WÜRZBURG
Die Lehren aus dem Erfurter Amoklauf
Amoklauf: Vor 15 Jahren tötete ein 19-Jähriger in Erfurt 16 Menschen an einer Schule. Der Würzburger Psychologe Bernhard Meißner hat damals Mitschüler, Lehrer und Eltern betreut. Er erklärt, was sich seitdem an den Schulen verändert hat.
Mit welchen Emotionen waren Sie konfrontiert?
Meißner: Angst, Wut, Trauer, Verwirrung, wie so etwas passieren kann, Schuldgefühle, Vorwürfe und Scham, etwas unterlassen oder nicht richtig gemacht zu haben.
Jemand, der Angst hat und sich nicht mehr in die Schule traut . . .
Meißner: . . . der braucht mehr als nur Unterstützung. Man muss erst einmal in seiner Vorstellung mit ihm üben, das Stockwerk, auf dem es passiert ist, wieder zu betreten.
Die Schule wurde nach dem Amoklauf drei Jahre lang renoviert.
Meißner: Das war wenig hilfreich. Denn je länger man nicht zurückkehrt, desto schwerer wird die Rückkehr. Vermeidung erhöht die Ängste.
Heißt das, wenn Opfer aus Angst nicht darüber sprechen, macht es das Erlebte in Gedanken noch schlimmer?
Meißner: Ja. Wenn man aber die Betroffenen zwingt, darüber zu reden, kann es auch den gegenteiligen Effekt haben. Man braucht Geduld.
Sie haben auf den Gruppeneffekt gesetzt. Was heißt das?
Meißner: In Klassen von 30 Schülern reden einige. Andere hören zu und haben auch etwas davon.
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