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Bad Kissingen
Verbund holt junge Ärzte in die Hausarztpraxen
Die Lage ist nicht so schlecht, wie man denkt: Der Weiterbildungsverbund hat es sich zur Aufgabe gemacht, junge Kollegen in Hausarztpraxen zu integrieren.
In der Bischofsheimer Hausarztpraxis von Dr. Franz Wehming (links) und Helga Kahl (rechts) stehen der Weiterbildungsassistentin Nadja Goshova alle Türen offen.Barbara Enders       -  In der Bischofsheimer Hausarztpraxis von Dr. Franz Wehming (links) und Helga Kahl (rechts) stehen der Weiterbildungsassistentin Nadja Goshova alle Türen offen.Barbara Enders
| In der Bischofsheimer Hausarztpraxis von Dr. Franz Wehming (links) und Helga Kahl (rechts) stehen der Weiterbildungsassistentin Nadja Goshova alle Türen offen.Barbara Enders
Redaktion
 |  aktualisiert: 19.08.2022 05:15 Uhr
Rhön-Grabfeld — Seit dem Jahr 2011 beschäftigt ein wichtiges Thema die regionalen Medien: der drohende Hausärztenotstand. Fast zeitgleich gingen damals drei Ärzte in der oberen Rhön in den Ruhestand, mangels Nachfolger wurden die Praxen von Dr. Rupp in Oberelsbach, Dr. Maisch und Dr. Sperrfechter (beide Fladungen) geschlossen, der Hausärztenotstand war der alles beherrschende Gesprächsstoff. Gerüchte machten die Runde, dass die verbliebenen Hausärztepraxen keine neuen Patienten aufnehmen würden. Allerdings waren diese Sorgen für die Patienten unbegründet, für die Ärzte in den Nachbarorten Nordheim, Ostheim und Bischofsheim hingegen bedeutete es deutlich spürbare Mehrarbeit.

Seit etwa 20 Jahren ist ein Bevölkerungsrückgang von zehn Prozent messbar, die Bevölkerung wird älter. Der Anteil der bis 30-Jährigen hat etwa 20 Prozent abgenommen, der über 50-Jährigen hingegen um 20 Prozent zugelegt und damit auch die Zahl der aus medizinischer Sicht betreuungsintensiveren Patienten.


Gründung des Weiterbildungsverbundes

Vor knapp sechs Jahren trafen sich Landrat Thomas Habermann, der ärztliche Direktor der Kreisklinik Bad Neustadt Dr. Rainer Kuhn und der Ostheimer Allgemeinarzt Eberhard Helm auf dessen Initiative. Das Problem des drohenden Ärztenotstandes wurde vorgestellt und vor allem eine Lösung angeboten. Ein sogenannter Weiterbildungsverbund wurde ins Leben gerufen. Die Ärzte sensibilisierten ihre Kollegen für dieses Thema und konnten weitere Mediziner dafür gewinnen.

Im März 2012 wurde der Weiterbildungsverbund mit der Kreisklinik und weiteren 21 niedergelassenen Allgemeinärzten aus den Landkreisen Rhön-Grabfeld, Bad Kissingen und Schweinfurt gegründet und bereits ein Jahr später berichtete das Patientenmagazin der Kreisklinik in seiner Ausgabe 1/2013 unter dem Titel "Ein Jahr Weiterbildungsverbund Bad Neustadt - Ärztenachwuchs gesichert" von einer erfreulichen Bilanz. Nach nur einem Jahr wurden schon die ersten drei Assistenzärzte eingestellt und weitere folgten in den nächsten Jahren. Nach fünf Jahren bewegt sich die Zahl der Assistenten im zweistelligen Bereich.


Fünf Jahre Vorbereitung

Die Allgemeinmediziner treffen sich regelmäßig unter dem Vorsitz von Dr. Martin Wünsch in einem Qualitätszirkel, an dem immer etwa 15 bis 20 Ärzte des Verbundes teilnehmen. Der Verbund kümmert sich aktiv um den Erhalt von Hausarztpraxen. Das Ziel der Initiative ist es, wie es damals in einer Pressemitteilung der Kreisklinik Bad Neustadt beschrieben wurde, "eine reibungs- und lückenlose Weiterbildung in der Allgemeinmedizin für junge Ärzte sicherzustellen und mehr Medizinstudenten zu veranlassen, den Weiterbildungsweg zum Beruf des Hausarztes einzuschlagen". In Zusammenarbeit mit Hausärzten und der Kreisklinik durchlaufen die jungen Ärzte fünf Jahre lang verschiedene Bereiche der Medizin, um sich auf ihre Tätigkeit als Hausarzt vorzubereiten. Eine Intension soll auch sein, bereits Abiturienten für das Medizinstudium zu begeistern und durch das Angebot der Ausbildung zum Allgemeinarzt nach dem Studium wieder in die Region zu holen.

