
Die Krise der Automobilindustrie und die mauen Konjunkturdaten belasten die mainfränkische Wirtschaft. Schon jetzt haben zahlreiche Arbeitgeber Kurzarbeit angemeldet, auch Stellenstreichungen sind nicht ausgeschlossen. Vielerorts lassen sich die Verluste nur durch deutliche Sparmaßnahmen auffangen.
Dabei kann viel auf die Mitarbeiter abgewälzt werden, doch alles muss sich die Belegschaft nicht gefallen lassen. Tobias Schmitt, Arbeitsrechtler bei der Würzburger Kanzlei Bendel und Partner, erklärt, welche Rechte man als Angestellter hat und warum es sich lohnen kann, gegen eine Kündigung vorzugehen.
Frage: Herr Schmitt, was muss passieren, damit der Arbeitgeber Kurzarbeit anordnen kann?
Tobias Schmitt: Kurzarbeit ist an viele Bedingungen geknüpft. Prinzipiell muss das Unternehmen nachweisen, dass die wirtschaftliche Situation zu einem erheblichen Arbeitsausfall führt. Fristen, Voraussetzungen und die Dauer der Kurzarbeit müssen im Arbeitsvertrag, in einer Betriebsvereinbarung oder dem Tarifvertrag genau geregelt sein. Wenn es einen Betriebsrat gibt, muss dieser zustimmen.
- Lesen Sie auch: Immer mehr Kurzarbeit in Mainfranken – Das sollte man wissen
Ist es möglich, einen Zweitjob anzunehmen?
Schmitt: Man kann einer zweiten Beschäftigung – beispielsweise im Einzelhandel oder der Gastronomie – nachgehen. In vielen Arbeitsverträgen ist allerdings geregelt, dass man den Chef über einen Nebenjob informieren muss. In jedem Fall gilt die sogenannte Loyalitätspflicht. Das heißt, man darf der eigenen Firma ohne die Zustimmung des Arbeitgebers keine direkte Konkurrenz machen oder gar Aufträge abgreifen. Darüber hinaus muss das Arbeitszeitgesetz - insbesondere die Ruhezeiten - eingehalten werden. Von 7 bis 17 Uhr im Büro zu sitzen und am gleichen Abend in der Bar nebenan zu kellnern, ist nicht erlaubt.

- Alarmzeichen: Auftragsminus, Kurzarbeit und Stellenabbau in Mainfranken
- Gelassenheit: Gewerkschafter sieht keine Wirtschaftskrise
Muss man Gehaltskürzungen akzeptieren?
Schmitt: Nein. Selbst wenn es im Unternehmen gerade schlecht läuft, kann einem der Chef nicht einseitig den Lohn kürzen. Der Arbeitgeber trägt das wirtschaftliche Risiko, weshalb auch in der Krise die im Arbeitsvertrag vereinbarte Summe gilt. Anders kann es beispielsweise bei Jahresboni oder freiwilligen Leistungen wie kostenlosen Parkplätzen oder der alljährlichen Weihnachtsfeier aussehen.
Ist die Konjunkturflaute ein Kündigungsgrund?
Schmitt: Grundsätzlich ergeben sich aus einer Wirtschaftskrise keine besonderen Kündigungsmöglichkeiten. Aber natürlich nehmen betriebsbedingte Kündigungen zu, wenn Unternehmen anhaltend Verluste erwirtschaften. In bestimmten Fällen muss der Arbeitgeber dabei eine sogenannte Sozialauswahl durchführen. Wer entlassen wird, entscheidet sich anhand von vier Kriterien: Dauer der Betriebszugehörigkeit, Alter, Schwerbehinderung und Unterhaltspflichten des Arbeitnehmers.

Macht es Sinn gegen eine Kündigung vorzugehen?
Schmitt: Das kommt darauf an, ob Kündigungsgründe vorliegen. Anders als im Entlassungsschreiben müsste der Arbeitgeber vor Gericht diese detailliert darlegen. Es reicht nicht, lediglich mit einem Auftragsrückgang zu argumentieren. Oft stehen die Chancen vor Gericht gar nicht schlecht. Um sich finanziell abzusichern, kann es sinnvoll sein, eine Rechtsschutzversicherung abzuschließen.
Welche Fristen gelten bei der Kündigung?
Schmitt: Dafür sollte man zuerst in den Arbeitsvertrag schauen. Dort könnte eine konkrete Frist aufgeführt sein. Wenn nichts geregelt ist und auch kein Tarifvertrag besteht, gelten die gesetzlichen Bestimmungen in Paragraph 622 im Bürgerlichen Gesetzbuch. Wer sich gegen die Kündigung wehren will, muss innerhalb von drei Wochen Klage beim Arbeitsgericht einreichen.
- Immer informiert: Spannende Wirtschafts-Nachrichten aus Mainfranken

Steht einem gekündigten Mitarbeiter eine Abfindung zu?
Schmitt: In Deutschland gibt es grundsätzlich keinen Anspruch auf eine Abfindung. Viele Arbeitgeber leisten trotzdem eine Geldzahlung, um einen langwierigen Rechtsstreit zu vermeiden – gerade wenn die Kündigung nicht ausreichend begründet werden kann und eine Niederlage vor Gericht droht.
Was passiert, wenn der Arbeitgeber Insolvenz anmeldet?
Schmitt: Auch während eines Insolvenzverfahrens besteht nach wie vor der Kündigungsschutz, allerdings gelten verkürzte Kündigungsfristen und Einschränkungen bei den finanziellen Entschädigungen. Den Lohn kann auch der Insolvenzverwalter nicht willkürlich kürzen. Problematisch wird es, wenn so wenig Geld da ist, dass der Lohn nicht ausbezahlt werden kann. Dann springt gegebenenfalls die Bundesagentur für Arbeit ein oder man wird möglicherweise an der Insolvenzmasse beteiligt.
Welche Rolle spielen Betriebsrat oder die Gewerkschaft?
Schmitt: Der Betriebsrat muss bei Personalentscheidungen stark eingebunden werden und hat dabei ein weitgehendes Mitbestimmungsrecht. Gerade wenn es um Massenentlassungen, die Aufstellung von Sozialplänen und den Interessensausgleich geht, kann der Betriebsrat eingreifen. Die Gewerkschaften können gegebenenfalls durch Streiks Einfluss auf Entscheidungen der Geschäftsführung zu nehmen.
Lesen Sie auch
- Arbeitskampf: Die neue Strategie der Gewerkschaften
- Wende im Tarifkonflikt: Bei Spindler wird wieder verhandelt
- Tarifflucht: Warum Unterfranken für weniger Geld mehr arbeiten müssen