Rückert muss man laut lesen!
Gedenkjahr: Vor 150 Jahren ist Friedrich Rückert gestorben. Ein Dichter, ein Sprachgenie und ein schwieriger Mensch. Seine Koranübersetzung ist bis heute ein wichtiger Beitrag im Austausch von Orient und Okzident.
Die Biografin Annemarie Schimmel sagt, Rückert habe mit seinen Übersetzungen der deutschen Literatur einen Schatz hinterlassen, wie ihn keine andere Sprache kenne. Warum sind wir uns dieses Schatzes so wenig bewusst?
Kreutner: Die erste Schwierigkeit ist sicher, dass Rückert Lyriker war. Selbst Goethe und Schiller werden heute nicht mehr über ihre Gedichte rezipiert, sondern über ihre Theaterstücke. Lyrik ist zwar die schönste Form von Sprache, die verdichtetste Form des Ausdrucks – das werden Ihnen gerade die Orientalen bestätigen. Es muss aber am meisten dabei gedacht werden. Und wenn ich am meisten denken muss, um es zu Papier zu bringen, muss ich nicht wenig denken, um es lesen zu können. Der Satzbau wird geändert, die Sprache wird dem Reim und dem Metrum angepasst. Das macht Rückert natürlich schwer. Wenn die Leute beachten würden, dass man Lyrik laut lesen muss, hätten sie eine Menge Spaß mit Rückert. Das ist sozusagen verbale Musik pur.
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