
Karin Ehlert ist verzweifelt: Sie ist Patientin bei ihrem Hausarzt Peter Gleißner. Doch der wird seine Praxis ab dem 30. September nicht mehr für Kassenpatienten öffnen. Weil sie regelmäßig zum Arzt muss, hat sie sich sofort darum gekümmert, einen neuen Arzt zu finden. Doch das ist in Bad Kissingen nicht so einfach.
Sie habe auf ihrer Suche nach einem neuen Hausarzt schon einige angefragt. "Ich kann es Ihnen gar nicht sagen, wie viele". Alle würden ihr antworten, dass die Praxen einen Aufnahmestopp haben. Eine Lösung für das Problem hat sie bisher nicht. Auf der Suche danach habe sie bereits die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB), ihre Krankenkasse und den ärztlichen Bereitschaftsdienst angerufen.
Hunderte Patienten vor dem Problem
Doch bisher war alles erfolglos. "Vor diesem Problem stehe ja auch nicht nur ich, sondern hunderte andere Patienten", sagt die Bad Kissingerin. "Als ich hierhergezogen bin, dachte ich, das ist ja ein Gesundheitsstandort, da werde ich hier gut versorgt."
Rein rechnerisch stimmt das auch. Das Gebiet Bad Kissingen , zu dem auch der Münnerstädter Raum zählt, gilt bei der KVB mit rund 102 Prozent ärztlicher Abdeckung als leicht überversorgt. Für die dort wohnenden und neu zugezogenen kaum spürbar, genauso wenig für die Ärzte vor Ort.
So gern er wollte, Peter Gleißner kann nicht weitermachen: "Ich gebe meine Praxis für Kassenpatienten alters- und gesundheitsbedingt auf. Ich kann die Größe der Praxis nicht mehr halten." Bisher habe er sich um 1800 Patienten pro Quartal gekümmert. Das sei zu viel. Nachdem er bald nur noch die Privatpatienten behandelt, ist es nur ein Viertel davon. Nach 30 Jahren mit seiner Praxis könne er nicht mehr leisten.
Gesundheitliche Probleme und Überlastung
Zu seinen gesundheitlichen Problemen kam, dass er kein Personal mehr gefunden hatte. "Dann habe ich mich gefragt: Mache ich weiter diesen Wahnsinn oder trete ich kürzer? Das habe ich jetzt getan. Jetzt kann ich wenigstens wieder richtige Medizin machen." Leicht sei ihm die Entscheidung nicht gefallen, wenn er an seine Patienten denkt, die nun auf der Straße stünden und nur schwer einen neuen Arzt finden. "Ich habe es immer gerne gemacht, aber unter den genannten Bedingungen geht das einfach nicht mehr", sagt Peter Gleißner.
Neben den Patienten, machen sich auch die Ärzte sorgen. Denn es gibt die Gerüchte, dass auch die Praxis von Wolfgang Gieseke und die von Rudolf Weber schließen würde. Das verneinten die Angestellten, als die Redaktion bei den Praxen nachfragte. Dennoch ist die Lage angespannt. Hausarzt Martin Fitzke sagt: "Dr. Gleißner hatte sehr viele Patienten, die dann alle auf uns zukommen. Wir haben aber sowieso schon viele Patienten. Noch mehr verkraften wir nicht." Martin Fitzke befürchtet, dass weitere Praxen unter diesen Bedingungen schließen. "Wir Ärzte arbeiten am Anschlag", sagt er.
"An der Grenzen dessen, was wir arbeiten können"
Den Ernst der Lage bestätigt auch der Haus- und Versorgungsarzt Ralph Brath: "Wir sind an der Grenzen dessen, was wir arbeiten können." Er erinnert sich daran, wie vor rund zehn Jahren die Doktoren Ruppert ihre Praxis schlossen. "Da haben Patienten bis zu drei Jahren gebraucht, einen neuen Hausarzt zu finden. Solange haben sie sich die Medikamente beim kassenärztlichen Notfalldienst geholt."
Daher planen die Ärztekollegen, sich bald zu treffen. Sie wollen beraten, was sie tun können. Was dabei rauskommt, ist noch offen, die Ärzteschaft Kissingens ist ratlos. Die Stadt habe inzwischen verstanden und reagiere. Viel könne sie jedoch nicht machen, sagt Brath: "Das Problem , das wir hier haben, besteht ja überall in Bayern. Das ist kein Kissingen-Phänomen." Bei der Berechnung, wie viele Patienten auf eine Arztstelle kommen, ist die Kurstadt im bayernweiten Durchschnitt. Und dennoch reicht das hier vorne und hinten nicht aus.
Vielschichtiges Problem
"Das beginnt damit, dass wir viel zu wenige Studenten ausbilden", sagt Brath. Außerdem sei das Arbeitsverhältnis heutzutage ein anderes: Wenn jetzt ein alter Hausarzt geht, müssten zweieinhalb Stellen nachkommen. Ein Lösungsansatz: Mehr ausbilden, den Beruf des Hausarztes attraktiver machen.
"Dann muss man auch die Ärzte ausbilden, die in die Praxen gehen wollen. Das ist eine Frage der Zulassungsbehörden", sagt Brath. Momentan würden nur diejenigen zugelassen, die optimal in der Schule sind. Das seien aber nicht immer die, die sich selbstständig machen wollen.
Stadt Bad Kissingen reagiert auf Ärztemangel
Oberbürgermeister Dirk Vogel sieht die Probleme mit der hausärztlichen Versorgung in Bad Kissingen . Wenngleich die Stadt weder zuständig ist, noch über eine direkte Einflussmöglichkeit verfügt, werde sie sich um die Lösung des Problems kümmern, heißt es in einer Pressemitteilung. Zuständig ist die kassenärztliche Vereinigung (KVB).
Nach deren Berechnung wären noch 2,5 Stellen für Hausärzte offen, bald sind es 3,5. "Hinzu kommt das überdurchschnittliche Alter unserer Bevölkerung, die leider in den Planungszahlen nicht ausreichend berücksichtigt wird", so der OB. Und: In den nächsten Jahren werde sich die Situation verschärfen, weil einige ansässige Ärzte aufgrund ihres Alters ihre Tätigkeit beenden werden.
Strategie mit LGL beraten
Deswegen hat sich die Stadt bereits im März mit dem Kommunalbüro für ärztliche Versorgung des Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) zur weiteren Strategie beraten. Ergebnis seien unterem eine gemeinsame Werbeaktion, um eine Nachfolge im Maximilians MVZ zu suchen. Zudem wirkt die Stadt an dem Projekt "Gesundheitsregion plus" des Rhön-Saale Gründer- und Innovationszentrum (RSG) und des Landkreises mit.
Oberbürgermeister Dirk Vogel kündigte weitere Initiativen zum Thema an. Er ist optimistisch, dass Bad Kissingen als Standort für eine eigene Praxis bei punkten kann. Er mahnte aber auch, dass die Stadt auf die Unterstützung und Mithilfe der hiesigen Akteure im Gesundheitswesen angewiesen sei, denn das Problem lasse sich nur gemeinsam lösen .