
Die Corona-Krise ist im zu Ende gehenden Jahr in der mainfränkischen Wirtschaft das alles beherrschende Thema. Viele Unternehmen und Unternehmer sind in ihrer Existenz gefährdet. Manches Geschäft musste gar aufgegeben werden. Der zweite Lockdown hat die eh schon schwierige Lage verschärft, gerade in der Gastronomie, der Veranstaltungs- und Tourismusbranche sowie unter Soloselbstständigen. Doch es gibt auch Gewinner. Unternehmen und Branchen in der Region also, denen die Pandemie zu manchem Höhenflug verholfen hat. Oder Beispiele, die einfach Mut machen.
1. va-Q-tec: Dick im Geschäft mit dem Transport der Impfstoffe

Wenn die Corona-Impfungen bald flächendeckend anlaufen, spielt der Transport der zu kühlenden Impfpräparate eine wichtige Rolle. Ein Riesengeschäft ist hier zu erwarten. Mittendrin: die auf hocheffizientes Isoliermaterial spezialisierte va-Q-tec AG in Würzburg. Sie schloss schon im November Vorverträge mit namhaften Impfstoffherstellern ab und sorgte das Jahr über für den weltweiten Transport von mehreren Hundertmillionen Ausrüstungen für Corona-Tests. Die Würzburger sind nach den Worten eines Firmensprechers mittlerweile mit einem Dutzend Impfstoffhersteller in aller Welt im engen Kontakt. In welche Höhen der Umsatz von va-Q-tec heuer schnellen wird, sei noch nicht klar. Aber es werde in vielfacher Hinsicht ein Rekordjahr, so der Sprecher. Das hat man auch am Aktienkurs des Unternehmens gesehen: Er kletterte in den vergangenen Monaten bisweilen auf nie gekannte Top-Werte.
2. Nipro und andere: Glasfläschchen im Kampf gegen die Pandemie

Wie va-Q-tec in Würzburg spielt auch Nipro in Münnerstadt (Lkr. Bad Kissingen) eine bedeutende Rolle, wenn Corona-Impfstoffe bald in der Welt verteilt werden müssen. Denn der mainfränkische Ableger der japanischen Nipro-Gruppe stellt Glasfläschchen für medizinische Zwecke her. Deren Produktion läuft seit Wochen auf Hochtouren, viele Millionen Nipro-Fläschchen sollen bald auf dem Markt sein. Die Münnerstädter sind hier nicht alleine unterwegs: Auch die Firma ISO Arzneiverpackungen aus Bad Königshofen stellt solche Fläschchen millionenfach her und erwartet gute Geschäfte. Nicht zu vergessen der Düsseldorfer Gerresheimer-Konzern, der eine Niederlassung in Lohr hat. Er spricht im Zusammenhang mit den Corona-Impfungen gar von einer Milliarde Fläschchen. Sie werden zwar nicht in Lohr hergestellt, sondern in Westfalen. Aber wenn es der Konzernmutter gut geht, profitiert davon normalerweise auch die Konzerntochter.
3. Konditorei-Café Heintz: Nikolaus mit Mundschutz sorgt für Höhenflug

Was er da ausgelöst hat, hätte sich Konditor Herbert Häcker im Traum nicht vorstellen können. Denn nachdem der Geschäftsmann in Bad Königshofen im November die ersten Schokoladen-Nikoläuse mit Mund-Nase-Schutz verkauft hatte, schwappte eine Riesenwelle über ihn und sein Team hinweg. Erst gab es haufenweise Beleidigungen von Verschwörungstheoretikern, dann aber einen Ansturm auf seine Nikoläuse. Häcker kam mit der Produktion kaum hinterher, 100 Schokofiguren ging pro Tag raus. Sogar aus weit entfernten Ländern trafen Bestellungen ein. Außerdem rannten ihm die Medien die Türen ein. Bald hat Häcker wieder Ruhe - und das nicht nur, weil die Weihnachtsmann-Zeit zu Ende geht: Der Pachtvertrag für seine Konditorei läuft zum Jahresende aus. Dann betreibt er mit seiner Familie nur noch ein kleines Café.
4. Christian Bohlig und andere im Sinntal: Weihnachtsbäume gehen immer

Corona kann einer uralten Tradition nichts anhaben: Die Menschen hierzulande brauchen einen Weihnachtsbaum. Das kommt gerade dem Dorf Mittelsinn (Lkr. Main-Spessart) sehr entgegen, wo 30 Bauern Süddeutschlands größte Anbaufläche für solche Bäume bewirtschaften. Die Nachfrage sei unverändert hoch, hört man aus Mittelsinn. Der Trend bei den Kunden gehe zum Selberschlagen. Christian und Nadja Bohlig haben indes einen anderen Trend aufgegriffen, den des Online-Kaufs. Die Bohligs liefern per Paketdienstleister bruchsicher verpackte Nordmanntannen – Baumständer, Christbaumkugeln oder Lichterketten auf Wunsch inklusive.
5. WüLivery und Co.: Waren direkt nach Hause geliefert

