepassten Öffnungszeiten beibehalten. Dadurch schließe die Bäckerei nicht erst um 18 Uhr, sondern bereits eine Stunde früher.

"Ich gehe noch nicht ins Minus, sonst würde ich direkt aufhören."
Ludwig Fischer, Inhaber der Bäckerei Fischer in Hafenlohr

Auch eine kleine Photovoltaik-Anlage mit Batteriespeicher hat die Familie angeschafft. Diese sei aber aktuell nicht rentabel. Das Problem: Die Anlage laufe vor allem am Tag, wenn die Sonne scheint. Doch der Bäcker benötige den Strom abends, wenn gebacken wird. Und selbst die Einspeisevergütung von knapp acht Cent lohne sich für den kleinen Betrieb laut eigener Aussage nicht. 

Dennoch blicke Ludwig Fischer ohne Existenzängste in die Zukunft: "Wenn ich jetzt 30 oder 40 Jahre alt wäre, dann würde es mir mehr ausmachen," sagt er am Ende des Gespräches. "Aber jetzt mit 60 Jahren habe ich hoffentlich schon die längste Zeit gearbeitet."

Sollte der Ernstfall einer Schließung irgendwann einmal eintreten, dann würde Fischer seine Bäckerei aber auch nicht von heute auf morgen zu machen, denn seine Angestellten sollen nicht plötzlich auf der Straße stehen. Bislang gebe es aber keine Pläne in diese Richtung und er versichert: "So lange ich nicht drauflegen muss, werde ich weiter machen." 

 
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  • neffwerner
    Mal einer der nicht nur jammert! Imponiert mir!
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  • Petsch06120702
    Ich wundere mich über gar nichts mehr. Jahre lang ist in der Werbung gekommen; Ich bin doch nicht blöd und kauf bei Media Markt, oder Geiz ist geil. Wo war denn da der Aufschrei der Massen. Nirgends. Die Werte, die ein Handwerker erbringt, sind doch jahrzehntelang mit Füssen getreten worden.
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  • berndschebler@mail.de
    Wir wünschen der Bäckerei Fischer noch ein langes Atmen. Wie heißt es so schön,
    der Staat verteilt Wohltaten, die Zeche zahlen wir.
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  • Warum baut die Gemeinde denn eine Umgehungsstraße, wenn danach alle Läden schließen müssen, weil die Laufkundschaft fehlt?
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  • klaus.1960k@t-online.de
    Schauen Sie sich Hafenlohr mal an, dann wissen Sie warum eine Umgehungstrasse (endlich) gebaut wird. Dass dann alle Läden schließen ist Spekulation und Meinungsmache.
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  • familie.diener@gmx.net
    Wenn einer dort kaufen möchte , dann fährt er auch rein ins Dorf !
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  • berndschebler@mail.de
    @ meinung, haben Sie schon mal gehört, dass es sich um ein Hochwassergebiet handelt. Mit der Umgehung wird zugleich ein Schutz gegen das Hochwasser errichtet. So wie butler geschrieben hat, wenn einer dort kaufen möchte, dann fährt er auch rein ins Dorf!
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  • Catwoman
    Unterstützt die lokalen Bäcker! Gerade beim Fischer gibt es so leckere Backwaren und Kuchen!
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  • juergenmagic@t-online.de
    Sehr richtig! Aber was machen viele? Die rennen zu Aldi, Lidl und Co. und kaufen da weil es da billiger ist. Ich finde es schon fast unverschämt, wenn ein Bäcker seine Backwaren im Foyer verkaufen darf und der Markt dann noch selber seine eigenen Backwaren (Aufbackware) verkauft.
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  • christian@kreatil.de
    Ich brauche niemand, der mir die Brötchen über die Theke reicht, das kann ich selber. Und ich mag auch nicht die Ladenmiete und die Raumheizung über den Brötchenpreis bezahlen. Fazit: Ich brauche kein Bäckereifachgeschäft.
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