Eine dieser Weiterbildungsassistenten ist Nadja Goshova aus Stockheim. Nach dem Examen arbeitete sie drei Jahre in der Inneren Abteilung der Kreisklinik, jetzt ist sie in der Gemeinschaftspraxis der Bischofsheimer Ärzte Dr. Wehming und Kahl tätig. Diese Arbeit gefällt ihr sehr gut. Sie ist dankbar, dass sie hier ihre Ausbildung machen kann. Zur Behandlung der Patienten in der Praxis kommen Hausbesuche hinzu. Bereits ihr Vater arbeitete als Hausarzt und so was es für sie klar, dass sie ihren Beruf nicht in einer Klinik ausüben möchte.

In den nächsten Jahren wird Franz Wehming, einer ihrer derzeitigen Chefs, in den Ruhestand gehen und sie könnte es sich sehr gut vorstellen, dann weiterhin in der Bischofsheimer Praxis zu arbeiten. Wehmings Kollegin Helga Kahl würde künftig gerne weiter mit ihr zusammen arbeiten. "Frau Goshova ist ein Glücksfall für uns", bringt es Wehming mit wenigen Worten zum Ausdruck. Für die Bischofsheimer Praxis hat sich das Engagement im Weiterbildungsverbund bereits gelohnt.

In einer weiteren Bischofsheimer Hausarztpraxis, bei Dr. Martin Wünsch, gibt es eine Weiterbildungsassistentin: Dr. Christina Hoh aus Bad Neustadt ist nach drei Jahren Arbeit in verschiedenen Kliniken bereits seit einem halben Jahr in der Praxis und wird noch weitere zwölf Monate bleiben. Sie hat bewusst eine Tätigkeit auf dem Lande der in einer Stadt vorgezogen. Sie hat noch keinen genauen Plan, wo sie nach ihrer Ausbildung zum Allgemeinarzt arbeiten wird, ist allerdings für viele Möglichkeiten offen.

Auch bei Dr. Eberhard Helm in Ostheim wird derzeit eine junge Ärztin zur Allgemeinärztin ausgebildet. Christine Leutbecher aus Mittelstreu arbeitete nach dem Examen an der Kreisklinik in Bad Neustadt, ein Jahr lang war sie in Suhl und danach als Facharzt für Anästhesie an Rhönklinikum Bad Neustadt. Wo sie nach ihrer Ausbildung arbeiten wird, ist auch für sie noch ungewiss, aber in der Region wird sie sicher eine Stelle finden.


Unsicherheit trotz positiver Ergebnisse

Nicht gewiss ist - trotz erfolgreicher Arbeit in den vergangenen fünf Jahren - auch die Zukunft des Weiterbildungsverbundes, der bei seiner Gründung der erste und einzige Verbund weit und breit war. Mittlerweile stehen auf der Erfolgsliste des Verbundes Nachwuchskräfte in zweistelliger Zahl, einige von ihnen stehen kurz vor der Niederlassung in der Region. Ungewiss ist die Zukunft deshalb, weil die ehemalige Kreisklinik mittlerweile zum Rhönklinikum gehört. In einem Artikel zum Konzept des Rhön Klinikum Campus´ "Das Krankenhaus der Zukunft" in den regionalen Zeitungen Mitte Oktober wird Professor Griewing vom Rhönklinikum zitiert: "Die Hausärzte haben eine herausragende Funktion als Kümmerer vor Ort".

Auf Nachfrage beim Ärztlichen Direktor der Neurologischen Klinik am Rhönklinikum Professor Bernd Griewing will sich dieser nicht konkret über die künftige Zusammenarbeit mit dem Weiterbildungsverbund äußern, gibt jedoch positive Signale. "Wir haben die Absicht, weiter zusammen zu arbeiten, aufgrund der positiven Erfahrungen der letzten Jahre." In einigen Wochen wird ein Gespräch mit den Vertretern der Hausärzte, dem bisherigen Ärztlichen Direktor der Kreisklinik Dr. Rainer Kuhn und Professor Griewing stattfinden, in dessen Verlauf nicht nur der Weiterbildungsverbund diskutiert werden wird. Griewing weist auf eine Reihe weiterer Punkte hin, wie zum Beispiel die durch Änderung des Gesetzgebers notwendige neue Regelung der Bereitschaftsdienstpraxis. Zudem kann man seiner Meinung nach noch nicht einschätzen, wie sich die Hausarztdichte künftig entwickelt.

Aus der Sicht des Allgemeinarztes Dr. Eberhard Helm kann eine weitere Zusammenarbeit für die Hausärzte des Weiterbildungsverbundes und das Rhönklinikum als Partner auf Augenhöhe eine Win-Win-Situation für alle sein. Es wird auch künftig möglich sein, junge deutsche Ärzte in den Landkreis zu holen und lässt Gutes für die Zukunft hoffen.
 
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