Dass die Hausärztinnen und Hausärzte im Landkreis Bad Kissingen knapp werden, ist schon seit gut zehn Jahren kein Geheimnis mehr. Doch jetzt, wo weitere alteingesessene Mediziner hier ihre Praxen aufgegeben haben oder aufgeben wollen, ist die Situation plötzlich ganz akut. Sofortiges Handeln wäre geboten, aber wie? Sollen sich die betroffenen Kommunen selbst bemühen? Muss die Politik handeln? Und wie kann man junge Leute überhaupt dazu bekommen, im ländlichen Bereich eine Arztpraxis zu eröffnen? Aus Sicht der angehenden Mediziner und Medizinerinnen sprechen oft die angeblich schlechte Honorierung, der hohe Arbeitsaufwand, die wachsende Bürokratisierung in den Praxen und die Angst vor dem Regress gegen die Eröffnung einer Landarztpraxis.
Die Hausarztversorgung im Landkreis Bad Kissingen war am 26. Juli auch Thema im Kreistag. Dort zog man Bilanz über die Bemühungen der jüngsten Vergangenheit. Immerhin ist es inzwischen gelungen, an der Uni Würzburg einen Lehrstuhl für Allgemeinmedizin anzusiedeln, sagte Landrat Thomas Bold. Doch bis sich daraus Wirkungen vielleicht auch für den hiesigen Landkreis entfalten, dürften seiner Ansicht nach noch fünf bis zehn Jahre vergehen.
Rhön-Landkreise setzen auf den Weiterbildungsverbund
2012 gründete der Landkreis, zusammen mit der Nachbarregion Rhön-Grabfeld einen Weiterbildungsverbund, in welchen Kliniken und niedergelassene Allgemeinärztinnen und -ärzte mit einbezogen wurden. Ziel war es, mehr Medizinstudierende eine Weiterbildung zum Hausarzt-Beruf anzubieten. Sie sollten sowohl in den Kliniken als auch bei den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten mitarbeiten, um sich zum Facharzt/zur Fachärztin für Allgemeinmedizin zu qualifizieren.
Während man an der Bad Neustädter Kreisklinik bald erste Erfolge zeitigte, verlief die Initiative im Landkreis Bad Kissingen offenbar im Sand. "Die Krankenhäuser wollten nicht mitziehen, der Weiterbildungsverbund hat nicht funktioniert", sagte Abteilungsleiter Jürgen Metz im Kreistag. Zudem hatte die Allianz Fränkisches Saaletal schon vor ein paar Jahren einen Arbeitskreis gegründet, der sich mit der Hausarztversorgung vor allem im Hammelburger Raum beschäftigte und eine Machbarkeitsstudie anfertigen ließ, so Metz weiter.
Seit 2015 bildet der Landkreis überdies mit Rhön-Grabfeld die mit Mitteln des Freistaats geförderte "Gesundheitsregion Plus (GRplus) Bäderland Bayerische Rhön". In diesem Zusammenschluss werden unter anderem Fachkräfte, wie Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegepersonal, vernetzt und bei der Weiterbildung unterstützt. Von dort aus sollen nun auch weitere Initiativen begleitet werden.
GRplus-Geschäfsstellenleiterin Daniela Schmitt skizzierte in der Sitzung am Montag die aktuelle hausärztliche Versorgung im Landkreis Bad Kissingen und hatte interessante Zahlen parat. Eine Neuigkeit war es allerdings nicht, dass die Kassenärztliche Vereinigung Bayern (KVB) die beiden Altlandkreise Bad Kissingen und Hammelburg mit 102,57 Prozent und 110,02 Prozent an Hausärztinnen und Hausärzten als "überversorgt" einstuft, während der Altlandkreis Bad Brückenau mit 90,67 Prozent knapp unter dem vorgesehenen Versorgungsgrad liegt.
Was beinhaltet die "hausärztliche Versorgung"?
Wissen muss man aber hierzu noch, dass die KVB nicht nur Allgemeinärztinnen/Allgemeinärzte und praktische Ärztinnen/Ärzte, sondern auch Internistinnen und Internisten zur "hausärztlichen Versorgung" dazu rechnet. Wenig einleuchtend ist die sogenannte Verhältniszahl, nach der die KVB diesen Versorgungsgrad anhand der Bevölkerungszahl im Landkreis errechnet: So kommt dann ein Arzt/eine Ärztin auf 1609 Einwohner. Und man kann sich ausmalen, was passiert, wenn in den kommenden Jahren die Bevölkerungszahlen im Kreis statistisch sinken sollten.
Der im Landkreis anstehende Generationenwechsel unter den Hausärztinnen und Hausärzten ist, laut Schmitt, bei dieser Berechnung überhaupt nicht berücksichtigt. Denn es sind aktuell die über 60-Jährigen, die im gesamten Landkreis meist die Hausarzt-Sitze stemmen. Vergleicht man die Situation von 2013 mit der von 2020, so stellt man fest, dass Hausärztinnen und Hausärzte inzwischen kooperative Praxisformen (in einem Medizinischen Versorgungszentrum oder einer Gemeinschaftspraxis) bevorzugen, sagte Schmitt. "Die Einzelpraxen nehmen ab."
Angestelltenverhältnis wird bevorzugt
Bayernweit habe sich gezeigt, dass sich 2009 bis 2020 die Zahl der angestellten Ärztinnen und Ärzte in einer freien Praxis verdreifachte, so Schmitt weiter. Zwei Drittel der "neuen" Ärztinnen und Ärzte würden das Angestelltenverhältnis zum Berufseinstieg bevorzugen. Laut Schmitt sollte man künftig für den Landkreis deshalb neue Initiativen anregen, die vielleicht sogar gemeindeübergreifend funktionieren.
Laut Schmitt könnten Ziele für die Zukunft sein, Studierende, die aus dem Landkreis stammen, hierher zurückzuholen, die Weiterbildung zu forcieren, bei den Nachfolge-Regelungen Unterstützung anzubieten und den Landarzt-Beruf mit einem speziell auf den Landkreis zugeschnittenen Marketingkonzept zu bewerben.
Zu Beginn des Jahres gründete sich eine Arbeitsgruppe (AG) "Hausärztliche Versorgung für Stadt und Landkreis Bad Kissingen", in der bislang neben Vertretern von Stadt und Landkreis sowie der Ärzteschaft auch Fachleute der Allianz Fränkisches Saaletal und des Kommunalbüros für ärztliche Versorgung am Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) vertreten sind. Weitere Interessierte aus der Ärzteschaft können dazu kommen, sagte Schmitt. Nach den Sommerferien will die AG zunächst unter allen Hausärztinnen und -ärzten im Kreis eine Fragebogenaktion starten. Dann sollen diese Ergebnisse präzise ausgearbeitet und im Frühjahr 2022, zusammen mit der Ärzteschaft, am Runden Tisch diskutiert werden.