Die medizinische Versorgung auf dem Land ist eine Herausforderung: Ärzte gehen in Ruhestand, Nachfolger fehlen, Praxen schließen. Jetzt will sogar die Deutsche Bahn rollende Arztpraxen anbieten: Gesundheitsbusse mit Hausarzt und Helferin an Bord, die ausgewählte Gemeinden anfahren. Mobile Praxen können Versorgungsengpässe überbrücken, niedergelassene Hausärzte ersetzen sie nicht.
Lehrstuhl an der Uni Würzburg mit zwei Frauen besetzt
Woher aber soll der Nachwuchs kommen? Eine Option: die Allgemeinmedizin im Studium aufzuwerten und zu stärken, wie es der von der Bundesregierung beschlossene "Masterplan Medizinstudium 2020" vorsieht. Folgerichtig scheint deshalb die Einrichtung weiterer Lehrstühle für Allgemeinmedizin. In Bayern hat die Würzburger Julius-Maximilians-Universität (JMU) als vierte Uni nach den beiden Münchner Hochschulen und Erlangen-Nürnberg Ende 2017 einen solchen Lehrstuhl erhalten.
Für Aufsehen sorgte vor allem die Besetzung: Dass sich in Würzburg mit Anne Simmenroth und Ildikó Gágyor zwei Medizinerinnen eine Professur teilen und zusätzlich in Hausarztpraxen arbeiten, ist bis dato einmalig in Deutschland und könnte als Arbeitsmodell Schule machen. Die beiden Professorinnen und Mütter stehen vorbildhaft für ein verändertes Rollenbild. Ihr Beispiel könnte dazu beitragen, dass mehr junge Mediziner den Weg in eine Hausarztpraxis finden, wurde jetzt bei der Antrittsvorlesung der beiden Ärztinnen am Uniklinikum Würzburg deutlich.
"Der Hausarzt der Zukunft ist eine Hausärztin", sagt Prof. Ferdinand Gerlach, Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin an der Goethe-Uni Frankfurt/Main und Vorsitzender des Sachverständigenrates im Gesundheitswesen. Der Frauenanteil unter den Medizinstudenten liege mittlerweile bei deutlich über 60 Prozent. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf werde auch deshalb immer wichtiger.
Gerlach ist überzeugt, dass ein eigener Lehrstuhl und seine inhaltlichen Studienangebote am Ende mehr Hausärzte hervorbringen: "Der Effekt ist mit Zahlen aus anderen Hochschulen belegbar." Der Nachwuchs erfahre durch die direkte Begegnung, wie attraktiv die Allgemeinmedizin als "Gesprächs- und Beziehungsmedizin" sein könne. Nur in der Allgemeinmedizin würden Studierende in den Praxen eins zu eins betreut. "Und sie erleben, dass Patienten in der Regel ein gutes Verhältnis zu ihren Hausärzten haben."
Seit drei Jahren wieder Zuwächse bei jungen Allgemeinmedizinern
Wer schon im Studium solche Einblicke erhält, entscheidet sich später offenbar eher für die Allgemeinmedizin. Immerhin: Laut Ärztekammer steigt nach einem Einbruch vor zehn Jahren bundesweit seit 2016 die Zahl der Facharztanerkennungen für Allgemeinmedizin wieder – von 1290 über 1394 (2017) auf 1556 im vergangenen Jahr, rund zwei Drittel davon sind Frauen.
Für eine flächendeckende Versorgung braucht es aber deutlich mehr Zuwachs. Viele Hausärzte gehen bald in den Ruhestand, auch in der Region Mainfranken. Schon jetzt gelten Bereiche wie Lohr (Lkr. Main-Spessart) und Schweinfurt-Nord als unterversorgt, sagt Christian Pfeiffer, Allgemeinmediziner und Beauftragter der Kassenärztlichen Vereinigung (KVB) für Unterfranken. Hausärzte, die sich in unterversorgten Region niederlassen, fördert die KVB mit bis zu 100.000 Euro.
In Schweinfurt-Süd wird die Versorgung beispielsweise durch ein Hausarzt-Zentrum in Grafenrheinfeld sichergestellt. Neun Ärzte sind hier beschäftigt, davon sechs Frauen. Vorteil: Durch die Zusammenarbeit im Zentrum lassen sich Arbeitszeiten, Wochenend- und Schichtdienst besser regulieren. Dr. Jürgen Schott, der gemeinsam mit seiner Frau in dem Zentrum arbeitet, hält es für ein Modell der Zukunft: "So lassen sich die Bedürfnisse von Patienten und Arzt oder Ärztin vereinbaren."
KVB-Regionalbeauftragter Pfeiffer freut sich, dass die Allgemeinmedizin aus ihrem akademischen Schattendasein tritt. Der neue Lehrstuhl sei ein "wahnsinniger Imagegewinn" und eine Aufwertung des Fachs auch gegenüber Kollegen anderer Fachrichtungen. Dass Allgemeinmediziner in der Vergangenheit gerne mal als Wald- und Wiesendoktores belächelt wurden, damit soll es nun vorbei sein.
Hausärzte-Vertreter Dieter Geis setzt auf Akademisierung der Allgemeinmedizin
Das hofft auch Dr. Dieter Geis, Ehrenvorsitzender des Bayerischen Hausärzteverbandes. Der Allgemeinmediziner aus Randersacker rechnet mit einer weiteren Durststrecke von fünf bis sieben Jahren. Nur durch die weitere Akademisierung der Allgemeinmedizin lasse sich genügend Nachwuchs für die Praxen gewinnen, so Geis' Überzeugung: "Über einen eigenen Lehrstuhl lernen Studenten den Beruf des Allgemeinmediziners vom ersten Semester an kennen."
Nach dem Studium bleibe die Uni Ansprechpartner: Angehende Hausärzte müssen sich nicht auf eigene Faust durchschlagen, sondern können auf Weiterbildungsprogramme des Lehrstuhls zurückgreifen. Dass es künftig noch mehr Allgemeinmediziner braucht, steht für Geis außer Frage: "Die Menschen werden immer älter. Sie medizinisch zu begleiten, dafür brauchen wir vor allem die Hausärzte."
Meiner Überzeugung nach wollen einfach viele gerade junge Ärzte bzw Ärztinnen nicht als Selbstständige arbeiten, den Aufwand mit Angestellten, der Abrechnung etc - sondern zur Arbeit kommen, für die Patienten da sein - und wieder nach Hause gehen - und mit der Bürokratie nichts zu tun haben. Gerade wenn es viele junge Ärzte sind, die dann auch mal ne Familie gründen wollen, wäre das ein guter Weg in die Zukunft!