Die Krise ist da. Die 66 Jahre alte Unternehmerin Ingrid Hunger ist Vorsitzende für Main-Spessart im Bayerischen Unternehmensverband Metall und Elektro (Bayme) und ist ehrenamtlich für die Industrie- und Handelskammer (IHK) Würzburg-Schweinfurt aktiv. Die studierte Betriebswirtschaftlerin führt das Hydraulikzylinderwerk Walter Hunger in Lohr am Main.
Frage: Frau Hunger, Deutschlands Maschinenbauer haben vor wenigen Tagen ein deutliches Minus bei den Aufträgen gemeldet, den Automobilzulieferern geht es nicht besser. Zwei Bereiche, die auch in Mainfrankens Wirtschaft stark vertreten sind. Wohin steuert die Region?
Ingrid Hunger: Wir müssen von der Weltkonjunktur ausgehen. Und die sieht im Moment sehr schlecht aus. Dies wird sicher auch Folgen für unsere Region haben.
Sie spielen damit auf Themen wie Brexit und Handelskriege an, oder?
Hunger: Ja. Und China, Indien, die Sanktionen rund um Russland und Iran, also die gesamte Außenwirtschaft.
Aber mal ehrlich: Geht es denn in den Chefetagen mainfränkischer Unternehmen tagtäglich um Brexit, Trump oder China? Ist das dort wirklich ein Thema in den Besprechungen? Die Chefs dürften doch andere Themen haben.
Hunger: Man muss unterscheiden, um welche Chefetagen es geht. Wenn Sie über große Unternehmen, wie etwa in der Schweinfurter Industrie sprechen, ist das dort ein Thema. Es gibt hier auch sehr viele kleinere Unternehmen und vor allem Automobilzulieferer, für die das Thema wichtig ist. Die sollte man in der Diskussion ebenfalls berücksichtigen.
Verhungern alle diese kleineren Unternehmen am ausgestreckten Arm der großen? Haben die Mittelständler irgendeine Chance bei dem, was da auf die Region zukommt?
Hunger: Die Krise betrifft genauso große wie kleine Unternehmen, die Zulieferer sind. Wenn große Unternehmen keine Aufträge mehr haben, dann werden zuerst die Aufträge an die Unterlieferanten zurückgezogen, um diese Arbeiten im Haus zu behalten.
Was müssen diese kleinen Zulieferer also tun, wie müssen sie sich wappnen?
Hunger: Bei den Automobilzulieferern gibt es sehr starke Rückgänge in den mittelständischen Unternehmen. Die müssen Ausweichprodukte finden.
Kommen in dieser Hinsicht in Ihrem Verband schon Hilferufe von Firmen an?
Hunger: Ja. Sehr viele fragen nach Kurzarbeit. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch die Tarifpolitik. Da stehen demnächst ja wieder Verhandlungen an.
Ist in absehbarer Zeit in Mainfranken mit einer Talfahrt der Industrie zu rechnen, wie sie etwa Schweinfurt Anfang der 1990er Jahre erlebte?
Hunger: Da müsste ich Hellseherin sein, um das voraussagen zu können. Aber wir sehen eindeutig, dass die Konjunktur zurückgeht, dass wir eine Krise haben werden.
In welchem Maße rechnen Sie in der Region mit Stellenabbau?
Hunger: Wir haben ja einen starken Fachkräftemangel. Ich denke also, dass jeder Unternehmer sehr, sehr lange mit Stellenabbau warten wird. Vielmehr wird er versuchen, alle möglichen anderen Maßnahmen - wie zum Beispiel Kurzarbeit oder Verzicht auf Zeitarbeit - in Anspruch zu nehmen.
Interessanter Aspekt. Denn das heißt ja, dass der Fachkräftemangel vor Stellenabbau schützt.
Hunger: Richtig. Jeder Unternehmer wird versuchen, seine Fachkräfte so lange zu halten, wie er es finanziell verkraften kann.
Sie haben die Tarifverhandlungen 2020 in der bayerischen Metall- und Elektroindustrie angesprochen. Steckt ein Unternehmen in der Krise, kann es Lohnerhöhungen für die Belegschaft wohl als Letztes brauchen. Wie werden also die Tarifverhandlungen mit der IG Metall aussehen, wie sehr wird sich Ihr Verband mit der Gewerkschaft fetzen?
Hunger: Wir werden uns sicherlich sehr hart auseinandersetzen, weil es in den vergangenen zehn Jahren immer nur aufwärts gegangen ist mit sehr großen Lohnsteigerungen. Jetzt muss die Gewerkschaft die Konjunktur betrachten und darauf Rücksicht nehmen.
Zurück zur schwierigen Lage der Konjunktur. Was macht Ihnen mit Blick auf Mainfranken Hoffnung?
Hunger: Die Region ist ja noch recht gut aufgestellt, den Unternehmen geht es noch einigermaßen gut. Viele Firmen profitieren im Moment davon, dass sie hohe Auftragseingänge hatten und diese erst abarbeiten müssen. Das tun viele jetzt natürlich bewusst langsamer, um alles etwas zu strecken. Zum Beispiel dadurch, dass die Mitarbeiter keine Überstunden mehr machen.