Genau genommen darf Steffen Schneider sich nicht "Bäcker" nennen. Zumindest noch nicht. Aber dazu später. Für die rund 200 Einwohnerinnen und Einwohner des Münnerstädter Ortsteils Althausen jedenfalls ist der 35-Jährige seit gut einem halben Jahr der Ortsbäcker. Seitdem nämlich wirft Schneider, der eigentlich selbständiger Fotograf ist, einmal im Monat in der Garage seinen zwei Meter hohen Etagenbackofen an. Jedes Mal ein anderes Brot backt er dort, vom Roggenlaib bis zum Wurzelbrot, stets aus regionalen Zutaten. Und wer möchte, der kommt am Sonntagmorgen vorbei und nimmt sich nach einem kurzen Plausch seine ofenfrische Bestellung mit nach Hause.
Der Plausch, betont Schneider, ist dabei gewissermaßen Kern der Geschichte. Als er mit seiner Frau Theresa und den beiden gemeinsamen Kindern im Dezember 2020 nach Althausen gezogen war, suchte er für seine junge Familie nach einer Möglichkeit sich rasch in der Dorfgemeinschaft zu integrieren. "Gebacken habe ich schon immer gerne und auch von einem größeren Ofen geträumt", erzählt Schneider. So kam die Idee von der hauseigenen Mini-Bäckerei auf.
Wobei seine Ehefrau, gelernte Bäckerin, aber längst nicht mehr in dieser Branche tätig, zunächst gar nicht so angetan war von dem Gedanken, sagt Schneider schmunzelnd. "Sie hatte zwar auch schon immer von so etwas geträumt, hat mich aber schon gefragt, ob der Zeitpunkt dafür so günstig ist, nachdem wir gerade erst in unser neues Haus gezogen waren", erzählt Schneider. "Aber ich konnte sie dann doch überzeugen." Und das hat sich gelohnt: "Ich hätte nie gedacht, dass das Ganze im Dorf dermaßen gut angenommen wird."
Waren es beim ersten Mal noch 35 Brote, die über die eigens eingerichtete WhatsApp-Gruppe reißenden Absatz gefunden haben, so waren es am jüngsten Backtag im Januar schon 150 Baguettes, die den Besitzer wechselten. Begeistert ist davon auch Althausens Ortssprecher Matthias Kleren: "Im Ort gibt es ja keinen festen Bäcker und der Ansturm war sofort da. Die Leute sind begeistert. So etwas kann man sich für die Dorfgemeinschaft nur wünschen", schwärmt er.
Warum den Leuten die Schneider'schen Brote so gut schmecken? Da hat der Hobbybäcker zumindest eine Theorie: "Ich glaube, ein großer Punkt dabei ist, dass es immer weniger Bäckereien gibt, die wie ich traditionell mit langen Teigführungen backen. Dafür gibt's aber immer mehr Firmenketten und Backshops. Da wird der Teig oft maschinell aufgearbeitet, wodurch das Brot weniger Reifezeit benötigt und schneller gebacken werden kann. Den Unterschied kann man schmecken, finde ich zumindest."
Mit der Vorbereitung, dem Backen selbst und dem Aufräumen kommen an einem Wochenende rasch 18 Stunden Arbeitszeit zusammen, rechnet Schneider vor. Sonntags steht er ab drei Uhr morgens am Ofen. Er macht es gerne, sagt aber auch: "Die Grenze ist erreicht. Ich kann weder vom Ofen her mehr Brote backen, noch kann ich mir mehr Zeit dafür nehmen." Er spricht dabei keineswegs mit Groll, sondern vielmehr bedauernd. "Es fragen mich schon einige Leute, ob ich das nicht beruflich machen möchte", sagt Schneider lächelnd.
Das freilich ginge nicht ohne Weiteres, selbst wenn der gebürtige Reichenbacher es wollte. Schon für sein jetziges Tun gab es die offizielle Erlaubnis erst nach einem kleinen bürokratischen Marathon. Schon beim Ofen fing es an: Den wollte ihm der Hersteller zuerst gar nicht verkaufen, weil er ja keine Bäckerei betreibe. Erst nach einigem Hin und Her durfte Schneider das 500-Kilo-Trumm per Lkw abholen und in seiner Garage unterbringen.
"Ich wollte rechtlich auf der sicheren Seite sein", erinnert er sich. Es begann seine zweimonatige Geschichte vom Hasen und dem Igel. Gleich drei Anläufe startete er, ein Gewerbe bei der Handwerkskammer anzumelden. Stets gab es rechtliche oder finanzielle Hindernisse, stets fand Schneider eine Lösung, nur um direkt auf die nächste Hürde zu stoßen. Das trieb seltsame Blüten: "Zeitweise hatte ich unsere Toilette als Mitarbeiter-Toilette beschildert, weil das eine der Auflagen des Gesundheitsamts war."
Erst ein Anruf beim Finanzamt, den Schneider heute wohl früher tätigen würde, brachte die Lösung. "Der entscheidende Punkt ist, dass ich mit dem Ganzen keine Gewinnabsicht habe", erklärt er, "damit fällt es unter Liebhaberei und ich muss kein Gewerbe anmelden". Um die Kosten für seine Zutaten zu decken, bekommt Schneider zwar einen kleinen Betrag von seinen Abnehmerinnen und Abnehmern. Doch ein Gewinn ist angesichts des 15 000-Euro-Ofens, der Material- und Energiekosten sowie des enormen Arbeitsaufwands nicht zu machen.
Mit den Einnahmen verfolgt Schneider andere Pläne. "Ich habe davon noch keinen Cent angerührt", verrät er. Er will das Geld nutzen, um die Bäckerprüfung abzulegen und lernt dafür schon fleißig. "Ich würde mir selbst einfach gerne beweisen, dass ich das, was ich mache, auch wirklich kann und es fachlich richtig ist." Mit Bestehen der Prüfung hätte Schneider zwar keinen Meistertitel, aber die gleichen Rechte wie ein Bäckermeister. Er dürfte dann zum Beispiel eine Bäckerei eröffnen. Und vor allem dürfte er sich dann auch ganz offiziell Bäcker nennen.