27 Prozent der Menschen in Deutschland bestellen heuer die Lebensmittel für Weihnachten lieber online, weil sie wegen Corona nicht im Supermarkt einkaufen wollen. Das hat eine Umfrage der Marktforscher von Yougov ergeben. Was via Internet bestellt wird, muss ins Haus gebracht werden. Also haben Lieferdienste heuer deutlich an Bedeutung gewonnen. WüLivery ist ein Beispiel dafür, dass die Dienstleistung auch umweltfreundlich geht. Ende November startete der Lieferdienst in Würzburg, der mit den "Radboten" zusammenarbeitet und schon nach wenigen Tagen 60 Unternehmen in der Stadt als Partner hatte. Tendenz steigend.
6. Fahrradgeschäfte: Plötzlich wollen alle in die Pedale treten

"Klarer Corona-Gewinner im Bereich Mobilität": So stufte vor wenigen Monaten das Statistische Bundesamt den Fahrradhandel im Land ein. Kein Wunder, schnellten doch die Erlöse in der Branche nach dem ersten Lockdown im Frühjahr um mehr als die Hälfte nach oben - inklusive Sport- und Campingartikel. Auch der Juni lief laut Bundesamt mit einem Umsatzplus von 29 Prozent gegenüber dem Vorjahr gut. Das spürten auch Händler in Mainfranken. Christoph Momber in Würzburg zum Beispiel konnte sich plötzlich vor Aufträgen kaum retten. "Teilweise hat sich eine Schlange bis über den Hof gebildet", berichtete er im Mai. Auch Fahrradhändler Stefan Einberger hat in den vergangenen Monaten gemerkt, dass die Menschen gerade wegen der Corona-Einschränkungen ihre Räder "wieder ganz tief aus dem Keller hervorgekramt haben". Deswegen verzeichnete der Veitshöchheimer eine rege Nachfrage nach Reparaturen.
7. Knauf: Schiere Größe schützt vor der Krise

5,7 Prozent mehr Umsatz als vor einem Jahr meldete der mainfränkische Gipskonzern Knauf kürzlich. Das Plus in heiklen Zeiten hat einen klaren Grund: Das Familienunternehmen in Iphofen (Lkr. Kitzingen) wuchs in den vergangenen zwei Jahren durch zum Teil spektakuläre und millionenschwere Zukäufe derart, dass es Weltmarktführer geworden ist. 2020 sei wirtschaftlich gesehen ein "sehr erfolgreiches Jahr" gewesen, hieß es vor wenigen Tagen.
8. Handwerker wie Norbert Schneider in Fellen: Immer gefragt

Die Corona-Krise hat den Handwerksbetrieben in Unterfranken offenbar wenig anhaben können. So stuften 86 Prozent ihre Lage als mindestens befriedigend ein, wie im Oktober die Handwerkskammer in Würzburg in einer Konjunktur-Umfrage herausgefunden hat. Wie man in sensiblen Zeiten selbst in einer engen Nische Erfolg haben kann, zeigt das Beispiel von Norbert Schneider in Fellen (Lkr. Main-Spessart). Seine Schreinerei stellt Wagen für Forstarbeiter und Waldkindergärten her. Der Laden läuft, die zwölf Mitarbeiter sind ausgelastet. "Corona hat uns in keiner Weise belastet", sagte Seniorchef Schneider.
9. Corona: Wenn eine Pizzeria von ihrem Namen profitiert

Die aktuelle Pandemie und vor allem die beiden Lockdowns haben kaum eine Branche so hart getroffen wie die Gastronomie. Viele Wirtschaften versuchen, sich mit Abhol- und Lieferdiensten über Wasser zu halten. Wenn dann noch ein glücklicher Umstand dazukommt, kann das zumindest das Schlimmste verhindern. Wie im Fall einer Pizzeria in Hettstadt bei Würzburg, die so heißt wie die Krise: Corona. "Viele fotografieren sich vor unserem Schild, da fühlt man sich sogar etwas wie ein Star", sagt Inhaberin Jaswinder Kaur. Natürlich leide auch ihr Gasthaus unter der Zwangsschließung. Aber mit Speisen zum Abholen "versuchen wir das Beste draus zu machen", ergänzt Kaurs Mann Singh Baldwinderjit. Dieses Angebot laufe derzeit sogar besser als während des ersten Lockdowns, hat Kaur beobachtet. Übrigens: "La Corona" heißt die Gaststätte schon seit zehn Jahren. Früher war sie im Ort unter "Krone" bekannt.
10. Gerolzhofen, Karlstadt und andere: Das Miteinander gewinnt

Die Corona-Krise hat mancherorts ein neues Gefühl für das Miteinander erzeugt. Gewonnen hat dadurch die Zusammenarbeit zwischen Rathäusern und örtlicher Geschäftswelt, wie das Beispiel Gerolzhofen zeigt. Dort beschlossen schon im Oktober Bürgermeister und Stadtrat, dem heimischen Einzelhandel in diesen schwierigen Zeiten zu helfen, indem Kunden in der Innenstadt kostenlos parken können. Bis dahin waren Tickets zu lösen. In Karlstadt kam im Juli ein Schulterschluss zwischen Einzelhändlern, Stadtverwaltung und Kulturschaffenden zustande: Bei der Veranstaltung "drinnen und draußen" stellten Geschäftsleute ihre Schaufenster zur Verfügung, so dass dort Musiker der Region auftreten konnten. Auch in Schweinfurt und Würzburg beispielsweise gibt es Initiativen, um der gebeutelten Geschäftswelt unter die Arme zu greifen.