
Im Jahr 1960 hat sich für die Fellener Schreinerei Schneider ein neues Geschäftsfeld aufgetan. Damals baute Leo Schneider für einen Jäger einen ersten, einfachen Schutzwagen. Das Geschäft weitete sich mehr und mehr aus, wurde zum zweiten Standbein. Bald verkauften die Schneiders Schutzwagen für Forstarbeiter in ganz Deutschland, erzählt Norbert Schneider, 69, Sohn von Leo und inzwischen auch schon Seniorchef. Einst waren es bis zu 140 Forstwagen im Jahr. Als der Forst als Abnehmer schwächelte, fand die Schreinerei eine neue, wachsende Zielgruppe: Waldkindergärten. Vor Kurzem hat die Schreinerei sogar eine weitere Halle gebaut, weil das Geschäft mit den Wagen für Waldkindergärten so gut läuft.

Während man sich Forstarbeiterwagen von der Größe her wie einen Bauwagen vorstellen kann, also drei bis vier Meter lang, haben Wagen für Waldkindergärten eine ganz andere Dimension. In der neuen Halle arbeiten Mitarbeiter gerade an zwei neuen riesigen Kindergartenwagen. Die sind meist zehn Meter lang und drei Meter breit. "Bei zwölf Metern ist Schluss, die kriegen wir gerade so hier herein", sagt Schneider, der Anfang des Jahres die Leitung des Betriebs an seinen Sohn Christian, 41, übergeben hat. Und es gibt einen weiteren großen Unterschied: Jeder Waldkindergartenwagen ist anders, denn jeder Kindergarten hat andere Wünsche und Vorstellungen. "Das ist eine Sache, die Spaß macht, weil nichts gleich ist."
Bei Waldkindergärten muss alles ökologisch sein
So bekommen die 30 Quadratmeter großen Wagen auf Wunsch Küchen, Terrassen, überdachte oder unüberdachte Treppenaufgänge aus Holz oder Metall, einen Boden aus Holz oder Kautschuk, Ruheecken, Regale, Schränke und Gas- oder Holzöfen. Die Kindergärten legten zudem Wert darauf, dass alles ökologisch ist, während Forstwagen meist mit Styropor gedämmt werden. Die Schreinerei stellt dabei den Aufbau aus Fichte her, das Fahrgestell mit Achse baut ein Schlosser aus Zeitlofs (Lkr. Bad Kissingen), das Blechdach macht ein Spengler aus Langenprozelten und eine mögliche Elektroheizung ein Elektriker aus Wernfeld. Die Grundelektrik macht die Schreinerei selbst. Gedämmt wird mit Holzfaserplatten, auf die innen Pappelsperrholz kommt. Die Außenverkleidung bilden Lärchenbretter aus Rieneck.

Während die Schreinerei heute noch rund 30 Forstwagen im Jahr baut, sind es für Waldkindergärten inzwischen auch schon um die 15 im Jahr. "Die zwölf Mitarbeiter sind voll ausgelastet", sagt der 69-Jährige. "Corona hat uns in keiner Weise belastet." Sowohl bei den Forstwagen als auch bei den Wagen für Waldkindergärten ist die Zahl der Hersteller in Deutschland überschaubar: Bei den Forstwagen sind es laut Norbert Schneider drei, bei denen für Waldkindergärten vier oder fünf. Ohne Zertifizierung läuft dabei nichts. Auf einen Forstarbeiterwagen könne auch schon mal ein Baum stürzen, dann habe er halt eine Delle im Dach.
Die Wagen machen etwa die Hälfte des Umsatzes der Schreinerei aus, die ansonsten das klassische Repertoire einer Schreinerei, also Türen, Treppen und Möbel, bietet. Neben Wagen für den Forst und für die Kindergärten bauen die Schneiders, wenn auch seltener, auch Schäferwagen oder solche für die Freizeit oder die Jagd. Normale Bauwagen könne man mit seinen Forstwagen aber nicht vergleichen, sagt Norbert Schneider. Bauwagen hätten meist keine Isolierung, keine massiven Möbel und seien billiger ausgestattet. Auch mit den allerersten Waldarbeiterwagen der Schneiders ("Das wäre heute Schrott") hätten die aktuellen wenig zu tun.

Das hat natürlich seinen Preis: Ein Forstwagen aus Fellen kostet etwa 15 000 bis 25 000 Euro, bei den Wagen für Waldkindergärten geht es bei 50 000 Euro los. Das, sagt der Schreiner, sei für Kommunen um ein Vielfaches billiger als ein festes Gebäude. So habe Gelnhausen (Lkr. Main-Kinzig), das dringend Kindergartenplätze gebraucht habe, schon neun oder zehn Waldkindergartenwagen. Die Lebensdauer schätzt Schneider auf mindestens 30 Jahre.
Alle Wagen können gezogen werden
Während Forstwagen mit dem Auto oder Traktor dorthin gezogen werden können, wo sie gebraucht werden, bleiben Wagen für Waldkindergärten meistens an Ort und Stelle. Dass sie Räder haben, habe mit der Problematik zu tun, dass feste Hütten im Wald oft nicht genehmigt würden. Wenn es nötig ist, könne man natürlich auch die anhängen und wegfahren. Ihren Bestimmungsort erreichen sie aber per Lkw.

2005 hat die Schreinerei ihren ersten Waldkindergartenwagen gebaut. Dabei hätte es schon früher losgehen können. Schon 20 Jahre zuvor habe aus Hessen die erste Anfrage für einen solchen Wagen gegeben. "Es sind immer wieder Anfragen gekommen", erzählt der Seniorchef. Aber früher habe die Schreinerei keine Zeit gehabt. Mit dem schwächelnden Forstwagengeschäft hätten sie es aber dann doch einmal ausprobiert und sich an die Kindergartenwagen gewagt. Mit Erfolg. Neue Kunden werden übers Internet oder über Mundpropaganda auf sie aufmerksam. Im Landkreis Main-Spessart steht bislang noch kein Waldkindergartenwagen aus Fellen, dafür bekommt Gemünden demnächst einen neuen Forstarbeiterwagen von dort.